Jacinda Ardern hat bei der Wahl einen erstaunlichen Sieg errungen und könnte künftig sogar ohne Koalitionspartner regieren.

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Das hat man bei den Genossinnen und Genossen schon lange nicht mehr gesehen. 49 Prozent sind es für Neuseelands Labour Party bei den Wahlen am Samstag geworden, ein erstaunlicher Sieg, der auch zur Alleinregierung reichen würde. Premierministerin Jacinda Ardern hat dennoch angekündigt, Gespräche über mögliche Koalitionen zu führen.

Die Höhe des Sieges ist zu guten Teilen dem erfolgreichen Kampf gegen Corona geschuldet. Neuseeland hat, als eines von wenigen Ländern der Welt, die Infektionsrate auf ein Niveau von nur wenigen Fällen pro Tag gedrückt. Als Erklärung für den Triumph greift das allein aber zu kurz – denn der Wahlsieg krönt einen verblüffenden persönlichen Aufstieg, der sich auch vor der Pandemie schon in Umfragen niedergeschlagen hat.

Vorgezeichnet war das nicht. Als Ardern vor gut drei Jahren die Labour Party übernahm, galt sie als Notlösung: zu jung, zu unerfahren, zu unkonventionell, fanden Kritiker. Mittlerweile ist sie vielen ein Vorbild. Sozialdemokratische Parteien anderswo fragen sich, was sie aus Neuseeland mitnehmen können.

Selbstverständliches als Symbolpolitik

Jung, unkonventionell, Frau: Das hat sich als Vorteil erwiesen. Arderns Person entspricht der Zeit, ihre Persönlichkeit sozialdemokratischen Werten. Kind im Amt, Maori-Tracht bei der Uno, Verschleierung beim Gedenken an muslimische Opfer des Terrors von Christchurch. Ardern lebt als Selbstverständlichkeit, was andere Politiker aus Angst vor den Wählern nicht zu tun wagen. Das ist mehr als Symbolpolitik, es signalisiert Empathie und ein modernes Amtsverständnis.

Bleiben die Klassiker der Sozialdemokratie: Armutsbekämpfung, Wohnbau, medizinische Versorgung. Sind auch sie Teil von Arderns Erfolgsrezept? Hier lässt Erfolg auf sich warten. Die Premierministerin ist langsamer unterwegs, teils auch mit Blick auf Mittewähler. Nun aber ist das Votum vorbei, nun sollte sie umsetzen – zumindest wenn ihre Regierung wirklich zur sozialdemokratischen Blaupause werden soll. (Manuel Escher, 17.10.2020)