Dienstagvormittag ist es so weit: Da werden Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) und ihr indonesischer Amtskollege Prabowo Subianto Djojohadikusumo einander kennenlernen – um darüber zu parlieren, ob Österreich seine verhassten Eurofighter an den interessierten Inselstaat verscherbeln kann.

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Indonesiens Armeechef Prabowo stattet Verteidigungsministerin Tanner wegen der Eurofighter einen Besuch ab. Seine Vergangenheit als General gilt allerdings als äußerst unrühmlich.
Foto: Reuters/Willy Kurniawan

Doch bereits jetzt steht fest: Nach dem einstündigen Termin wird es nur eine dürre Pressemitteilung geben. Ein Auftritt zu zweit ist keinesfalls geplant, versichert man in Tanners Büro. Und schon gar keine Handshakes für die Kameras.

Mit gutem Grund. Denn Indonesiens oberster Militär, der derzeit auf Europatour ist und auch an anderen Flugzeugtypen wie der Rafale und dem Gripen Interesse zeigt, ist ein problematischer Staatsgast mit dem sprichwörtlichen Blut an den Händen. Während der Suharto-Diktatur spielte Prabowo als Schwiegersohn des Machthabers eine zentrale Rolle im Militär und war an zahlreichen Menschenrechtsverletzungen beteiligt.

Prabowo befehligte Kommandos der berüchtigten Spezialeinheit Kopassus. Indonesien besetzte 1975 das gerade unabhängig gewordene Osttimor und führte einen brutalen Krieg. Prabowos Einheit erschoss 1978 Osttimors ersten Premier Nicolau dos Reis Lobato, der den Widerstand gegen die Besatzer anführte.

Fan von Diktatoren

Mehr als 200 Einwohner des Ortes Kraras massakrierte die indonesische Armee 1983 als Vergeltung für einen Rebellenangriff. Am 12. November 1991 wiederum versammelten sich nach der Ermordung des Unabhängigkeitskämpfers Sebastião Gomes, der in einer Kirche von indonesischen Soldaten erschossen worden war, tausende Menschen zu einem Gedenkgottesdienst und zogen in einem Protestmarsch zum Friedhof Santa Cruz. Dort schossen Soldaten eine Viertelstunde lang auf die Menschen. Verwundete wurden erschlagen, mit Bajonetten massakriert oder lebendig begraben.

Der Journalist Allan Nairn erlitt durch einen Schlag mit einem Gewehrkolben einen Schädelbruch. Zehn Jahre später – Suharto war endlich gestürzt – empfing Prabowo Nairn zu einem langen Gespräch. Dabei übte er nicht Kritik am Massaker, sondern lediglich daran, dass dieses vor Zeugen durchgeführt wurde. Der Militär ließ auch seine Bewunderung für skrupellose Diktatoren wie Pakistans Pervez Musharraf durchblitzen. "Habe ich den Mut, als faschistischer Diktator bezeichnet zu werden?", sinnierte er.

Das Santa-Cruz-Massaker bescherte Osttimor internationale Aufmerksamkeit und nicht zuletzt dadurch schließlich die Unabhängigkeit. Im ebenfalls nach Unabhängigkeit strebenden Westpapua geht Indonesien bis heute mit Härte gegen Separatisten und Zivilisten vor. Seit dem Amtsantritt Prabowos hat sich die Intensität des Konflikts wieder dramatisch verschärft.

Nur eine Höflichkeitsvisite

Darf, kann und soll sich die Republik mit so einem Mann überhaupt einlassen – auch wenn es den Anschein hat, als ob wir an ihn ein für alle Mal die Eurofighter loswerden könnten? Im Büro von Ministerin Tanner ist man über die sinistre Vergangenheit ihres Amtskollegen wohlinformiert. Dort qualifiziert man die bevorstehende Visite als reinen "Höflichkeitsbesuch", erst danach würden auf Beamtenebene eventuell "formelle Gespräche" aufgenommen. Zu Prabowos unrühmlicher Rolle in Indonesien hält man fest: "Auch diese Komponente fließt in die Gesamtbeurteilung ein" – gemeint ist, ob man auf ein allfälliges Offert von ihm eingeht. Die Grünen, die Tanners angekündigten Besuch unlängst ausdrücklich begrüßt haben, vollziehen unmittelbar vor Prabowos Ankunft eine Kehrtwende.

Deren Wehrsprecher David Stögmüller insistiert nun auf Anfrage: "Zuerst muss geklärt werden, ob es nicht andere Staaten gäbe, die sich für die Eurofighter interessieren und in denen keine Probleme bestehen wie in Indonesien." Nachsatz in Richtung Tanner: "Bei ihrem Termin möge die Ministerin auch das bis heute bestehende Menschenrechtsproblem ansprechen."

Und was sagt eigentlich der Oberbefehlshaber zu dem umstrittenen Treiben, das am Dienstag in der Rossauer Kaserne ansteht? Bundespräsident Alexander Van der Bellen lässt dem STANDARD ausrichten: "Es ist die Aufgabe der Verteidigungsministerin, die Anfrage sorgfältig zu prüfen und die entsprechenden Schlüsse zu ziehen." (Michael Vosatka, Nina Weißensteiner, 19.10.2020)