In der Nacht auf Mittwoch um 00:12 Uhr MESZ kam das erlösende Signal: Die Nasa-Sonde Osiris-Rex hat das wichtigste Manöver ihrer Mission ausgeführt. Alle bisherigen Daten deuten auf einen vollen Erfolg hin. Osiris-Rex näherte sich dem Asteroiden (101955) Bennu auf wenige Meter an und entnahm mithilfe eines Roboterarms Bodenproben, die sie in weiterer Folge zurück zur Erde transportieren soll. "Ich kann nicht glauben, dass wir das geschafft haben. Das ist historisch, das ist wunderbar", sagte Dante Lauretta, Chef-Wissenschafter der Mission.

Seit gut zwei Jahren umkreist Osiris-Rex den Asteroiden Bennu, der sich derzeit in rund 320 Millionen Kilometern Entfernung zur Erde befindet. Nach ihrer Ankunft 2018 hat die Sonde den dunklen Brocken kartiert, seine Oberfläche akribisch untersucht und ihren wichtigsten Einsatz ausgiebig geprobt. Das Manöver zur Probenentnahme war riskant – anders als ursprünglich gedacht, gleicht Bennus Oberfläche weniger einem Sandstrand als einem unwegsamen Felshaufen. Schroffe Brocken ragen teils meterhoch empor und hätten der Sonde bei ihrem Anflug leicht zum Verhängnis werden können.

Autonomer Asteroidengreifer

18 Minuten dauert der Signalweg von der Sonde zur Erde, deshalb war eine direkte Steuerung nicht möglich. Die entscheidenden Schritte musste Osiris-Rex also autonom ausführen. Das klappte offenbar wie geschmiert: Der Roboterarm berührte die Oberfläche des Asteroiden an der vorhergesehenen Entnahmestelle etwa fünf Sekunden lang, stieß dabei unter Druck gesetzten Stickstoff aus, um Staub und Gestein aufzuwirbeln, und sammelte Material ein.

Asteroidensonde im Anflug: künstlerische Darstellung des Greifmanövers.
Illustration: NASA/Goddard/University of Arizona

Hoffnung auf zwei Kilo Material

Wie viel Staub und Gestein die Sonde tatsächlich eingesammelt hat, wird sich aber erst in einigen Tagen herausstellen. Zumindest 60 Gramm Asteroidenmaterial sind das erklärte Ziel, die Nasa-Forscher hoffen aber auf deutlich mehr: Platz in der Rückkehrkapsel ist für gut zwei Kilogramm. Mit dieser kostbaren Fracht soll sich Osiris-Rex dann wieder auf den Weg Richtung Erde machen, um die Kapsel im September 2023 abzuliefern.

Bennu ist ein kohlenstoffhaltiger Schutthaufen mit rund 500 Metern Durchmesser.
Foto: NASA/Goddard/University of Arizona/CSA/York/MDA

Osiris-Rex war im September 2016 vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral gestartet und zwei Jahre später bei Bennu angekommen. Mithilfe von fünf wissenschaftlichen Instrumenten und Kameras erforschte die Sonde den Asteroiden bereits ausgiebig. Dabei wurde auch die Stelle für die Probenentnahme identifiziert – in einem Krater in der nördlichen Hemisphäre des Asteroiden, der auf den Namen Nightingale (Nachtigall) getauft wurde.

Dunkler Besucher

Bennu ist kein Unbekannter. Der kohlenstoffreiche Asteroid mit einem Durchmesser von etwa 500 Metern sorgte bald nach seiner Entdeckung 1999 für Schlagzeilen – denn er kommt der Erde auf seiner Bahn alle sechs Jahre nahe und gilt daher als möglicher Kandidat für einen Einschlag auf unserem Planeten. Um das Jahr 2135 wird er der Erde sogar näher kommen als der Mond, eine Ablenkung seiner Bahn ist nicht gänzlich auszuschließen.

NASA Goddard

Das Risiko für einen Impakt ist zwar sehr gering (nach Angaben der Nasa steht die Wahrscheinlichkeit bei 1:2.700), die Folgen wären aber verheerend: Sollte Bennu die Erde eines Tages treffen, würde dabei im Vergleich mit dem Einschlag des Tscheljabinsk-Meteoriten 2013 im russischen Ural, bei dem rund 1.500 Menschen verletzt wurden, die 10.000-fache Energie freigesetzt.

Astronomischer Rückblick

In den wissenschaftlichen Fokus gelangte Bennu aber auch aus einem anderen Grund. Forscher erhoffen sich von der Mission Einblicke in die Entstehungsgeschichte des Sonnensystems vor mehr als 4,5 Milliarden Jahren. Bennu und andere Asteroiden entstanden einst aus Überresten jener Bausteine, aus denen sich auch die Planeten formten, und blieben seither weitgehend unverändert.

Osiris-Rex, was übrigens für "Origins, Spectral Interpretation, Resource Identification, Security-Regolith Explorer" steht, ist die erste Sample-Return-Mission der Nasa zu einem Asteroiden. Eine solche Aktion gelang bisher nur der japanischen Raumfahrtbehörde Jaxa, die 2005 mit der Raumsonde Hayabusa auf einem Asteroiden landete und 2010 Bodenproben zur Erde brachte. Schon bald könnte dieser Erfolg wiederholt werden: Im Dezember wird die Rückkehr einer Probe der japanischen Asteroiden-Mission Hayabusa 2 erwartet. Wenn auch mit Osiris-Rex weiterhin alles klappt, erreicht im September 2023 die dritte Kapsel mit Asteroidenmaterial unseren Planeten. (David Rennert, 21. 10. 2020)