Große Kulleraugen, spitze Ohren, ein langer Schwanz: die neuentdeckte Riesenkatze von Nazca.
Foto: AFP/Peruvian Ministry of Culture

Wie ein faulenzender Stubentiger mit langem gestreiftem Schwanz und spitzen Ohren räkelt sich die 40 Meter große Kreatur an der Flanke eines Hügels im Südosten von Peru: Archäologen stolperten über das riesige verblasste Scharrbild einer Katze, als sie dabei waren, einen Abschnitt der weltberühmten Ebene von Nazca zu restaurieren.

Das Katzenwesen ist damit gleichsam ein Neuzugang in der Menagerie und Figurenansammlung des UNESCO-Weltkulturerbes in der Wüste zwischen den Städten Nazca und Palpa, rund 400 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Lima. Experten schätzen seine Entstehungszeit auf das zweite Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, was in die späte Paracas-Periode fällt. Ähnliche Katzendarstellungen waren auch schon von Keramiken und Textilien der Paracas-Kultur bekannt. Möglicherweise handelt es sich um das Abbild einer Andenkatze (Leopardus jacobita). "Die Entdeckung belegt einmal mehr das reiche und vielfältige kulturelle Erbe dieser Fundstätte", sagte ein Vertreter des peruanischen Kulturministeriums.

Tiere, Muster, Menschen

Die Geoglyphen von Nazca wurden 1927 von einem peruanischen Luftvermesser entdeckt. Nach und nach offenbarten sich in der weitläufigen Region zahllose riesige Abbilder von einfachen Mustern, Vögeln, Affen, Walen und anderen Tieren. Heute kennt man insgesamt mehr als 1.500 von ihnen. Auch menschliche Figuren wurden vor Jahrtausenden von den Urhebern in den Boden gescharrt. Die UNESCO hat die Linien und Bildnisse von Nasca und Palpa 1994 zum Weltkulturerbe erklärt.

Die Linien von Nazca, vom Weltraum aus gesehen (Norden ist hier rechts.)
Foto: NASA/GSFC/MITI/ERSDAC/JAROS

Die Archäologen vermuten, dass die nun entdeckte Katze zu den ältesten Geoglyphen von Nazca zählt. "Es ist bemerkenswert, dass wir immer noch neue Figuren finden. Wahrscheinlich werden auch in Zukunft noch einige Bildnisse auftauchen", sagte Johny Isla, Perus Chefarchäologe für die Nazca-Linien, gegenüber der spanischen Nachrichtenagentur Efe. Vor allem seit Drohnen und Satellitenbilder bei der Nazcaforschung eingesetzt werden, kommt es zu immer neuen Entdeckungen, erklärte Isla. So fanden etwa japanische Wissenschafter im Vorjahr mit Hilfe von Satellitenaufnahmen und dreidimensionaler Bildgebung mehr als 140 neue Geoglyphen.

Fruchtbarkeitsrituale während Klimaschwankungen

Nach bisherigen Erkenntnissen entstanden die Gestalten, Linien und Muster, indem ihre Schöpfer zwischen 800 vor unserer Zeitrechnung und 600 unserer Zeit die obersten, dunklen Lagen Wüstenboden bis zu einer hellen sandigen Schicht abtrugen, die sich an manchen Stellen nur wenige Zentimeter darunter befindet. Welchem Zweck sie dienten, wird in der Fachwelt nach wie vor diskutiert. Die gängigste Theorie besagt, dass die Angehörigen der Nazca-Kultur die Geoglyphen im Rahmen von Fruchtbarkeitsritualen anlegten. Zumindest ergaben Untersuchungen zeitliche Parallelen zwischen der Entstehung der Figuren und periodischen Klimaschwankungen.

Die Forscher stießen bei Restaurierungsarbeiten auf den Neuzugang in der Menagerie von Nazca.
Foto: EPA/Ministry of Culture of Peru

Die Forschungs- und Konservierungsarbeiten in der Region wurden auch während der Corona-Pandemie fortgesetzt. Als die Archäologen am Mirador Natural in der Region Pampa de Jumana, einem Aussichtspunkt in der geschützten Zone, zugange waren, stießen sie an einer Hügelseite auch auf das neueste Bildnis, zunächst nur in Form einiger bis zu 40 Zentimeter breiten Linien. Bei der weiteren Säuberung der Erhebung tauchte schließlich langsam der riesige Körper einer Katze auf. "Die Figur war zunächst kaum sichtbar und bereits im Begriff, völlig zu verschwinden, da sie an einem ziemlich steilen Hang liegt, der für die Auswirkungen natürlicher Erosion besonders anfällig ist", erklärte das Kulturministerium.

Gefährdetes Weltkulturerbe

Obwohl die Behörden das Betreten der fragilen Scharrbilder strengstens untersagt hatten, weil selbst Fußabdrücke die Jahrtausende alten Figuren und Muster nachhaltig beschädigen können, kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu teilweise sogar absichtlichen Beschädigungen. 2014 haben Greenpeace-Aktivisten bei einer Protestaktion gegen den Klimawandel einen überdimensionalen Slogan der Umweltschützer zwischen den Nazca-Linien aufgestellt. Dabei soll es bei einer bekannten Kolibri-Figur zu irreparablen Schäden gekommen sein. Einer der Hauptverantwortlichen soll ein Aktivist aus Österreich gewesen sein.

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Die Anti-Klimawandel-Protestaktion von Greenpeace war letztlich ein PR-Desaster, für das sich die Umweltschutzorganisation später reumütig entschuldigen musste.
Foto: AP/Rodrigo Abd

Im Jahr 2018 wurde ein LKW-Fahrer festgenommen, nachdem er seinen Sattelzug absichtlich über Geoglyphen gefahren hatte. Der Lastwagen hatte auf einer Strecke von rund 100 Metern drei Linien beschädigt, die Teil eines Eidechsenbildes sind. Der Fahrer hatte damals angegeben, er sei in das geschützte Gebiet eingedrungen, um einen Reifen zu wechseln. (tberg, red, 19.10.2020)