Mitarbeiter der Gemeinde Wien im Corona-Einsatz: Der "Covid-Daueralarm" provoziert zunehmenden Protest. Übertreibt es Österreich bei der Verhängung der Quarantäne?

Foto: Christian Fischer

Zehn Tage "Absonderung" fasst aktuell aus, wer wegen einer möglichen oder nachgewiesenen Infektion mit dem Coronavirus in Quarantäne muss. Nicht nur für Betroffene eine oft quälend lange Zeit der Isolation. Speziell in Oberösterreich mehrten sich in den vergangenen Tagen jene Stimmen, die eine deutliche Verkürzung der Quarantänezeit für notwendig und sinnvoll erachten.

Den Vorstoß machte zunächst Gesundheitslandesrätin Christine Haberlander (ÖVP): Eine Verkürzung auf fünf Tage lasse sich "vom virologischen Standpunkt aus begründen". Ein Ansteigen der Infektionszahlen habe zur Folge, dass auch viele Kontaktpersonen in Quarantäne müssten. Diese fehlten im Arbeitsleben, das sei ein "Lockdown durch die Hintertür", so Haberlander.

Mangelnde Kooperation

Zustimmung folgte prompt – etwa vom Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) und seinem Welser Amtskollegen Andreas Rabl. Das FPÖ-Stadtoberhaupt klagt, dass die Kooperation der Bevölkerung beim Contact-Tracing massiv nachlasse – aus Angst, anderen Probleme zu bereiten, wie er vermutet.

Stattdessen komme es häufig zu einer Art "Stiller Post", so Rabl, in dessen Stadt die Corona-Ampel derzeit rot leuchtet: Die Leute würden ihre Kontaktpersonen zwar selbst informieren, sie aber nicht den Behörden nennen. Als eine Ursache macht der Bürgermeister die zu erwartende lange Quarantäne aus.

Rückendeckung kommt vom schwarzen Wirtschaftsflügel. Die oberösterreichische Wirtschaftskammer-Präsidentin Doris Hummer spricht sich für eine Herabsetzung der Quarantänezeit aus: "Ich sage seit Wochen, dass endlich Schluss sein muss mit dem Covid-Daueralarm, der unsere Betriebe tagtäglich vor Riesenprobleme stellt. Stattdessen gehören alle Daten und Fakten zur Pandemie auf den Tisch. Dann können wir daraus ableiten, welche Schutzmaßnahmen weiter Sinn machen und welche nicht." Neue Erkenntnisse würden dafür sprechen, dass eine Verkürzung der Quarantäne auf fünf Tage möglich wäre.

Wien erhebt Einspruch

Wäre dies wirklich aus medizinischer Sicht vertretbar? Aus dem rot-grün regierten Wien kommt Widerspruch. Eben erst habe ein Papier der EU-Stelle für Krankheitsprävention die zehntägige Quarantäne empfohlen, heißt es aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ): "Wir sehen keinen Grund, davon abzuweichen." Die Inkubationszeit erstrecke sich nun einmal über zehn Tage. Bei einer Verkürzung könne es sein, dass man die Leute mitten in der Infektiosität hinauslasse.

Der Virologe Christoph Steininger von der Uni Wien kann der Idee hingegen einiges abgewinnen. Tatsächlich sei es zu überlegen, Kontaktpersonen bereits nach fünf statt zehn Tagen aus der Quarantäne zu entlassen, wenn ein negatives Testergebnis vorliegt. Schließlich zeige ein PCR-Test ein positives Ergebnis schon drei Tage vor Ausbruch der Krankheit an, womit für insgesamt acht Tage Sicherheit gegeben wäre, argumentiert Steininger. Allerdings müssten die Testresultate dafür rasch vorliegen – "sonst warten die Betroffenen erst recht wieder tagelang in der Quarantäne".

Gegen öffentliche Nullvariante

Der Linzer Bürgermeister Luger, aktuell selbst in Quarantäne, merkt an, "dass auch das medizinische Expertenteam des Linzer Krisenstabs diese Zeit für ausreichend hält". Er stimme Haberlander zu, dass "eine solche Verkürzung die Bereitschaft der Bevölkerung zur Mitwirkung noch mehr erhöhen würde". Im Gegensatz zum Welser Amtskollegen Rabl ortet er in seiner Stadt allerdings eine nach wie vor sehr hohe Motivation der Bürger.

In Linz konnte man nach Angaben der Stadt zuletzt bei über 90 Prozent der Fälle die konkrete Infektionsquelle feststellen, in Wels gebe es 15 Prozent, bei denen der Ursprung unklar bleibt. Vom Rest haben sich aber 70 Prozent im privaten Bereich angesteckt, nur etwa drei Prozent in der Gastronomie. Rabl hält daher nichts davon, "das öffentliche Leben auf null herunterzufahren", denn dadurch würde man Zusammenkünfte noch stärker in den privaten Bereich verlagern.

Gesundheitsminister wartet ab

Seit Beginn der Pandemie galt eine 14-tägige Quarantänezeit für Personen mit positivem Testergebnis oder einer konkreten Covid-19-Erkrankung, ebenso für Kontaktpersonen und Personen bei der Einreise aus bestimmten Ländern nach Österreich. Im August wurde diese Frist dann auf zehn Tage reduziert.

Derzeit untersuchten verschiedene Fachinstitute in Europa, ob eine weitere Verkürzung vertretbar ist, heißt es von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) nun. Für weitere Verringerungen sei er dann zu haben, "wenn wissenschaftlich belegt ist, dass dies zu keiner Erhöhung des Risikos führt". (Gerald John, David Krutzler, Markus Rohrhofer, 21.10.2020)