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So wie hier in Galway werden die Einkaufsstraßen in ganz Irland vorläufig leer bleiben.

Foto: Reuters / Clodagh Kilcoyne

Die Grüne Insel ist erneut im Corona-Lockdown: Nach 14-tägigem hartnäckigen Widerstand gegen die immer dringlicher werdenden Empfehlungen der Gesundheitsbehörde hat die irische Regierung am Montagabend strenge Restriktionen verhängt. Sie sollen von Donnerstag an gelten und zunächst gleich einmal für sechs Wochen in Kraft bleiben – also bis Anfang Dezember. Sein Land werde nur dann einigermaßen normal Weihnachten feiern können, wenn die Bürger im Kampf gegen Sars-CoV-2 zusammenhelfen, sagte Premierminister Micheál Martin Montagabend im staatlichen TV-Sender RTE. "Ich bitte alle, die Bedrohung ernst zu nehmen."

Das ausgedünnte Gesundheitssystem der Republik hatte der ersten Welle der Pandemie im Frühjahr nur knapp standgehalten. Bereits Ende Juni mussten erste Lockerungen des Lockdowns wieder zurückgenommen werden. Seither hat sich die Situation nicht mehr verbessert. Im Gegenteil: Anfang Oktober verlangte der oberste Gesundheitsbeamte Tony Holohan die Einstufung der Bedrohung durch Covid-19 auf der höchsten Alarmstufe 5. Knapp über tausend Fälle pro Tag wurden im 6,5-Millionen-Land zuletzt gezählt. Die Regierung wehrte sich lang, sie fürchtet um die Wirtschaft.

"Stümper" in der Regierung

Dass die erst vor knapp vier Monaten ins Amt gekommene Jamaika-Koalition aus den zwei großen konservatitv-liberalen Parteien und den Grünen nun den Kurs änderte, hat in Dublin für harte Kritik gesorgt. "Die Autorität der Regierung ist vermindert", lautete das Urteil der konservativen "Irish Times". Der Publizist Fintan O'Toole nennt die Entscheidungsfindung "stümperhaft" und wies auf die Tatsache hin, dass an entscheidenden Sitzungen von Kabinett und Epidemiologen nur Männer teilnehmen.

Die beinahe gleich großen Koalitionspartner von Premier Martins nationalliberaler Fianna Fáil und der konservativen Fine Gael unter dem vorherigen Taoiseach (gälisch für Häuptling oder eben Premier) Leo Varadkar sind schon seit Wochen zerstritten über das weitere Vorgehen in der Pandemie. Von den Grünen ist überhaupt kaum die Rede.

Wirtschaftsminister Varadkar hatte immer wieder öffentlich Zweifel an harten Maßnahmen geäußert und damit die Geschlossenheit der Regierung gefährdet. Der jüngste Kurswechsel wird in Dublin auf einen Sinneswandel des praktizierenden Arztes zurückgeführt.

Die neuen Restriktionen verbieten nun jegliche Treffen von Personen aus unterschiedlichen Haushalten in geschlossenen Räumen; auch im Park dürfen sich die Iren nur mit einer anderen Familie treffen. Angestellte sollen so weit wie möglich im Homeoffice arbeiten, von jeglichen Reisen wird abgeraten, Sport und Spaziergänge sollen höchstens fünf Kilometer von der eigenen Adresse wegführen. An Beerdigungen dürfen zehn Trauernde, an Hochzeiten nur 25 Feiernde teilnehmen.

Pubs, Restaurants und Einzelhändler bleiben bis auf Take-away geschlossen, lediglich Lebensmittelgeschäfte dürfen geöffnet bleiben.

Hohe Zahlen im Norden

Anders als im Frühjahr sollen diesmal allerdings die Schulen und Kindergärten geöffnet bleiben. Dagegen meldete die Lehrergewerkschaft Bedenken an; sie sieht ihre Mitglieder gefährdet.

Auch im britischen Nordirland gelten seit Montag zunächst für vier Wochen wieder strenge Beschränkungen, nachdem einzelne Bezirke wie Derry wöchentliche Neuinfektionsraten von bis zu 820 pro 100.000 Einwohner gemeldet hatten. Geschäfte und Gaststätten bleiben zu, auch Einzelhändler dürfen nur bis 20 Uhr Alkohol verkaufen. (Sebastian Borger aus London, 20.10.2020)