Mitglieder der türkis-blauen Regierung zeigten keine Berührungsängste mit der Welt der Superreichen – das legen die Ermittlungen zur Casinos-Affäre offen.

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Ein paar Milliarden Euro Privatvermögen, türkis-blaue Politprominenz und einen echten Prinzen aus Liechtenstein: das entdeckt, wer die Einladungsliste für eine Dinnerparty im November 2018 durchblättert. Für die klandestine Runde zeigen sich zwei mächtige Manager mit besten Verbindungen verantwortlich: Der damalige Novomatic-Chef Harald Neumann und der C-Quadrat-Gründer Alexander Schütz, dessen Ehefrau damals Vizekabinettschefin im Finanzministerium war. Geladen waren etwa Wirecard-Chef Markus Braun, Immobilientycoon René Benko, Puls-4-Chef Markus Breitenecker, der Sohn von Novomatic-Gründer Graf, US-Botschafter Trevor Traina sowie Johann Gudenus (FPÖ), Ex-Vizekanzler Josef Pröll, Finanzminister Gernot Blümel, Öbag-Chef Thomas Schmid und Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer (alle ÖVP). Gekommen ist nicht jeder – Graf, Mahrer, Benko und Blümel blieben fern. Knapp vor der Party schrieb Neumann: "Hab Martin Ho auch eingeladen!"

Jetzt steht diese Runde im Fokus der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Wurden dort Absprachen zum Casinos-Umbau besprochen? Immerhin hatten Blümel, Schmid, Neumann, Pröll als Casinos-Aufsichtsrat und die Familie Graf dabei etwas mitzureden. Unter die Lupe nehmen müssen die Ermittler viele solcher Runden. So erzählte Eva Hieblinger-Schütz, Frau von Multimillionär Schütz und Finanz-Vizekabinettschefin vor dem U-Ausschuss: "Wir haben sehr viele Abendessen, sehr viele Einladungen, sehr viele Veranstaltungen, sehr viele Bekanntschaften. Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, wann mein Mann genau Kontakt zur ÖVP hatte." Neumann und Schütz wollten einen "Grillabend mit Gudenus" machen, die Kinder gingen gemeinsam in die Schule; "auch die Zwillinge vom Herrn Sidlo", dem späteren Kurzzeit-Casinos-Vorstand.

Markus Braun kennt Hieblinger-Schütz, "seit er 17 ist, glaube ich, ja, da war ich 14". Blümel und Neumann schrieben einander, sie würden sich bei einem Fest "im Schloss zurückziehen", Thomas Schmid bekochte 2016 Casinos-Vorständin Bettina Glatz-Kremsner (einst ÖVP-Vize).

"Kurz scheißt sich voll an"

Vor allem sichergestellte Chatnachrichten sorgen für Zweifel am offiziellen Narrativ. Hier ist es primär das Smartphone von Thomas Schmid, auf das sich Ermittler verlassen. Am Freitag hat das von Peter Pilz herausgegebene "ZackZack" neue Chats publiziert. Dabei handelt es sich um Nachrichten zwischen Schmid und einer engen Vertrauten. Die beiden diskutieren über ein Gespräch mit Kanzler Sebastian Kurz und dessen Vorstellungen zur Öbag.

"Ist dein Gespräch gestern gut gelaufen?", fragt die Kabinettsmitarbeiterin. "Ja. Er überlegt noch. Aber er ist schon mühsam", antwortet Schmid mit Blick auf den ÖVP-Chef, der offenbar den Magna-Manager Sigi Wolf als Öbag-Aufsichtsratschef wollte. Später schreibt Schmid dann: "Kurz scheißt sich voll an." Seine Mitarbeiterin meint, dann solle er nicht Wolf zum Aufsichtsratschef machen. "Mr Saubermann, ehrlich". Und: "Ja aber seine Aussenwirkung kann er auch mal durchdenken wenn man den zum AR chef macht." Da müsse der damalige Sprecher Gerald Fleischmann "viel argumentieren damit des in einem super Licht erscheint". Aus der Postenbesetzung wird nichts, Aufsichtsratschef wurde Helmut Kern; Schmid unter ihm dann Öbag-Chef.

