Interimsparteichef Alexander Petschnig (links) und Altparteichef Johann Tschürtz, beide sehr nachdenklich.

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Die Freiheitliche Partei wird seit je gepeinigt von dem merkwürdigen inneren Drang, ein ums andere Mal über die eigenen Füße zu stolpern. Schwer zu sagen, warum das so ist. Aber das kann man bei einem nervösen Tick auch nicht.

Auffällig ist jedenfalls, dass den innerparteilichen Fisimatenten stets Erfolgsläufe vorangegangen sind. Oder jedenfalls reputierliche Regierungsbeteiligungen; Haider 1986, "Reißwolf" Scheuch 2002; Ibiza 2019; um nur die weitreichendsten zu nennen. Man kann das bedauern. Aber man muss nicht.

Viele Freiheitliche sind, das hat historische Gründe, Augsburger Evangelische. Martin Luther sagte oder mahnte oder gab zu bedenken: Wenn's dem Esel zu wohl ist, geht er aufs Eis tanzen. Man sollte die Trefflichkeit dieses Wahrwortes nicht unterschätzen.

Watschentanzen

Im Burgenland – hier geht es ja ums Burgenland – hat das innerparteiliche Watschentanzen nach der Wien-Wahl einen neuen Höhepunkt erreicht. Diese Wiener Wahl war eine letztlich bravourös gelungene Zerreißprobe nach dem Vorbild des Rumpelstilzchens: mitten auseinander.

Seinesgleichen geschieht schon seit längerem im Burgenland, wo vergangene Woche Bundes- und Landesparteichef Norbert Hofer entnervt den Hut draufgehaut hat. Er hat's nicht gesagt, aber ein jeder hat es so verstanden: "Machts euch euern Krempel selber!"

Stellvertreter

Hofer hat nur einen Stellvertreter gehabt, den gebürtigen Kärntner Alexander Petschnig, der bis Jänner Wirtschaftslandesrat gewesen ist. Petschnig war eher nicht sehr amused. Hofers Hut komme "absolut zur Unzeit", sich neben dem U-Ausschuss zur Commerzialbank "auch mit einem Parteitag herumschlagen zu müssen". Denn so einen sehen die Statuten im Fall des nun eingetretenen Falles vor.

Nach einem Wochenende des In-sich-Gehens entschied Petschnig: "Ich kandidiere."

Basisferne

Drunter und drüber geht es in der burgenländischen FPÖ schon seit längerem. So manche warfen dem Langzeitparteichef Johann Tschürtz, der die Blauen 2015 immerhin in eine Regierung geführt hat, Basisferne vor. Dem versprochenen Einsatz für die kleinen Leute sei bloß prahlerische Großspurigkeit gefolgt.

Die Wahl Ende Jänner ging verloren, die FPÖ sackte von 15 auf knapp zehn Prozent und verlor zwei der sechs Mandate. Das verstärkte das Rumoren.

Tarnidentitäten warfen mit Interna Richtung Tschürtz. Ein oder eine "Klara Kainz" mit dem anzüglichen Geburtsdatum 20. April 1989 arbeitete sich nicht nur auf Facebook an Tschürtz ab, sondern auch im Format "Leserreporter" bei den "Bezirksblättern". Ein oder eine "Anony Mous" bedient die regionalen Journalisten immer noch mit Neuigkeiten aus der blauen Gerüchteküche.

Starthilfe

Tschürtz wechselte nach der Wahlniederlage vom Partei- zum Klubchef. Petschnig und der gewesene Landtagsabgeordnete Manfred Haidinger kandidierten beim Parteitag im März ruppig um die Nachfolge. Hofer fuhr drein. Ihm ging es darum, dass sein Heimatbundesland endlich eine Ruhe gibt. Er hatte mit Herbert Kickl ja ohnehin genug zu tun. Also kandidierte er. Und erhielt magere 76 Prozent.

Jetzt zog er sich zurück. "Ich habe", resümierte Hofer, "der Landespartei Starthilfe gegeben. Es gibt im Burgenland zweifellos eine große Chance, dass die Landespartei wieder zu alter Stärke erwächst."

Zuvor hat er aber Manfred Haidinger noch schnell ausgeschlossen, der unlängst erst den Ausschluss von Johann Tschürtz gefordert hat. Des Haidingers Verfehlung, so Hofer: Weitergabe von Interna an die Medien.

Wir erinnern uns an Rumpelstilzchen kurz vorm Auseinanderreißen: "Das hat dir der Teufel gesagt!"

"Anony Mous"

Der oder die "Anony Mous" ließ am Montag dieser Woche die Medien wissen: "petschnig wird morgen seine kandidatur bekanntgeben und vertraut auf die schützenhilfe der abg. tschürtz und benkö. massiver widerstand der basis regt sich. es sind mehrere gegenkandidaturen geplant. häufigste namen: molnar, spuller, dr. graf, ries, haidinger." (Géza Molnár ist Landtagsabgeordneter, war bis Jänner Klubobmann; Christian Spuller war Geschäftsführer der Landessicherheitszentrale und ist Bezirksobmann in Mattersburg; Josef Graf ist Bezirksparteichef von Güssing; Christian Ries ist Landesgeschäftsführer und Nationalratsabgeordneter.)

Am Dienstag verkündete Alexander Petschnig tatsächlich seine Kandidatur. "sollte sich petschnig mit tschürtz und co durchsetzen wird es zu einer austrittswelle in der fpö b kommen", prophezeit Anony Mous, "bundespartei zunehmend involviert und nervös wegen dauerunruhe im burgenland."

Sonderparteitag

Am 6. November wird es im Kulturzentrum Güssing auf einem Sonderparteitag ans Eingemachte gehen. Alexander Petschnig: "In dieser Situation ist es wichtig, Ruhe in die Partei zu bringen." Nun gehe es darum, "dass wir den vielen kleinen Funktionären an der Basis Rückhalt geben, dass wir ihnen Orientierung geben, dass wir das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen".

Bevor es sich mitten auseinanderriss, sang das Rumpelstilzchen voller Zuversicht: "Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen hol ich der Königin ihr Kind." (Wolfgang Weisgram, 27.10.2020)