Ein schwarzer Tag für den Klima- und Umweltschutz und ein Schlag ins Gesicht für die bäuerliche Landwirtschaft: Der grüne EU-Parlamentarier Thomas Waitz hat keinen Zweifel daran, dass alles in die falsche Richtung läuft. Von dem mühsam gefundenen Kompromiss des EU-Parlaments für eine Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP) hält er gar nichts.

In dem von den drei großen Fraktionen Europäische Volkspartei (EVP), Sozialdemokraten (S&D) und liberale Renew erarbeiteten Vorschlag für die EU-Agrarpolitik von 2021 bis 2027, über den diese Woche abgestimmt wird, sieht der Biobauer eine verpasste Chance, "der Klimakrise und der Biodiversitätskrise entschlossen entgegenzutreten". Es würden wohl künftig weiterhin "Millionen an Oligarchen, Finanzinvestoren, Großgrundbesitzer und die Agrarindustrie" fließen.

Ausgetrickst sei man geworden, regt sich der grüne Unmut. Denn die Abstimmungen um die Änderungsanträge (AM) seien um einen Tag vorverlegt worden. Davon soll es eine ganze Flut von 1900 gegeben haben. Durchgeboxt wurde der Vorschlag, damit nicht mehr zuviel geändert werden könne wird lautstark geklagt.

Grüne Ausrichtung, rote Linien, schwarze Tage: Ganz einfach ist es mit einem Systemwechsel in der Agrarpolitik nicht.
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Seit mehr als zwei Jahren verhandeln die EU-Staaten über eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik. Neben den europäischen Abgeordneten wollen auch die EU-Länder diese Woche ihre Position für die Trilog-Verhandlungen mit der EU-Kommission festlegen.

An den grundlegenden Fronten hat sich wenig geändert. Wie die Agrarwende und der Umbau Richtung mehr Ökologie bewerkstelligt werden und wer das bezahlen soll, dafür gab es zahlreiche Ideen – und Widerstände dagegen.

Ökoauflagen

Das zeigt auch die im EU-Parlament gefundene Kompromissposition. Die ÖVP-EU-Abgeordneten wollen etwa eine Bindung von 30 Prozent der Direktzahlungen, der ersten Säule der GAP, an Umweltleistungen mittragen, "damit es nicht zu 50 Prozent Mittelzweckbindung kommt", so EU-Mandatarin Simone Schmiedtbauer: "Wir werden rote Linien überschreiten müssen." Wie genau das aussehen soll, soll den einzelnen Staaten überlassen sein.

Aus Sicht des SPÖ-EU-Abgeordneten Günther Sidl hätten die Kriterien etwa des EU-Klimaschutzprogramms "Green Deal" stärker einbezogen werden müssen. Der Neos-EU-Abgeordneten Claudia Gamon geht die "Weiterentwicklung nicht weit genug", der Freiheitliche Roman Haider beklagt, der Green Deal sei für die Kommission zum "Fetisch geworden", die Grünen könnten den Kompromiss gar nicht mittragen, so Waitz. Laut dem Kompromiss soll eine Deckelung der Flächenprämien bei 100.000 Euro pro Betrieb kommen. Einigen geht das nicht weit genug.

Viele Landwirte sind von den Direktzahlungen aus Brüssel abhängig, fürchten jedoch zu hohe Auflagen. Umweltschützer setzen ihre Hoffnungen in eine umwelt- und klimafreundlichere Agrarpolitik.
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Es ist wie im Großen und Ganzen. Den einen gehen die EU-Pläne, die im Green Deal verankert sind, nicht weit genug, die anderen halten sie für nicht umsetzbar. Es geht nicht nur um grundlegende Richtungsfragen – wie grün, tierfreundlich oder effizient soll Landwirtschaft künftig sein –, es ist auch ein Kampf um den Futtertrog. Es geht um viel Geld. Wer soll für welche Leistung wie viel bekommen? Kleine mehr, Große weniger?

Verteilungsfragen

Derzeit ist die Agrarförderung mit einem Anteil von knapp 40 Prozent der größte Posten im EU-Haushalt. Rund 58 Milliarden Euro fließen pro Jahr an die gut zehn Millionen landwirtschaftlichen Betriebe. Manche bewirtschaften 133 Hektar, andere drei. Auch nach Österreich fließen einige Milliarden– zuletzt knapp acht. In der Hauptsache als Direktzahlungen und als "Programm für ländliche Entwicklung".

Der deutsche Ratsvorsitz hatte Ende September einen Entwurf präsentiert, der zu Öko-Regelungen verpflichtet, an die ein Mindestanteil der Direktzahlungen gekoppelt sei. Wie hoch er sein soll, wurde nicht genannt. Österreich fürchtet eine Benachteiligung durch das neue Ökoschema, besser wäre es, die Umweltleistungen weiterhin auf beide Säulen aufzuteilen. Die sogenannte zweite Säule, die Maßnahmen zur ländlichen Entwicklung bündelt, gilt als Lebensader der österreichischen Landwirtschaft, die die Erhaltung von Kleinbetrieben ermöglicht hat.

Österreich wolle den "österreichischen Weg" beibehalten, formuliert es Ministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP). Gleichwohl unterstütze man die vom deutschen EU-Ratsvorsitz vorgeschlagenen höheren Umweltambitionen. Was der Ressortchefin einmal mehr den Vorwurf von Umweltschützern einträgt, reichlich ambitionslos zu sein. "Leider ist Österreich nicht das Umweltmusterland, als welches die Landwirtschaftsministerin es verkaufen möchte", schilt Global 2000.

Einigkeit gab es am Montag zumindest in einem Punkt: Die Landwirtschaftsminister haben sich einstimmig für eine Verschiebung der Anwendung der neuen EU-Bio-Verordnung um ein Jahr, auf 1. Jänner 2022, ausgesprochen. Der Bauernverband Bio Austria begrüßte die Entscheidung. (Regina Bruckner, 20.10.2020)