Ein ganz normaler Mobilfunkmast. Für Corona-Leugner ist er aber Teil der großen Verschwörung.

Foto: PASCAL ROSSIGNOL

Fritz scheint voller Tatendrang. Er habe sich "gestern die 5G-Masten mal genauer angeschaut". Genauer heißt in dem Fall, er hat ein Foto aus der Ferne gemacht und präsentiert das nun stolz über 140 anderen Mitgliedern einer Telegram-Gruppe. Die geschlossene Gruppe ist, glaubt man ihrem Namen, damit beschäftigt, gemeinsam zu "erwachen". Gegründet hat sie Jennifer Klauninger, jene Frau, gegen die die Staatsanwaltschaft aktuell wegen Verhetzung ermittelt, weil sie im September eine Regenbogenflagge mit Herz auf offener Bühne zerrissen hat. Klauninger organisierte Protestveranstaltungen von Corona-Leugnern nach dem Vorbild der deutschen "Querdenker". Vor fünf Jahren machte sie sich noch gegen die Aufnahme von Flüchtlingen stark und gründete die rechtsextreme Partei des Volkes.

"Ihr seid kein Teil unserer Gesellschaft", schrie Klauninger beim Zerreißen der Fahne, in der sie das Logo von Pädophilen zu erkennen glaubte. Jener Teil der Gesellschaft, der sich mit ihr in der besagten Telegram-Gruppe austauscht, hat aber derzeit andere Sorgen und Pläne. Fritz hat nämlich entdeckt: "Jeder Mast hat in der Mitte eine Leiter."

Masten, Dächer, Kirchen

Ein anderes Gruppenmitglied, dessen Profilbild statt eines Gesichts das große Q der QAnon-Verschwörungstheoretiker zeigt, ist besorgt und gibt zu bedenken: "Das schon ... aber wie kommst du auf das Hausdach?" Doch Fritz ist guter Dinge: "Es gibt genug Maßten (sic!) ohne Dächer." Und ein gewisser "dorado" und er hätten auch schon eine Idee "wegen den Kirchtürmen". Und Fritz gibt zu bedenken: Wenn "es" alle gleichzeitig machen, habe die Polizei, die er mit "P" abkürzt, "auch nicht genügend Ressourcen, um all dem nachzugehen". Er will, dass alle "einfach raufgehen, die 5G-Paneele abmontieren", und zwar "österreichweit" gleichzeitig zu einem "bestimmten Datum".

Fritz P. hat einen Plan. Andere Mitglieder der Telegram-Gruppe finden den prinzipiell gut, haben aber Bedenken bezüglich der Aufstiegshilfen.
Foto: Screenshot

Dem STANDARD wurden Screenshots aus dem Chat, der am 19. Oktober stattfand, vom IT-Experten Dieter Mühböck zugespielt. Auch der Verfassungsschutz ist mit der Causa befasst. Unter den Mitgliedern, die die Überlegungen von Fritz und anderen liken, sind Accounts wie Jenny Klaus TV, ein Pseudonym von Klauninger, und Brigitte, die sich auf einem anderen Social-Media-Account als Humanenergetikerin vorstellt und meint: "Ent-Spannung bedeutet eine Auszeit für deinen Verstand!"

Schwere Sachbeschädigung

Sollte die Gruppe ihre Pläne der Zerstörung von Mobilfunkmasten verwirklichen, würde das in Österreich den Strafbestand der schweren Sachbeschädigung, und zwar an einem "wesentlichen Bestandteil der kritischen Infrastruktur" (Paragraf 126 (1) 5 Strafgesetzbuch), erfüllen. Bei einem Schuldspruch droht hier eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren. Welche Gesetze man beim Weg auf das Dach, den Masten oder den Kirchturm noch gebrochen hat, kommt dann auf den Tathergang an.

Fritz P. hat einen Plan. Andere Mitglieder der Telegram-Gruppe finden den prinzipiell gut, haben aber Bedenken bezüglich der Aufstiegshilfen.

Aber warum haben Corona-Leugner ein Problem mit Mobilfunkmasten? Unter Verschwörungstheoretikern kursiert neben vielen anderen bizarren Mythen auch jener, dass Covid-19 aus einem ganz bestimmten Grund erfunden wurde: um von einem sogenannten 5G-Syndrom abzulenken. Der deutsche Verfassungsschutz war schon im Frühling mit kruden Theorien darüber befasst, dass in Wuhan Corona-Opfer eigentlich an der 5G-Strahlung verstorben seien.

Dass China eine weit geringere 5G-Abdeckung hat als etwa Südkorea, ließ bei den Verschwörungstheoretikern offenbar wenig bis keine Nachdenklichkeit aufkommen. Europaweit kam es seit Ausbruch der Corona-Pandemie jedenfalls immer wieder zu Anschlägen auf Handymasten mit 5G-Antennen. In den Niederlanden wurden schon im April gleich mehrere durch Brandanschläge oder Sabotage zerstört. Ebenso in Großbritannien.

WHO reagiert

Die Weltgesundheitsorganisation fühlte sich schon vor Monaten dazu genötigt, auf die Verschwörungstheorien zu reagieren: "Viren können sich nicht mittels Funkwellen/Mobilfunk ausbreiten. Covid-19 verbreitet sich in vielen Ländern, die nicht über 5G-Mobilfunknetze verfügen", hieß es im WHO-Statement.

Der Verfassungsschutz will zu den beschriebenen Chats aus "ermittlungstaktischen Gründen keine Auskunft geben", teilte aber dem STANDARD auf Nachfrage mit, dass es bisher in Österreich lediglich im September zu einer Sabotage kam. In einem westlichen Bundesland war ein Kabel manipuliert worden und ein Zettel mit der Aufschrift "5G kills" hinterlassen worden. (Colette M. Schmidt, 20.10.2020)