Am Beginn des größten Artensterbens der Erdgeschichte standen die größten weltweit bekannten vulkanischen Ereignisse.
Illustr.: Dawid A. Iurino

Die Erde war in ihrer wechselvollen Geschichte regelmäßig Schauplatz von größeren und kleineren Aussterbeereignissen. Im Verlauf der vergangenen 500 Millionen Jahren werden fünf davon besonders häufig genannt, wenngleich sie sich von anderen Massenaussterben, die eine geringere Bekanntheit erlangt haben, wissenschaftlich kaum unterscheiden lassen. Klar ist jedenfalls, dass den populären "Big Five" jeweils mindestens 70 Prozent aller damaligen Arten zum Opfer fielen, was den Verlauf der Evolution jedes Mal in teilweise völlig neue Bahnen lenkte.

95 Prozent des marinen Lebens verschwanden

Während dem Asteroideneinschlag vor 66 Millionen Jahren, der das Schicksal der Dinosaurier besiegelte und den Säugetieren die Bühne bereitete, das bekannteste Aussterbeereignis herbeiführte, war jenes an der Perm-Trias-Grenze vor 252 Millionen Jahren das mit Abstand dramatischste. Schätzungen gehen davon aus, dass damals drei Viertel aller Landlebewesen und sogar 95 Prozent des Lebens in den Ozeanen innerhalb weniger tausend Jahre verschwanden. Als Auslöser werden gigantische vulkanische Aktivitäten auf dem Gebiet des heutigen Sibirien, der sogenannte Sibirische Trapp, und die Freisetzung von großen Mengen Methan aus den Meeresböden diskutiert. Doch die genaue Ursache und der Ablauf bis hin zum Massensterben an Land und im Meer waren bislang nicht genau geklärt.

Nun aber konnte ein Team von Wissenschaftern aus Deutschland, Italien und Kanada im Rahmen des Projektes BASE-LiNE Earth erstmals die gesamte Kaskade der damaligen Ereignisse mittels einer empfindlichen geochemischen Methode aufschlüsseln und in einem Modell nachvollziehen. Für ihre Untersuchung nutzten die Forscher unter der Leitung von Hana Jurikova am GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel ein bislang wenig beachtetes Umweltarchiv: die Schalen von fossilen Brachiopoden.

Armfüßer verraten Ablauf der Apokalypse

"Das sind muschelähnliche Organismen, die es seit mehr als 500 Millionen Jahren auf der Erde gibt. Wir konnten gut erhaltene Brachiopoden-Fossilien aus den südlichen Alpen für die Analysen nutzen. Diese Schalen wurden vor 252 Millionen Jahren am Boden der flachen Schelfmeere des Tethys-Ozeans abgelagert und erfassen die Umweltbedingungen kurz vor und zu Beginn des Aussterbens", erklärt Jurikova, heute an der University of St Andrews tätig. Mit Hilfe von Messungen verschiedener Isotope des Elements Bor in den fossilen Schalen der Armfüßer, so der deutsche Name des Tierstamms, konnte das Team die Entwicklung des pH-Werts im Ozean vor 252 Millionen Jahre nachvollziehen.

Da der Säuregrad des Wassers eng mit dem CO2-Gehalt der Atmosphäre in Zusammenhang steht, gelang so auch dessen Rekonstruktion. Für die im Fachjournal "Nature Geoscience" veröffentlichten Analysen nutzten die Wissenschafter sowohl die hochsensible Isotopen-Analytik am GEOMAR als auch hochauflösende Mikroanalytik auf dem großgeometrischen Sekundärionen-Massenspektrometer (SIMS) am Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ. "Mit dieser Technik können wir nicht nur die Entwicklung der CO2-Konzentration der Atmosphäre nachvollziehen, sondern diese auch eindeutig auf vulkanische Aktivitäten zurückführen. Die Auflösung von Methanhydraten, die als weitere Ursache diskutiert wurde, ist aufgrund unserer Daten sehr unwahrscheinlich", erklärt Marcus Gutjahr vom GEOMAR, Koautor der Studie.

An der Perm-Trias-Grenze wurde der Globus vom Superkontinent Pangaea beherrscht.
Illustr.: Ron Blakey, Colorado Plateau Geosystems

Die Erkenntnisse der Bor- und weiterer Kohlenstoff-Isotopen-basierten Untersuchungen hat das Team in ein computerbasiertes geochemisches Erdmodell gespeist. Dieses zeigte, dass die Erwärmung und die mit dem CO2-Anstieg verbundene Ozeanversauerung an der Perm-Trias-Grenze lebensfeindlich waren und zum Aussterben von kalkbildenden Organismen führten. Doch mit den treibhausbedingt erhöhten Temperaturen auf der Erde verstärkte sich zusätzlich die Gesteinsverwitterung an Land.

Überdüngung und Sauerstoffarmut

Über Flüsse und Küsten gelangten so über tausende Jahre mehr Nährstoffe in die Ozeane, die schließlich überdüngt wurden. Großräumige Sauerstoffarmut und die Veränderung ganzer Stoffkreisläufe war die Folge. "Diese Kaskade ineinandergreifender geochemischer Prozesse führte schließlich zu dem beobachteten katastrophalen Ausmaß des Massenaussterbens an der Perm-Trias-Grenze", fasst Jurikova zusammen.

"Uralte Vulkanausbrüche dieser Art sind nicht direkt mit den Kohlenstoffemissionen der Menschheit vergleichbar, und in der Tat sind alle modernen Reserven an fossilen Brennstoffen viel zu gering, um über Tausende von Jahren so viel CO2 freizusetzen wie vor 252 Millionen Jahren freigesetzt wurde. Aber es ist doch bemerkenswert, dass die CO2-Emissionsrate der Menschheit heute vierzehnmal höher ist als die jährliche Emissionsrate zu der Zeit, als die größte biologische Katastrophe in der Erdgeschichte stattfand, so die Biogeochemikerin. (red, 25. 10. 2020)