Sölden – Was die Formel 1 in Spielberg geschafft hat, sollte der Ski-Weltcup in Sölden alleweil zustande bringen: einen geglückten Saisonstart. Die Bedingungen sind in diesem Ort, der im Frühjahr wie Ischgl lange unter Quarantäne stand, derzeit freilich so ideal, wie sie an anderen Destinationen den gesamten Winter nicht mehr zu erwarten sind. Schließlich steigt der Auftakt mit den Riesentorläufen (Damen Samstag, Herren Sonntag, jeweils zehn Uhr) knapp vor Beginn der Wintersaison und damit abgeschottet von der Öffentlichkeit.

Corona-Alarm

Mit einem strikten Covid-19-Präventionskonzept und regelmäßigen Tests versuchen die Verantwortlichen, das Virus zu kontrollieren. Vorerst mit Erfolg, denn am Freitag wurden in Sölden zwei positive Fälle bekannt, beide wurden vor Eintritt in die Blase isoliert. Ein schwedischer Trainer befinde sich laut schwedischer Teamführung bereits in Quarantäne im Ötztal. Eine zweite Betreuungsperson aus dem schwedischen Team, die mit dem Coach länger in Kontakt war, wurde negativ getestet. Ein weiterer Co-Trainer ist laut Team-Manager Lars Melin schon in Schweden positiv getestet worden und daheimgeblieben. Die Sportler seien fit und bereit für das Rennen, hieß es von Seiten des schwedischen Verbandes.

DER STANDARD

Berührungspunkte gibt es kaum, wenn, dann mit Maske und Abstand. Etwa in einer Tiefgarage eines Hotels, die flugs zu einer Mixed Zone mutierte, um ein relativ sicheres Treffen von Rennläufern und Journalisten zu ermöglichen. ÖSV-Damen-Chef Christian Mitter geht das durch das Virus erforderliche, nicht gerade soziale Verhalten zwar leicht "gegen den Strich", man habe aber bereits Routine und keine Probleme, weil die "Athleten prinzipiell disziplinierte Leute" seien.

Improvisation ist gefragt. Die Mixed Zone wurde in einer Tiefgarage installiert.
Foto: APA/EXPA/JOHANN GRODER

Brennen auf Rennen

In der 55. Weltcup-Saison mit dem Höhepunkt WM in Cortina d’Ampezzo im Februar 2021 wird unter den besonderen Umständen Wert auf Trennung von Männern und Frauen, Technikern und Speedspezialisten gelegt. Wie für viele andere Bereiche geht es auch für den alpinen Skirennsport ums Überleben, wie es Fis-Renndirektor Markus Waldner formulierte.

Die Athleten brennen jedenfalls auf den ersten internationalen Vergleich im Wettkampfmodus. Elf Damen und sieben Herren gehen für den ÖSV in jener Disziplin an den Start, die nach dem Rücktritt von Marcel Hirscher im September 2019 die meisten Defizite offenbarte. Um diese Scharte auszumerzen, wurde mit Michael Pircher der frühere Trainer des achtfachen Gesamtweltcupsiegers als neuer Trainer der Herren engagiert.

Der Steilhang mit einem Maximalgefälle von 65 Prozent ist eine Herausforderung. Die Saison detto.
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Während für Manuel Feller, Zwölfter und Bester 2019 in Sölden, nach Rückenproblemen im Sommer ein Start noch zu früh kommt, feiern Bernadette Schild und Stephanie Brunner ihre Comebacks. Erstere zog sich beim Auftakt 2019 am Rettenbachferner einen Kreuzbandriss zu, Brunner kehrt nach bereits drei Kreuzbandrissen zurück. Feller sagte: "Ich bin jetzt noch nicht dort, wo ich gerne sein möchte." Schild: "Ich fühle mich gut. Wenn ich zweimal runterfahren darf, habe ich einen großen Schritt gemacht. Ziel ist wieder hineinzufinden und auch mit kleineren Erfolgen zufrieden zu sein und darauf aufzubauen. Mein Umfeld und auch ich sind gefordert, dass wir die Kirche im Dorf lassen." Brunner hat ihre Verletzungsmisere weggesteckt: "Wenn es reißt, dann reißt es. Ich bin bereit."

Als Ziel ist indes die Annäherung an die Spitze ausgerufen worden. Mitter verweist mit acht Startnummern unter den besten 30 auf eine hohe Dichte, mit nur zwei unter den besten 15 aber auf Steigerungspotenzial: "Wir sind noch nicht ganz dort. Ich erwarte aber, dass wir uns weiter nach vorne arbeiten." Der bisher letzte Sieg in einem Riesentorlauf gelang Eva-Maria Brem im März 2016 in Jasna.

Auch mit den Herren heißt es wohl weiter Geduld haben. Herren-Chef Andreas Puelacher hofft auf mehr Konstanz, etwa bei Roland Leitinger und Stefan Brennsteiner. Topresultate solle man sich zunächst aber noch nicht erwarten: "Ich hoffe, dass es uns gelingt, wieder einen Schritt näher an die Spitze zu kommen." Für den letzten Erfolg in der Disziplin zeichnete Hirscher 2019 in Adelboden verantwortlich.

Kapazunder en masse

In Sölden nicht dabei sind mit der US-Amerikanerin Mikaela Shiffrin (Rückenprobleme) und der Deutschen Viktoria Rebensburg (Rücktritt) zwei frühere Olympiasiegerinnen. Dafür sollte wieder mit der für Neuseeland startenden Alice Robinson zu rechnen sein, die 2019 sensationell gewann. Und mit der Französin Tessa Worley, der Slowakin Petra Vlhova sowie der Italienerin Federica Brignone, Gesamtweltcupsiegerin 2020.

Der Zielbereich harrt der Dinge, die sich am Wochenende dort abspielen werden.
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Bei den Herren zählt gewiss Vorjahressieger Alexis Pinturault zu den Favoriten. Der Franzose hatte die große Kristallkugel in der abgelaufenen Saison trotz sechs Siegen um 54 Punkten verpasst, während der Norweger Aleksander Aamodt Kilde mit lediglich einem Erfolg, aber bestechender Konstanz triumphierte. Pinturault: "Ich bin dieses Jahr bisher nicht so viel Ski gefahren, deshalb kann es sein, dass ich noch nicht zu 100 Prozent fit bin." Das Training im Sommer sei in vieler Hinsicht anders als sonst, aber dennoch sehr gut gewesen. Und es sei nicht schlecht gewesen, nicht auf die südliche Hemisphäre reisen zu müssen. Seine Ziele: Viele Siege, um im Rennen um großes Kristall zu sein und Erfolge bei der WM. Er weiß natürlich, "dass Corona meine Pläne schnell durcheinander bringen kann."

Kilde hat sich vorgenommen, weiter in möglichst vielen Disziplinen prominent mitzuwirken, aber auch mehr Rennen zu gewinnen. Die Voraussetzungen dafür habe er im Sommer geschaffen. Ähnliches gilt auch für seinen Kollegen Henrik Kristoffersen, der voriges Jahr als 18. in Sölden patzte, mit drei Siegen am Ende Gesamtdritter war. (Thomas Hirner, 16.10.2020)

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