Supermarktkassiererinnen wurden in den vergangenen Monaten oft für ihren Einsatz gelobt, im Gehalt spiegelt sich die Systemrelevanz des Jobs aber nicht wider.

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Es ist ein besonderer Equal Pay Day in einem besonderen Jahr. Im Normalzustand ging es irgendwie, mit viel Teilzeitarbeit von Frauen und dem gewohnt größeren Anteil der unbezahlten Arbeit für sie. Die Einkommenskluft zeigte zwar regelmäßig, wie sich das ökonomisch auswirkt, dennoch bleibt der große Aufschrei am Equal Pay Day in der Regel aus. Durch Corona wurde allerdings deutlicher, wie wackelig dieses System vor allem für Frauen ist. Schon jetzt arbeiten fast die Hälfte der Frauen Teilzeit (47,7 Prozent). Was, wenn Betreuungspflichten noch stärker als bisher auf sie zurückfallen, weil zwischendurch Kinder in Quarantäne bleiben müssen oder Homeschooling gefordert ist? Und dabei sind Kinderbetreuungspflichten nur ein Faktor, der die Lohnschere konstant offen hält. Die Auswirkungen von Corona könnten die langsamen Fortschritte beim Gender Pay Gap zusätzlich bremsen.

Der Equal Pay Day markiert jenen Tag, ab dem Frauen statistisch gesehen bis zum Jahresende gratis arbeiten. Heuer fällt er auf den 22. Oktober, also diesen Donnerstag. Der aktuelle Gender Pay Gap liegt in Österreich bei 19,3 Prozent. Dabei handelt es sich um einen Vergleich der durchschnittlichen Jahresbruttobezüge der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit ganzjährigen Bezügen und Vollzeitbeschäftigung. Die Arbeiterkammer Oberösterreich errechnet auf Basis der Zahlen der Statistik Austria die "unbezahlten Tage". Im Verlauf der vergangenen zehn Jahre werden diese nur sehr langsam weniger. Seit 2010 ist der Equal Pay Day demnach um 22 Tage nach hinten gerückt. Anderes gesagt: Pro Jahr wurden Frauen statistisch gesehen um 2,2 Tage bis Jahresende länger bezahlt.

Video des Österreichischen Städtebund zum Equal Pay Day.
Österreichischer Städtebund

Groß bleiben auch die Unterschiede zwischen den Bundesländern: In Wien liegt die Lohnschere bei 13,7 Prozent, in Vorarlberg sogar bei 27 Prozent. "Bereits vor Corona waren Frauen und Männer am Arbeitsmarkt nicht gleichgestellt – der Dreh- und Angelpunkt sind die Einkommen und die Kinderbetreuung", beschrieb Ulrike Huemer, Ökonomin beim Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), kürzlich bei einem Pressetermin die arbeitsmarktpolitischen Folgen von Corona für Frauen. Flächendeckende Kinderbetreuung wird auch als Schlüssel zur Verringerung des Gender Pay Gap genannt. In Österreich liegt die Betreuungsquote der unter Dreijährigen jedoch bei nur 28 Prozent, der EU-Durchschnitt liegt laut Eurostat bei 20,4 Prozent.

Wo Kindergärten gegen Mittag schließen, verringern sich vor allem für Frauen die Chancen auf ein Einkommen, das ihnen später eine Pension sichert, von der sie leben können. Frauen erhalten derzeit in Österreich eine um 42 Prozent niedrigere Pension als Männer. Die wegen Corona finanziell prekäre Lage in den Gemeinden könnte sich auf Kinderbetreuung auf dem Land zusätzlich negativ auswirken. Die 15a-Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern für den Ausbau der Kinderbetreuung sind nur Anstoßfinanzierungen, für den laufenden Betrieb müssen die Gemeinden selbst aufkommen.

Informelle Kanäle durch Homeoffice

Zusätzliche Hürden auf dem Weg zu gleichem Lohn bei gleichwertiger Arbeit könnten auch die neue Arbeitsbedingungen sein. Stichwort Homeoffice: "Während des Homeoffice bekommt man Entscheidungsprozesse noch weniger mit, warum und wer befördert wird, die Gespräche und der Austausch mit Kolleg*innen fehlen", sagt Ingrid Moritz, Leiterin der Abteilung Frauen und Familie, zum STANDARD. Gerade in Krisenzeiten wären transparente Strukturen, insbesondere in der Frage, wie Löhne zustande kommen, wichtig. Die AK fordert deshalb "volle Lohntransparenz". Der direkte Vergleich mit dem Kollegen, der dieselbe Arbeit macht, muss möglich werden, so Moritz.

Der Gender Pay Gap hält sich nicht zuletzt auch durch die schlechtere Entlohnung in Branchen mit einem großen Frauenanteil. Obwohl viele dieser Branchen zuletzt als "systemerhaltend" bezeichnet wurden, spiegelt sich das in der Entlohnung nicht wider. Eine Million Menschen arbeiten in systemerhaltenden Berufen, auf die man in der Corona-Krise besonders angewiesen war. Allein die Bereiche Einzelhandel, Reinigung und Lehrerin/Lehrer umfassen mehr als die Hälfte dieser Beschäftigten, rechnete die Arbeiterkammer Wien vor. Jene, die im Einzelhandel an der Kasse oder als Regalbetreuerinnen beschäftigt sind oder als Reinigungskraft arbeiteten, verdienen besonders schlecht. Sie verdienen im Schnitt weniger als 1.300 Euro netto pro Monat. (Beate Hausbichler, 21.10.2020)