Bei schriftlichen Online-Prüfungen sollten Lehrende vor allem zwei Schummelmethoden der Studierenden im Auge haben: Teamplagiate und Ghostwriting.

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O. hat kürzlich eine schriftliche Online-Prüfung abgelegt. Er hat aber keine Note bekommen, sondern ein "X". Das erhalten Studierende, wenn sie beim Schummeln erwischt werden – daher wird O. hier nicht namentlich genannt. Während der Klausur, die im "Closed book"-Modus abgehalten wurde – die Studierenden durften also ihre Unterlagen nicht verwenden –, wurde von seiner Nummer ein Foto des Prüfungsskripts in eine Whatsapp-Gruppe des Studiengangs gepostet. Was O. anscheinend übersehen hat: Der Lehrende war auch in der Gruppe – die Verwendung unerlaubter Hilfsmittel flog auf.

Auch M. hat einen Schummelvermerk erhalten: Einige Tage nach der Prüfung stellte ihm die Lehrende Fragen zu seinen Antworten – er konnte sie aber nicht beantworten. Für sie ist klar: Ein Ghostwriter hat für M. hat die Prüfung geschrieben.

O. und M. hätten es mit ihren Schummelmethoden in Zeiten von Präsenzprüfungen eher schwer gehabt. Aufsichtspersonen schritten durch die Reihen und beobachteten, ob Studierende während der Prüfung ihr Smartphone zücken, Spickzettel aus dem Ärmel ziehen oder von Kommilitonen abschreiben. Dass Online-Prüfungen zum Schummeln einladen, gaben immerhin rund 53 Prozent der Studierenden in einer Befragung der Uni Wien an. Bei sogenannten Open-Book-Prüfungen – die viele Studierende positiv bewerteten – sei Schummeln weniger ein Thema. Auch weil sie sich auf die Anwendung von Wissen fokussierten statt Auswendiggelerntes abzufragen.

Leitfaden gegen Schummeln

Um als Prüferin oder Prüfer digitales Schummeln zu entdecken, hat das Wissenschaftsministerium einen Leitfaden zur "Guten wissenschaftlichen Praxis bei elektronischen 'Distanzprüfungen' an österreichischen Universitäten und Hochschulen" in Auftrag gegeben. Erstellt wurde er von dem als "Plagiatsjäger" bekannten Medienwissenschafter Stefan Weber und dem Juristen Markus Haslinger, die an der Technischen Uni Wien den Arbeitsschwerpunkt "Gute wissenschaftliche Praxis" gegründet haben. Der Leitfaden bezieht sich "ausdrücklich nur auf Universitäten" sowie schriftliche Prüfungen mit offenen Fragen, da sich laut den Autoren bei mündlichen Klausuren und Multiple-Choice-Prüfungen andere Fragen stellten – etwa ob vermieden werden könne, dass Altfragen gestellt werden, die bereits mit richtigen Antworten in Facebook-Gruppen zu finden sind.

Man müsse vor allem im Vorfeld schriftlicher Klausuren ansetzen, um Regelverstöße zu minimieren, schreiben Haslinger und Weber. So sollten Lehrende checken, ob an ihrer Hochschule Plagiatsprüfsoftware lizensiert ist, die bestenfalls mit der Lernplattform verknüpft ist und – mit Einverständnis der Studierenden – automatisch die Klausuren prüft. Wichtig sei auch, dass nur eine Version der Prüfung abgegeben werden könne.

Ebenso sollten die Studierenden im Vorfeld informiert werden, was erlaubte Hilfsmittel sind, also ob während der Prüfung das Internet, Foliensätze, Printliteratur oder Mitschriften verwendet werden dürfen oder nicht. "Ein Zugriff auf Literatur und Datenbanken zur Beantwortung von offenen Fragen bei Distanzprüfungen ist im wissenschaftlichen Kontext durchaus sinnvoll und ermöglichst erst die korrekte Zitierung", merken die Leitfaden-Autoren an. Daher werde es "häufig klüger sein", klar definierte Hilfsmittel zuerst zu erlauben und im Nachhinein zu klären, ob geschummelt wurde – anstatt von vornherein Hilfsmittel technisch zu unterbinden. Zum Beispiel, indem die Prüfung in einem Browser abgehalten wird, bei dem man gewisse Seiten nicht aufrufen kann – was aber per Internetsuche am Handy einfach umgangen werden kann.

Plagiate und Ghostwriting

Besonders zwei Regelverstöße sollten die Prüfenden im Auge behalten: erstens Teamplagiate, wenn beispielsweise ein Essay in der Gruppe ausgearbeitet und mehrfach hochgeladen wird. Die sogenannte Collusion enttarne man am besten, indem Plagiatsprüfsoftware eingesetzt werde, die auch die Ausarbeitungen der Prüflinge untereinander vergleicht. Wer von wem abgeschrieben hat, erfährt man so aber logischerweise nicht, die Lehrenden müssen dann die Studierenden befragen. Gibt es an der Hochschule keine solche Software oder weigern sich Prüflinge, dass diese eingesetzt wird, kann die Arbeit auch per Google-Suche überprüft werden. Ein Vorgang, der bei hunderten Klausuren aber vermutlich nicht seriös machbar ist.

Noch schwieriger herauszufinden ist der zweite Regelverstoß: Ghostwriting während der Prüfung. Eine Studierende identifiziert sich vor der Prüfung, lässt aber jemand anderen die Klausur schreiben. Programme dafür befänden sich erst in der Entwicklung oder seien noch nicht für die deutsche Sprache einsetzbar, schreiben die Autoren. Bei einem Verdacht sei es hilfreich, wie M.s Lehrende Fragen zu stellen oder den Text mit vorliegenden anderen Texten des verdächtigen Studierenden abzugleichen, um "auffällige Unterschiede in Rechtschreibung und Grammatik" zu finden. Ebenso könnten Standardfloskeln, "auffallend 'neutrale' Wissenschaftsprosa", abweichende Zitiergewohnheiten oder akribische Formatierung ein Indiz sein. Oder wenn im Text kein persönlicher Bezug hergestellt wird.

Herausforderungen würden sich laut Ministerium aber auch angesichts der Frage ergeben, wie die Identität bei elektronischen Prüfungen festgestellt werden soll. Viele Hochschulen verlangen etwa neben dem Studierendenausweis auch einen Lichtbildausweis. Es stellen sich aber auch Fragen zum Datenschutz, etwa ob es zulässig ist, einen Kameraschwenk durch die Wohnung zu verlangen. Letzteres sowie eine zweite Webcam, die den Prüfungsraum filmt, sei aber "nur bedingt praktikabel", schreiben Haslinger und Weber. Wichtiger seien die Präventionsmaßnahmen im Vorfeld der Prüfung. (set, 20.10.2020)