Öl, Pulver, Kapseln, Sprays, Tees: CBD gibt es bereits schon in einer Fülle an Produkten. Sind diese Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel, müssen sie eigentlich zugelassen werden, wie ein Erlass des Gesundheitsministeriums klarstellt. Ein Blick in Shops zeigt aber, dass das oft nicht passiert.

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Die Plattform "Zukunft Hanf Österreich" deponierte am Mittwoch Cannabispflanzen vor dem Haus der EU in Wien.

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Wien – Da die EU-Kommission plant, CBD, also den nicht psychoaktiven Wirkstoff der Cannabis-Pflanze, als Betäubungsmittel einzustufen (DER STANDARD berichtete), gehen weiterhin die Wogen hoch: Die Initiative #CBDbleibt der Plattform "Zukunft Hanf Österreich" machte mit einer Aktion vor dem Haus der Europäischen Union in Wien "auf die Vernichtung von Arbeitsplätzen und die willkürliche Zerstörung einer wirtschaftlich starken Branche" aufmerksam. Am Mittwochvormittag luden Branchenvertreter Cannabispflanzen vor dem Haus der EU ab.

Wie die EU-Kommission argumentiert

Einstweilen hat sich die dort sitzende Sprecherin der österreichischen Vertretung in der EU-Kommission beim STANDARD gemeldet. "Die Europäische Kommission vertritt den vorläufigen Standpunkt, dass aus den Blüten- und Fruchtständen der Hanfpflanze (Cannabis sativa L.) gewonnenes CBD als Suchtstoff betrachtet werden sollte, der unter das Einheits-Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1961 über Suchtstoffe fällt", bestätigt sie die Pläne.

Diese Bewertung basiere auf der Tatsache, dass "Extrakte und Tinkturen" von Cannabis in Anhang eins des Einheits-Übereinkommens der Vereinten Nationen von 1961 über Suchtstoffe aufgelistet sind. Dies gelte unabhängig vom CBD-Gehalt im Extrakt und auch unabhängig vom THC-Gehalt der betreffenden Erzeugnisse. "Folglich könnten solche Stoffe nicht als Lebensmittel nach dem allgemeinen Lebensmittelrecht eingestuft werden und würden nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung über neuartige Lebensmittel (Novel-Foods-Verordnung) fallen", schreibt Sabine Berger.

Anders verhält es sich laut Kommission übrigens mit synthetischem CBD, da dies ja nicht aus der Pflanze gewonnen wird.

Was "neuartige Lebensmittel" sind

In der Antwort der EU-Kommission kommen gleich mehrere Aspekte zur Sprache, die momentan für Widersprüche sorgen. Das angesprochene UN-Übereinkommen wird von der EU zwar zitiert, auf aktuelle Entwicklungen und Empfehlungen diesbezüglich wird aber nicht hingewiesen. Dazu aber später. In Österreich herrscht offensichtlich – vor allem, was die Novel-Foods-Vereinbarung betrifft – Unklarheit beziehungsweise wird die Rechtsgrundlage anscheinend ignoriert:

Lebensmittel können in der Regel ohne vorherige Genehmigung auf den Markt gebracht werden, nicht aber neuartige Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, sogenanntes "Novel Food". Für dieses ist eine Zulassung erforderlich, die zentral durch die Europäische Kommission erfolgt. Die ehemalige Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hatte dies in einem Erlass klargestellt. CBD-haltige Lebensmittel und Kosmetika dürften nicht verkauft werden, hieß es da, weil keine Novel-Food-Zulassung vorliege (hier der Link zum vollständigen Erlass).

Hartinger-Klein-Erlass wird vielerorts nicht umgesetzt

Die Aufregung war groß damals. Unklar war nicht nur, ob jegliche Lebensmittel mit CBD-haltigen Extrakten die Definition von neuartigen Lebensmitteln erfüllen. Kritisiert wurde auch, dass CBD-Raucherzeugnisse weiterhin verkauft werden dürfen und auch Apotheken die Einschränkungen nicht treffen. Drogenpolitik im Mantel der Lebensmittelsicherheit wurde da vermutet. CBD-Shop-Betreiber waren außerdem kreativ und umgingen den Erlass, indem sie Öle beispielsweise als Aromaprodukte kennzeichneten. Praktiken, die etwa bei der Konditorei Aida gar nicht gut ankamen: Dort wurde wegen des Erlasses Ende 2018 ein CBD-haltiger Brownie aus dem Sortiment genommen. Betreiber von CBD-Shops berichteten von strengen Kontrollen – sogar die Websites und die darauf präsentierten Produktinformationen seien genau inspiziert worden.

