Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo machte die 15-Minuten-Stadt zum Wahlkampfversprechen

Foto: AFP / Stephane de Sakutin

Carlos Moreno plädiert für die Viertelstunden-Stadt. Lebensmittelgeschäfte und Ärzte, Erholungsräume und Fitnessstudio, Arbeitsplatz und Schulen: Alle Ziele im Alltag eines Bewohners sollen innerhalb von 15 Minuten vom Wohnort aus erreichbar sein – ohne Auto.

Das besagt ein Konzept des Stadtforschers mit Professur an der Universität Paris 1 Panthéon-Sorbonne. In Frankreich trifft die Idee auf offene Ohren. In Nantes wird Morenos Konzept bereits umgesetzt, und auch die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo machte die 15-Minuten-Stadt zum Wahlkampfversprechen.

Sinn der Blechkutsche

Im 20. Jahrhundert begünstigte das Auto die Errichtung von nach Funktionen getrennten Stadtbereichen – etwa Wohn-, Büro- und Industrieviertel. Die Blechkutsche war dazu da, zwischen diesen Stadtteilen zu wechseln, zum Beispiel um zur Arbeit zu fahren. Die neue Grätzelbildung nach Moreno macht diese Entwicklung wieder rückgängig. Die Straßen der multifunktionalen Stadtviertel sollen nicht mehr den Autos gehören, sondern Orte der Begegnung und Erholung sein.

Zudem gibt die Digitalisierung den Stadtentwicklern heute Werkzeuge in die Hand, die viel mehr Daten berücksichtigen können – nicht nur für die Planung, sondern auch für eine Steuerung der Stadtinfrastruktur in Echtzeit. Die digitale Verknüpfung der Verkehrsteilnehmer kann beispielsweise ein zentral koordiniertes, individuelles Routing an jeden Autofahrer ausspielen.

Vorausschauende Simulation

Umfassende und vorausschauende Simulationen werden im Städtebau der Zukunft an Bedeutung gewinnen. Der VCÖ-Mobilitätspreis 2020 zeichnete beispielsweise eine digitale Plattform aus, die mithilfe künstlicher Intelligenz die Mobilität in Städten – etwa nach Neubauten und Umgestaltungen – modellieren lässt.

Das "Intelligent Framework for Resilient Design (InFraReD)" des AIT (Austrian Institute of Technology) ermögliche es laut Entwicklern, "das Zusammenspiel von baulicher Struktur, Erreichbarkeiten, Quell- und Zielorten integriert zu analysieren, um so für den Planungsprozess hunderte Varianten innerhalb kürzester Zeit durchzuspielen". Damit sei es auch für Mobilitätssimulationen geeignet, die "sicherstellen, dass eine Bau- oder Infrastrukturmaßnahme im Sinne der 15-Minuten-Stadt" geplant wird.

Die Stadt den Menschen anpassen

Die Devise Morenos ist, die Stadt an die Bedürfnisse des Menschen anzupassen – nicht umgekehrt. Dass die Städte der Gegenwart diese Forderung nicht erfüllen, unterstreicht etwa auch eine aktuelle Umfrage von Kapsch Trafficcom, einem Anbieter digitaler Verkehrsmanagementsysteme.

Dabei zeigt sich, dass weit mehr als 80 Prozent der befragten Österreicher Aussagen zustimmen, wonach die Emissionen im Straßenverkehr die Lebensqualität in den Städten sinken lassen, für gesundheitliche Probleme verantwortlich sind und dringend verringert werden sollten. (Alois Pumhösel, 26.10.2020)