Kurz hat seine Beteiligung am Öbag-Umbau bislang als minimal dargestellt. Widersprechen die Chatnachrichten seinen Aussagen? Im U-Ausschuss meinte Kurz, Schmid habe ihn "irgendwann davon informiert", Öbag-Chef werden zu wollen, das sei auch in den Medien gestanden. Tatsächlich sind im September 2018 entsprechende Gerüchte zum Beispiel im "Trend" kolportiert worden; die SMS zwischen Schmid und Mitarbeiterin stammen vom Dezember 2018. Ein direkter Widerspruch ist hier nicht festzustellen. Allerdings war Kurz offenbar stärker involviert als bislang bekannt.

Durchlässige Politik

Nicht nur die vielen Chats zeigen: Türkis-Blau wollte Teil jener Welt sein, die von Reichen, Schönen und Mächtigen oder denen, die sich dafür halten, bevölkert wird. Zwischen Politik, Behörden und den Vermögenden gibt es in dieser Welt keine Grenzen mehr: Man feiert und urlaubt gemeinsam, und man arbeitet zusammen. Oder, um einen gängigen U-Ausschuss-Witz zu zitieren: Society-Portale mit Eventfotos sind in Wahrheit eine Undercover-Einheit der Korruptionsstaatsanwaltschaft – es gilt natürlich die Unschuldsvermutung.

Ein Stück dieses Kuchens aus Posten und Einfluss wollten auch die FPÖ und ihre Unterstützer – und sie waren schon sehr, sehr hungrig. Das zeigen Chatprotokolle, über die "Profil" am Donnerstag berichtet hat. So meldete sich Siegfried Stieglitz, Unternehmer aus Oberösterreich, schon im Jänner 2018 bei Heinz-Christian Strache: "Zuletzt hat mir Norbert (Hofer, Anm.) in einer persönlichen Besprechung zugesichert, mich in einen Aufsichtsrat zu entsenden. So wie von uns – Norbert, Dir und mir – im Sommer besprochen und geplant. Weißt Du schon näheres? (...)" Zwei Monate später wurde er Aufsichtsratschef der Asfinag. Aber das war noch nicht genug, Stieglitz wollte noch einen Posten; womöglich in der ÖBB? Oder, wie Strache in Chats mit Stieglitz schrieb: "Verbund, OMV, BIG, Casino… irgendwo kann es eine Möglichkeit geben!" Warum war der Unternehmer so wichtig? Wohl auch, weil er einen FPÖ-nahen Verein und die FPÖ selbst unterstützt hatte. So stellte er der Partei den "längsten" Wahlkampfbus zur Verfügung; den Harald Vilimsky später scherzhaft zum "Gang-Bang-Bus" umwidmen wollte.

Postenschacher im ORF

Die teilstaatlichen Konzerne wurden als Spielwiese betrachtet. Auch in den ORF regierte Türkis-Blau hinein. Laut Chats des Stiftungsratsvorsitzenden Norbert Steger (FPÖ) an eine Reihe von FPÖ-Granden war mit der ÖVP und Generaldirektor Wrabetz akkordiert worden, dass der Journalist Gerhard Jelinek ORF-Online-Chefredakteur werden sollte. Später sollte dann eine Innenpolitik-Journalistin des "Kurier" seine Stellvertreterin werden. Jelineks Nähe zur ÖVP ist bekannt, er war einst Chef des ÖVP-Pressedienstes. Der ORF-Redakteursrat sprach sich nun gegen Postenschacher aus, Wrabetz und Steger schwiegen.

Das Ibiza-Video machte viele dieser Pläne zunichte. Seitdem laufen Ermittlungen gegen zahlreiche Personen aus dem türkis-blauen Umfeld. Einige Entscheidungen wurden rückgängig gemacht, nun sitzen Grün-Affine in Aufsichtsräten und an anderen Stellen. Oder, wie Kanzler Sebastian Kurz im U-Ausschuss über das System parteipolitischer Postenbesetzungen sagte: "Es hat sicher seine Schwächen, aber wir kennen kein besseres." (Fabian Schmid, 16.10.2020)