Der Angreifer wurde von der Polizei angeschossen und starb nach Angaben aus Justizkreisen später.

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Nach dem Angriff hielt Staatschef Emmanuel Macron eine Rede vor der Schule, in der der getötete Geschichtslehrer gearbeitet hatte.

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Paris – Nach der Ermordung eines Lehrers durch einen Islamisten bei Paris hat die Staatsanwaltschaft in Frankreich weitere Details über die Tat bekannt geben. Der mutmaßliche Täter sei 2002 in Moskau geboren worden und sei russischer und tschetschenischer Herkunft, sagte Staatsanwalt Jean-François Ricard am Samstag.

Er habe seit dem Frühjahr einen Flüchtlingsstatus in Frankreich und sei bisher geheimdienstlich nicht aufgefallen. Er wurde demnach von der Polizei kurz nach der Tat erschossen.

Der Mann war mit einem Messer und einer Softair-Pistole bewaffnet – in der Nähe des Tatorts fand die Polizei außerdem ein rund 30 Zentimeter langes blutverschmiertes Messer. Das Opfer, ein 47-jähriger Geschichtslehrer, hatte zahlreiche Wunden am Oberkörper und Kopf und wurde enthauptet aufgefunden, wie Ricard sagte. Er sei gerade auf dem Weg nach Hause von der Schule gewesen. Der Täter habe ihm aufgelauert.

Drohungen

Der Staatsanwalt führte aus, dass dem Angriff bereits Drohungen gegen den Lehrer und die Schule vorausgegangen waren. Der Lehrer hatte Anfang Oktober im Rahmen der Debatte über Meinungsfreiheit und die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen der Satirezeitung "Charlie Hebdo" im Unterricht entsprechende Zeichnungen gezeigt. Daraufhin veröffentlichte ein Vater Posts in sozialen Netzwerken, beschwerte sich bei der Schulleitung und machte gegen den Lehrer mobil.

Täter postete Foto des toten Opfers

Der mutmaßliche Täter postete nach der Tat ein Foto des gestorbenen Opfers im Netz. "Ich habe einen Ihrer Höllenhunde hingerichtet, der es gewagt hat, Mohammed herabzusetzen", zitierte der Staatsanwalt aus dem Tweet. Die Ermittler gehen von einem terroristisch motiviertem Angriff aus. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte von einem islamistischen Terrorakt gesprochen.

Neun Festnahmen

Nach Angaben aus Justizkreisen wurden in der Nacht auf Samstag fünf weitere Verdächtige in Gewahrsam genommen. Insgesamt befinden sich nun neun Menschen in Gewahrsam. Der Täter war von der Polizei angeschossen worden und starb wenig später.

Zunächst waren vier Personen aus dem Familienkreis des Angreifers festgenommen worden, darunter auch ein Minderjähriger. Unter den fünf nun in Gewahrsam Genommenen sind Eltern von Schülern der Schule, an der das Opfer arbeitete. Außerdem wurden Menschen aus dem nichtfamiliären Umfeld des mutmaßlichen Angreifers festgenommen.

Angreifer von Polizei erschossen

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron sagte am Abend, es handle sich eindeutig um einen islamistischen Terroranschlag. Die Polizei untersuchte nach eigenen Angaben einen Tweet auf Twitter, der ein Foto vom Kopf des Lehrers gezeigt haben soll. Der Tweet ist mittlerweile gesperrt. Es sei nicht geklärt, ob die Nachricht unter dem Foto, in der Macron als "Führer der Ungläubigen" bedroht wird, vom Angreifer selbst verschickt wurde.

Nach dem Angriff hielt Staatschef Emmanuel Macron eine Rede vor der Schule, in der der getötete Geschichtslehrer gearbeitet hatte.
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Bei dem Opfer handelt es sich nach Polizeiangaben um einen Geschichtslehrer, der seinen Schülern im Rahmen seines Unterrichts über Meinungsfreiheit umstrittene Mohammed-Karikaturen gezeigt hatte. Der Angreifer soll nach der Tat in dem Ort nordwestlich der französischen Hauptstadt "Allahu Akbar" (Gott ist groß) gerufen haben. Er wurde von der Polizei angeschossen und starb nach Angaben aus Justizkreisen später.

