Investor René Benko gilt als Berater von Sebastian Kurz – gespendet hat er der ÖVP allerdings bislang noch nichts.

APA/Fohringer

Nina Tomaselli wechselte vergangenen Herbst von Vorarlberg nach Wien.

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Bei der Frage nach ihrem politischen Vorbild muss die grüne Abgeordnete Nina Tomaselli nicht lange überlegen. Kaum jemand hat sie so inspiriert wie die vor anderthalb Jahren verstorbene grüne Aufdeckerin Gabi Moser. Deren größter Coup war die Enthüllung der Buwog-Affäre, bei der bald endlich ein Urteil folgen soll. Die Schlussplädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung fanden erst vergangene Woche statt – 17 Jahre nach der Privatisierung von 60.000 Wohnungen, bei der illegale Absprachen vermutet werden.

Während das Gebaren der ersten schwarz-blauen Regierung also immer noch die Gerichte beschäftigt, laufen bereits Ermittlungen gegen zahlreiche türkis-blaue Akteure. Mitten in der politischen Aufarbeitung: Tomaselli, die ihre Fraktion im U-Ausschuss anführt – und die Befürchtungen Grünen-affiner Wähler, handzahm gegenüber der ÖVP zu sein, zerstreut hat.

Die ÖVP ist sauer

Während die Grünen anfangs gemeinsam mit ihrem Koalitionspartner die U-Ausschuss-Themenliste der Opposition beschneiden wollten und eine Niederlage vor dem Verfassungsgerichtshof kassierten, spricht der türkise Fraktionsführer Wolfgang Gerstl nun von einem "Vier-Parteien-Bündnis" gegen die Volkspartei. Unter anderem, weil auch Tomaselli und ihr Kollege David Stögmüller den Rückzug Wolfgang Sobotkas als Vorsitzender gefordert haben. Als Teil eines "Vier-Parteien-Bündnis" mit SPÖ, Neos und FPÖ sieht sich Tomaselli aber nicht. Während der rote Fraktionsführer Jan Krainer und seine Neos-Kollegin Stephanie Krisper medienwirksam als "Speerspitze der Opposition" agieren, arbeitet Tomaselli an eigenen Akzenten. Und die liegen – mit Blick auf ihr Vorbild Moser kaum verwunderlich – im Bereich der Wohnpolitik.

Ihr erster Streich war es, aus den umfangreichen U-Ausschuss-Akten Privatisierungsplanspiele der staatlichen Immo-Tochter ARE herausgearbeitet zu haben. Mit der liegt die Vorarlbergerin nun im Clinch; das führte auch zum Ausritt des Tiroler ÖVP-Politikers Franz Hörl, der ihr "völlig substanzlose und unqualifizierte Attacken" attestierte.

Luxus oder leistbar

Tatsächlich zeigte Tomaselli auf, wie es die ARE immer mehr in den Markt für Luxuswohnungen zieht. Es ist eine höchst politische Frage: Will man eine staatliche Wohnbaugesellschaft, die auf möglichst hohe Gewinne zielt – die dann der Republik zugutekommen –, oder will man, dass der Staat eben nicht im hochpreisigen Segment mitmischt, sondern leistbares Wohnen forciert?

Der ARE wird von der türkis kontrollierten Öbag jedenfalls erstere Linie vorgegeben. Und das führt naturgemäß dazu, dass sie Partnerschaften mit der Elite der Immobilienbranche eingeht. Hier will Tomaselli prüfen. Diese Woche sollen der zweite und der dritte Streich in ihren Immobilienrecherchen folgen. Parlamentarisch fragte sie nach "fragwürdigen Immo-Deals" von ARE, der Muttergesellschaft BIG und "einem privaten Immobilienentwickler". Gemeint ist damit der ÖVP-Spender Martin Kurschel, der mit seinen Firmen Bauprojekte jenseits der Milliarden-Euro-Grenze umgesetzt hat. Tomaselli wollen nun merkwürdige Kooperationen zwischen Kurschel und ARE aufgefallen sein.