Einige Monate später ist scheinbar alles beim Alten. Das Gesundheitsministerium betont zwar, dass der Erlass nach wie vor gültig ist – aber wer in Wien in CBD-Shops, geht wird sehen, dass hier CBD-Öle verkauft werden, der Zusatz "Aromaprodukt" findet sich nicht mehr auf den meisten Produktverpackungen. Da ist nun von einem "Nahrungsergänzungsmittel" die Rede, die allerdings im Hartinger-Erlass explizit als zulassungsbedürftig definiert werden.

24 Kontrollen in Wien, 18 Beanstandungen

Was ist der Sinn einer Verordnung, wenn sie nicht kontrolliert wird? In Wien ist dafür das Marktamt, die MA 59, zuständig. Was Kontrollen betreffe, orientiere man sich da am Kontrollplan aus dem Gesundheitsministerium. Dieses kann auch Schwerpunktkontrollen anordnen. Das war aber lange nicht mehr der Fall: Zuletzt sei dies 2017 passiert, noch vor dem Hartinger-Erlass, sagt Alexander Hengl, Pressesprecher des Marktamtes.

Dieses Jahr seien in Wien bis jetzt 24 Betriebe kontrolliert worden – dabei gab es 18 Beanstandungen, weil die Produkte eigentlich unter die Novel-Food-Zulassung fallen würden. Das sei durchaus viel. Andere Beanstandungen habe es aber auch gegeben, weil auf den Produkten zwar stand, dass sie CBD enthalten, im Labor aber gar keines gefunden wurde. Hengl stellt jedenfalls klar: Es gibt keinen Unterschied zwischen Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln – beide müssten als Novel Food zugelassen werden, wenn sie CBD enthalten. Betreiber erwartet in solchen Fällen eine Verwaltungsstrafe, die betroffene Charge darf außerdem nicht weiter verkauft werden. Momentan wisse man von keiner CBD-Zulassung als Novel Food, sagt Hengl. Antragssteller erhalten derzeit auch keine Antwort, ist in Erfahrungsberichten zu lesen.

Altes Regelwerk für Drogen

Zurück zur Argumentation der EU-Kommission, weswegen CBD künftig als Suchtmittel eingestuft werden könnte. Hier beruft man sich auf das Einheitsabkommen der UN-Drogenbehörde aus dem Jahr 1961. Da hier Cannabis genannt wird, darf es keine Lebensmittel aus der Pflanze geben – unabhängig ob mit THC oder CBD –, so die vereinfachte Argumentation der Kommission.

Das "Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel", wie es auf Deutsch heißt, bildet bis heute die Basis der weltweiten Drogenkontrolle. Natürlich gibt es laufend Diskussionen über die Einstufungen, und es ist auch festgeschrieben, dass aktuelle wissenschaftliche Ergebnisse eingearbeitet werden sollen: Die Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben beispielsweise die Möglichkeit, Drogen zusätzlich aufzunehmen, zu entfernen oder neu zu kategorisieren.

WHO-Empfehlungen bislang ignoriert

Hier gibt es seit einigen Monaten schon Diskussionen, was Cannabis betrifft. So hat die WHO Anfang 2019 beispielsweise eine Neuklassifizierung von Cannabis empfohlen, die den Umgang mit der Pflanze grundlegend verändern und vor allem den medizinischen Gebrauch erleichtern würde. In einer Studie waren Wissenschafter zum Urteil gekommen, dass die Risiken von THC und CBD die aktuelle Einstufung nicht rechtfertigen. Insgesamt hat die WHO sechs Empfehlungen abgegeben.

Die UN-Suchtstoffkommission hat diesbezüglich aber noch nichts entschieden, sondern die Abstimmung über die Empfehlungen bereits zweimal verschoben. Im Dezember kommt das Gremium erneut zusammen. Das Magazin "Marijuana Business Daily" berichtet von einem vorbereitenden Meeting Anfang Oktober, wo die WHO-Vorschläge allerdings nur geringen Zuspruch bekommen hätten. Die Aussicht auf Neueinstufung ist laut dem Branchenmagazin eher düster.

Ausgang ungewiss

Ob eine Neueinstufung von Cannabis die Argumentation der EU-Kommission überhaupt konterkarieren könnte, ist nicht klar. Schließlich wäre Cannabis noch immer in dem Abkommen enthalten, was der EU als Grund reichen dürfte. Die WHO hat aber auch explizit empfohlen, dass CBD und Produkte mit diesem Wirkstoff nicht unter internationaler Kontrolle stehen sollten, solange sie den THC-Wert von 0,2 Prozent nicht überschreiten. (Lara Hagen, 21.10.2020)