Für viele Experten ist der Antigen-Schnelltest lediglich eine Ergänzung der Teststrategie und kein Ersatz für den PCR-Test.

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Die Forderung nach schnellem Testen wird immer lauter. Antigen-Schnelltests sollen nun helfen, Kapazitätsengpässe zu vermeiden und Rückstaus zu verhindern. Die Stadt Wien hat sie im Rahmen der One-Stop-Shops oder Cluster-Buster-Busse bereits ausprobiert. Der Vorteil: Vom Rachenabstrich mit einem Wattestäbchen bis zum Testergebnis dauert es durchschnittlich 15 bis 35 Minuten. Womit man dem Ziel, im Falle eines positiven Ergebnisses vor Ort mit dem Contact-Tracing gleich starten und etwaige Quarantäne- oder Entlassungsbescheide gleich ausstellen zu können, um ein großes Stück näher rücken könnte.

Schneller, nicht besser

Antigentests weisen, ebenso wie PCR-Tests, das aktive Virus nach. Allerdings auf Basis einer anderen Technologie. Während bei der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) Bestandteile des Erbguts detektiert werden, sucht man bei Antigentests nach Proteinen, die für Sars-CoV-2 typisch sind. Allerdings handelt es sich auch bei diesem Verfahren nicht um einen Selbsttest, wie fälschlicherweise immer wieder angenommen wird. Antigentests sehen zwar ein bisschen aus wie Schwangerschaftstests, tatsächlich braucht es aber auch für die korrekte Entnahme des Abstrichs geschultes Personal.

Aussagen darüber, wie verlässlich eine Testmethode ist, geben zwei Parameter: die Spezifität und die Sensitivität. Die Spezifität gibt Auskunft darüber, ob alle gesunden getesteten Menschen auch als Gesunde erkannt werden. Die Sensitivität zeigt an, ob alle Kranken auch als Kranke erkannt werden. Der neue Antigentest für Sars-CoV-2 von Roche Diagnostics hat eine Sensitivität von 96,52 Prozent und eine Spezifität von 99,68 Prozent, basierend auf 426 Proben aus zwei unabhängigen Studienzentren. Hinsichtlich der Zuverlässigkeit variieren die Angaben verschiedener Hersteller zum Teil aber doch. In den meisten Fällen liegen sie aber über 90 Prozent. So auch beim Deutschen Medizintechnikhersteller Nal Von Minden. Dessen Produkt soll eine Sensitivität von über 97 Prozent und eine Spezifität von über 99 Prozent aufweisen, heißt es seitens des Unternehmens.

Kein Ersatz

Trotz des Vorteils, an Geschwindigkeit zuzulegen, bleibt der Antigentest als Alternative zum PCR-Test unter Experten aber nicht unumstritten. Anwender berichten von falschen Ergebnissen bei Antigentests vor allem dann, wenn nur noch sehr wenig Viruslast im Rachen nachweisbar ist – so beispielsweise in der Spätphase einer Covid-19-Erkrankung. Für viele Experten ist das Verfahren deshalb lediglich eine Ergänzung der Teststrategie und kein Ersatz für den PCR-Test.

Auch Gernot Walder, Labormediziner und Hygieniker in Osttirol, sieht keinen Sinn darin, den PCR-Test gegen "eine weniger etablierte und weniger ausgetestete Alternative zu ersetzen". Auch wenn er durchaus nachvollziehen kann, dass man versucht, an Geschwindigkeit zuzulegen. Will man eine bestimmte Spezifität eines Tests haben, muss man der Reaktion auch Zeit geben, ist Walder überzeugt: "Hohe Spezifität und Geschwindigkeit gehen nicht Hand in Hand. Wer verlässliche Testresultate haben will, muss eine bestimmte Zeit auf das Ergebnis warten." (Julia Palmai, 22.10.2020)