Wann dürfen die Österreicher in Pension gehen? Die Hacklerregelung ist politisch umstritten.

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Wien – Die ÖVP hat am Mittwoch angekündigt, die vor der Wahl beschlossene Neuauflage der Hacklerregelung zurückzunehmen. ÖVP-Vizeklubchefin Gaby Schwarz berichtete von einer Vereinbarung mit den Grünen. Im grünen Klub wurde das aber nicht bestätigt. Dort gilt immer noch die Linie vom Frühjahr, zuerst den Bericht der Alterssicherungskommission abzuwarten. Die ÖVP dürfte mit der Pensionsreform aber auch den von den Grünen angekündigten Arbeitslosenzuschuss verknüpfen.

Seit 1. Jänner ist wieder eine Frühpension ohne Abschläge möglich, wenn mindestens 45 Beitragsjahre vorliegen. In Anspruch nehmen können das ASVG-Versicherte, Bauern und Selbstständige, nicht aber Beamte. In der Praxis profitieren davon – wegen ihres höheren Regelpensionsalters – ausschließlich Männer.

"Reine Männerpension"

Schwarz bezeichnete die kurz vor der Nationalratswahl 2019 überraschend (und gegen die Stimmen der Neos) beschlossene Regelung als eine reine "Männerpension". Dieses ungerechte System werde nun mit den notwendigen Übergangsfristen repariert, kündigte Schwarz an. Beschlossen werden soll das laut ÖVP im November – mit der Pensionserhöhung für 2021.

Der grüne Klub bestätigte die Einigung allerdings nicht. Eine Reform sei noch nicht vereinbart. Aus Sicht der Grünen gilt nach wie vor, dass man zuerst den Bericht der Alterssicherungskommission abwarten und dann über mehr Gerechtigkeit im Pensionssystem sprechen werde.

Die ÖVP beharrte allerdings darauf, dass sowohl die Pensionsreform als auch der von den Grünen angekündigte neuerliche Arbeitslosenzuschuss vereinbart und in Vorbereitung seien. Schwarz bestätigte diesbezüglich, dass die neuerliche Auszahlung eines Arbeitslosenzuschusses im Dezember angedacht sei.

Zurück auf den Arbeitsmarkt

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hatte die neuerliche Einmalzahlung zuvor als fix bezeichnet. Eine generelle Erhöhung des Arbeitslosengelds lehnt die ÖVP weiterhin ab. "Eine generelle Erhöhung des Arbeitslosengelds wird nicht kommen, denn Ziel bleibt weiterhin, die Menschen zurück auf den Arbeitsmarkt zu bringen", sagt Schwarz.

Die ÖVP hatte der neuen Hacklerregelung im Vorjahr nur widerwillig zugestimmt, weil sie sonst auch gegen die zugleich abgestimmte Pensionserhöhung hätte stimmen müssen. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hatte bereits zu Jahresbeginn angekündigt, die Maßnahme wieder zurückzunehmen. Auch Kogler kritisierte das Modell: "Eine Regelung nur für Männer, da sträubt sich was in mir."

Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) wollte vor einer Reform aber den nächsten Bericht der Alterssicherungskommission abwarten. Deren Vorsitzender Walter Pöltner hat sich allerdings bereits im Jänner für die Abschaffung der Hacklerregelung ausgesprochen.

Massiver Widerstand

SPÖ, FPÖ und rote Gewerkschafter stemmen sich jedenfalls gegen die von der ÖVP betriebene Abschaffung der Hacklerregelung. "Wer 45 Jahre hart gearbeitet hat, soll danach weiterhin ohne Abschläge in Pension gehen können", forderte SP-Vizeklubchef Jörg Leichtfried mit Verweis auf die hohe Arbeitslosigkeit. Auch der Vorsitzende des SP-Pensionistenverbandes, Peter Kostelka, forderte die Beibehaltung und sieht durch die Reform den Vertrauensschutz gefährdet. Namens der FPÖ kündigte Niederösterreichs Landeschef Udo Landbauer massiven Widerstand an. Er sieht einen "Anschlag auf die Leistungsträger" durch die ÖVP: "Ich kenne keine andere Partei in diesem Land, die einen derart arbeitnehmerfeindlichen Zugang hat."

Aber auch aus den eigenen Reihen hat die ÖVP mit Widerstand zu kämpfen: Sowohl der Arbeitnehmerbund in Tirol als auch jener in Vorarlberg lehnten die Initiative der Bundespartei ab. Tirols AAB-Obfrau und Landesrätin Beate Palfrader sprach gegenüber der APA von einer "widersinnigen Argumentation". Wer 45 Jahre gearbeitet habe, solle auch weiterhin abschlagsfrei in Pension gehen dürfen. Der Vorarlberger AAB-Obmann Harald Witwer meinte: "Jetzt bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu sparen, von denen viele aktuell ohnehin mit finanziellen Schwierigkeiten und ungewissen Zukunftsaussichten konfrontiert sind, sehen wir Arbeitnehmervertreter in der ÖVP sehr kritisch und lehnen das deshalb auch ab."

"Kostenexplosion"

Erfreulich und begrüßenswert wäre die Reform dagegen für die Junge Industrie. Die Kosten des Pensionssystems seien ohnehin zu hoch. Durch Corona und die hohe Arbeitslosigkeit würden Beiträge der Aktiven wegbrechen. Es drohe eine Kostenexplosion, daher müsse man gegensteuern.

Empört reagierte dagegen der Vorsitzende der Produktionsgewerkschaft Pro-Ge, Rainer Wimmer. Der SP-Gewerkschafter hält das von der ÖVP vorgebrachte Argument, dass die Hacklerregelung nicht für Frauen gilt, für fadenscheinig: "In wenigen Jahren wird das Pensionsalter angehoben, dann profitieren auch sie. Und um Frauen den Zugang zu erleichtern, werden fünf Jahre an Kindererziehungszeiten berücksichtigt." Millionenschwere Steuerentlastungen für Agrarbetriebe greife die ÖVP nicht an, stattdessen wolle sie bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sparen, die oft am Ende ihrer Kräfte seien, kritisierte Wimmer. (APA, 21.10.2020)