Beispielsweise bei der Kirchner-Kaserne in Graz: Deren Verkauf wurde von der Sivbeg-EG durchgeführt, die zu 45 Prozent der BIG gehörte. Laut einer Anfragebeantwortung aus dem Jahr 2007 war das Areal 23 Millionen Euro wert. Im April 2016 wurde es dann von Kurschel ersteigert – um elf Millionen Euro. Und nur zwei Monate später übernahm die ARE 49 Prozent der Anteile. Die BIG versteigerte also eine Immobilie weit unter dem Schätzwert, nur um dann per Tochterfirma wieder einzusteigen. Aus der ARE heißt es, man sei eine Entwicklungspartnerschaft eingegangen, da "ein alleiniger Ankauf aufgrund der Projektgröße nicht infrage kam". Kurschels Immovate sagt, es sei "bei Vorhaben in dieser Größenordnung üblich und unternehmerisch klug, strategische Partnerschaften einzugehen". Mit der ARE habe man einen "verlässlichen strategischen Partner ins Boot geholt", so die Firma von Kurschel, der 2017 exakt 10.000 Euro an die ÖVP gespendet hat.

ÖVP-Spender im Visier

Gemeinsam tätig war man auch beim neuen Hauptsitz der Staatsholding Öbag, zu deren Portfolio BIG und ARE zählen: der Kolingasse 14–16. Von Kurschels Irma Investment wurde im Juli 2018 die "Kolingasse 14–16 Liegenschaftsverwaltungs GmbH" gegründet, in die dann die BIG zu 49 Prozent einstieg. Im Oktober 2018 wurde das Gebäude dann von der Volksbank an die Liegenschaftsverwaltungs GmbH verkauft; im Oktober 2019 kaufte die BIG die Anteile der von Kurschels Irma Invest mitgegründeten Firma. Wozu war hier eine zwischengeschaltete Firma nötig, fragt Tomaselli. Die ARE sagt dem STANDARD, Kurschels Firma sei an die BIG herangetreten, die gerade einen Standort für die Uni Wien gesucht habe. Man habe zwei Optionen vereinbart: Wenn das Gebäude von der Universität genutzt werden könne, würde die BIG alle Anteile kaufen; wenn das nicht geht, könne sie Kurschel übernehmen. Wie immer sei es dabei um "Risikominimierung" gegangen.

Das Leiner-Haus in Wien

Weitere "Merkwürdigkeiten", und das ist der dritte Streich, will Tomaselli diese Woche im U-Ausschuss klären. Geladen ist beispielsweise Klaus Ortner, einer der größten ÖVP-Spender. Dessen IGO-Konglomerat ist am Immobilienentwickler UBM beteiligt. Für eine Kooperation mit UBM wagte sich die ARE erstmals ins Ausland, konkret nach München: Dort sollte eine hohe Wertschöpfung bei großer Risikostreuung anfallen.

Außerdem geladen: Der Immobilientycoon René Benko, der als Vertrauter von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gilt. Kurz nach Weihnachten 2017 kaufte Benko das Leiner-Kaufhaus in der Wiener Mariahilfer Straße, wo er einen Ableger des Gourmettempels Kadewe errichten will. Um den Kauf grundbücherlich besichern zu können, sperrt die türkis-blaue Regierung offenbar ein in der Weihnachtspause befindliches Bezirksgericht auf. Der Deal geht für 60 Millionen Euro über die Bühne, als Pfandrecht werden im Grundbuch 95 Millionen Euro Wert vermerkt. Ein Sprecher von Sebastian Kurz nannte die Aktion gegenüber "Addendum" "serviceorientierte Verwaltung". Mit dem Einstieg von Benko in die "Kronen Zeitung" will Kurz nichts zu tun gehabt haben.

Mit dem Bohren harter Bretter hat Tomaselli Erfahrung: Im Vorarlberger Landtag untersuchte die Volkswirtin schon die Hypo. Nach den Nationalratswahlen 2019 landete die Vizeparteichefin dann in Wien. Zuletzt beobachtete sie mit Spannung, wie Immobilienprojekte die Wählerstimmung beeinflussen. In Lech am Arlberg wurde unlängst nach 27 Jahren Amtszeit der schwarze Bürgermeister abgewählt. Er hatte ein überdimensioniertes Gemeindezentrum im Ort forciert – eingemietet hätte sich die Kadewe-Gruppe von René Benko. (Fabian Schmid, 19.10.2020)