Macron: "Sie werden uns nicht spalten"

Die Anti-Terror-Staatsanwaltschaft ermittelt den Angaben zufolge wegen "Mordes in Verbindung mit einem terroristischen Unternehmen" und wegen einer "kriminellen terroristischen Vereinigung".

Bei einer kurzen Rede vor der Schule, an der der Geschichtslehrer unterrichtet hatte, sagte Macron: "Sie werden nicht durchkommen. Sie werden uns nicht spalten." Der Lehrer sei ermordet worden, weil er seinen Schülern "Meinungsfreiheit und die Freiheit, zu glauben und nicht zu glauben", beigebracht habe. Macron versicherte, dass die Nation gegen "Aufklärungsfeindlichkeit" und die damit einhergehende Gewalt zusammenstehen werde, um alle Lehrer "zu schützen und zu verteidigen".

Solidarität aus der EU

Weitere Politiker äußerten sich nach dem Anschlag. So schrieb Bildungsminister Jean-Michel Blanquer auf Twitter: "Unsere Einheit und Entschlossenheit sind die einzige Antwort auf die Ungeheuerlichkeit des islamistischen Terrorismus." Die Messerattacke sei ein Angriff auf die Republik.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sicherte in der Nacht auf Samstag Frankreich volle Solidarität zu. Er verurteile den "barbarischen islamistischen Terrorangriff" aufs Schärfste, schrieb Kurz auf Twitter. Sein aufrichtiges Beileid gelte den Angehörigen des Opfers. "Wir werden uns dadurch nicht einschüchtern lassen und unser europäisches Lebensmodell weiterhin verteidigen", betonte der Bundeskanzler.

In Österreich meldete sich am Samstag auch die Türkische Gemeinschaft in Österreich (TKG) zu Wort und verurteilte den "kaltblütigen Mord auf das Schärfste". "Die Straftäter, die ihre kaltblütigen Morde mit einer Religion begründen, sind egal aus welchem Motiv, genauso Mörder wie alle anders motivierten Verbrecher", meinte TKG-Obmann Birol Kilic. "Dies war nicht nur ein Angriff auf das Opfer, sondern auf die Republik und Demokratie sowie den säkularen Rechtsstaat." Terror und Gewalttaten im Namen einer Religion seien nicht hinnehmbar.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) und haben den tödlichen Anschlag auf einen Lehrer nahe Paris verurteilt. "Von Terror, Extremismus und Gewalt dürfen wir uns nie einschüchtern lassen", schrieb Maas am Samstag im Kurzbotschaftendienst Twitter. Von der Leyen sprach den Angehörigen des Opfers ihr Beileid aus und betonte die Bedeutung von Lehrern in einer Demokratie.

"Meine Gedanken sind auch bei den Lehrern, in Frankreich und in ganz Europa. Ohne sie gibt es keine mündigen Bürger. Ohne sie gibt es keine Demokratie", schrieb von der Leyen.

Messerangriff im September

Bereits im September hatte es wegen der erneuten Veröffentlichung der umstrittenen Mohammed-Karikaturen in der Satirezeitung "Charlie Hebdo" einen Messerangriff mit zwei Verletzten in Paris gegeben. Bei dem geständigen Täter handelt es sich um einen 25-jährigen Pakistaner, der aus Wut über die Darstellung des Propheten gehandelt haben will.

Die Satirezeitung äußerte nach der Tat am Freitag auf Twitter ein "Gefühl des Schreckens und der Empörung". Die Intoleranz habe "gerade eine neue Schwelle überschritten". Im Jänner 2015 hatten Islamisten wegen der Karikaturen einen Anschlag auf die "Charlie Hebdo"-Redaktion in Paris verübt und dabei zwölf Menschen getötet. (APA, red, 17.10.2020)