In der zwölfwöchigen Ausbildung lernen die Sicherheitsmitarbeiter bei den Wiener Linien viel Rechtliches, aber auch, wie sie deeskalierend eingreifen können.

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Wien – Weil ein Schwarzer sich weigerte, einen Mund-Nasen-Schutz aufzusetzen, drückten ihn drei Security-Mitarbeiter der Wiener Linien minutenlang zu Boden, DER STANDARD berichtete. Bei den Wiener Linien wurde mittlerweile das Material der Bodycams, die die Mitarbeiter tragen, gesichtet, mit den Mitarbeitern gesprochen und auch Videomaterial aus der Station angesehen. "Da wurde nach Vorschrift gehandelt", sagt Christoph Heshmatpour, der für das Unternehmen spricht. Der Mann sei in sechs Minuten 18 Mal aufgefordert worden, einen Mund-Nasen-Schutz aufzusetzen.

Was laut Wiener Linien geschah

Er rekapituliert: Die Mitarbeiter hätten den Mann auf die fehlende Maske angesprochen, dieser wollte weder eine aufsetzen noch die Station selbstständig verlassen. Die Security-Mitarbeiter hätten dann mehrmals angekündigt, dass sie den Mann in diesem Fall nach draußen bringen. Als sie das tun wollten, seien sie von dem Mann angegriffen worden. Die Mitarbeiter hätten den Mann deswegen am Boden fixiert und die Polizei gerufen. Bis diese eingetroffen ist, hielten sie den Mann ohne Maske am Boden fest. Von den Sicherheitsmitarbeitern wurde niemand verletzt.

Als die Polizeibeamten eintrafen, sei der Mann nicht mehr am Boden fixiert gewesen, sagte Polizeisprecher Paul Eidenberger. Es habe gegenseitige Anzeigen wegen Körperverletzungen gegeben, weitere Maßnahmen seien vonseiten der Polizei aber nicht notwendig gewesen. Auch die Rettung musste nicht geholt werden.

Wie Sicherheitsmitarbeiter ausgebildet werden

Fest steht: Die Mitarbeiter dürfen Fahrgäste fixieren, bis die Polizei eintrifft. Das sei allerdings das allerletzte und äußerste Mittel, sagt Heshmatpour. Wie Sicherheitsmitarbeiter in herausfordernden Situationen reagieren sollen, lernen sie in der internen Ausbildung. Laut Heshmatpour sei es durchaus eine Besonderheit, dass die Mitarbeiter im Unternehmen ausgebildet werden und nicht von Sicherheitsfirmen "zugekauft" werde. Die Ausbildung dauert zwölf Wochen. Rechtliche Fragen würden einen großen Teil einnehmen, aber auch die deeskalierende Gesprächsführung. Denn das Gespräch werde immer zuerst gesucht, sagt der Pressesprecher. Ein spezielles Modul gebe es in der Ausbildung bezüglich der Sicherheit für Frauen.

Insgesamt gibt es bei den Wiener Linien 130 Sicherheitsmitarbeiter, die eigentlich Eisenbahnaufsichtsorgane heißen. Was sie dürfen, ist im Eisenbahngesetz genau geregelt. Was Alter und Herkunft betreffe, seien die Mitarbeiter "so bunt wie die Stadt Wien", sagt Heshmatpour. Darauf werde auch Wert gelegt. Der Frauenanteil sei mit 15 Prozent zwar gering, für den Tätigkeitsbereich sei es aber gar kein so schlechter Wert, sagt der Sprecher.

Maskenpflicht als Thema Nummer eins

Die Maskenpflicht sei momentan natürlich das Hauptthema für die Mitarbeiter. Seit Juli haben Sicherheitsmitarbeiter 67.000-mal Passagiere deswegen ermahnt. Sehr oft seien das aber auch einfach Fälle, wo die Nase nicht überdeckt war. In 231 Fällen hätten sich hingegen Personen "beharrlich geweigert", eine Maske aufzusetzen. Sie wurden dann von der Fahrt ausgeschlossen und erhielten eine Strafe von 50 Euro, sagt der Sprecher. Teilweise hätten die Passagiere sehr aggressiv reagiert. "Natürlich ist das kein leichter Job."

Ähnlicher Vorfall ohne Konsequenzen

Dass das Einschreiten zu so einer Situation wie am Samstag geführt hat, ist bereits einmal passiert. Im Juli erstattete ein Fahrgast Anzeige gegen drei Sicherheitsmitarbeiter wegen Körperverletzung – Bilder des Mannes zeigten blaue Flecken und Abschürfungen, auch ein ärztliches Attest bestätigte das. Auch in diesem Fall hätten die drei Mitarbeiter "nach Vorschrift" gehandelt, sagt Heshmatpour. Das habe eine interne Prüfung ergeben. Die drei befinden sich weiterhin im Dienst. Abgesehen davon seien ihm keine Vorfälle bekannt, die zu Anzeigen geführt hätten.

Nach Vorschrift gehandelt – aber wie viel Spielraum gibt es für Gewaltanwendung seitens der Wiener-Linien-Mitarbeiter? Wie Personen fixiert werden, werde natürlich auch in der Ausbildung gelernt, sagt der Pressesprecher. Im Fall des Schwarzen beispielsweise hätten sich die Mitarbeiter "nicht auf ihn draufgesetzt", sondern hätten ihn von der Seite gehalten. Natürlich werde bei solchen Vorfällen nicht nur bewertet, ob die Gewaltanwendung notwendig war, sondern auch, wie viel Gewalt angewendet wurde, erklärt er.

Rassismusvorwürfe aus Politik und Social Media

Und die Rassismusvorwürfe? "Wir nehmen das sehr ernst, wenn wir so etwas hören – und gehen dem natürlich nach", sagt Heshmatpour. Die Wiener SPÖ-Politikerin Mireille Ngosso berichtete über den Vorfall auf Twitter und schrieb von "mutmaßlicher rassistischer Gewalt", Faika El-Nagashi – Integrationssprecherin und Nationalratsabgeordnete der Grünen – forderte, dass der Vorfall "nicht ohne Konsequenzen" bleiben dürfe. Außerdem kritisierten auf sozialen Medien wie Instagram viele das Unternehmen. Die Geschäftsführerin, Alexandra Reinagl, sagt dazu gegenüber "Wien heute": "Es gibt nur einen Unterschied: Darf jemand mit uns fahren, weil er ein Ticket hat und derzeit den Mund-Nasen-Schutz angelegt hat oder nicht. Das ist die einzige Differenzierung, die wir machen." (Lara Hagen, 19.10.2020)