Nicht nur in der Theaterszene sorgt eine Neu-Inszenierung von Kleists "Der zerbrochne Krug" für heftige Diskussionen. Das Stück heißt in der von Überschreibungen und neu hinzugefügten Textflächen geprägten Fassung "Parlamentarischer Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung". So wie im Original muss die Figur des Dorfrichters Adam – in der Neufassung als "Wolfgang Sobotka" bezeichnet – über eine Tat richten, die er selbst begangen hat. Anders als andere Dramenfiguren der Weltliteratur wie beispielsweise König Ödipus, weiß er aber von Anfang an um seine eigene Täterschaft. Daher versucht er die Aufklärung seines Falls mit allen Tricks zu verhindern.

Wolfgang Sobotka weigert sich, die Bühne zu verlassen.
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Abgesehen davon wird bei der Gestaltung dieser Figur in der Neufassung auf Werktreue verzichtet. So heißt es in einer Beschreibung des Originalstücks über Adam: "Die blühende Phantasie, mit der er immer neue Ausflüchte ersinnt, macht ihn zuweilen fast sympathisch." Das wird bei der Figur des Sobotka vermieden.

Zu diesem Zweck wird auch auf ungewöhnliche dramaturgische Mittel und multimediale Theaterformen gesetzt. Diesbezüglicher Höhepunkt war ein "Zeit im Bild 2"-Interview mit dem Darsteller des Wolfgang Sobotka, der dabei extrem outrierend und Joker-artig grinsend in seiner Bühnenfigur blieb. Auch sein dort vorgetragener Text sorgte für Kritik.

Kooperationen

In bewusster Anspielung auf Techniken des absurden Theaters behauptete er, das von ihm selbst und anderen ÖVP-Politikern geführte "Alois-Mock-Institut" hätte nichts mit der ÖVP zu tun oder sechsstellige Spenden eines Glücksspielkonzerns an dieses Institut wären keine Spenden, sondern Kooperationen gewesen. Nach dieser Logik wäre eine Spende bei einer Altkleidersammlung auch keine Spende, sondern eine Kooperation mit dem Roten Kreuz.

Ebenso verstörend wirkte die sprachliche Darbietung. Der Sobotka-Darsteller bezeichnete das "Alois-Mock-Institut" als "Sink Denk". Dahinter könnte auch theatralische Absicht stecken, denn "sink" steht im Englischen für Waschbecken. Vielleicht ein verstecktes Eingeständnis, dass solche Institute ideal zum Waschen verdeckter Parteispenden geeignet sind.

Definitiv zu weit ging der umstrittene Mime aber dann mit der Rezitation eines 20-sekündigen Werbespots seines Sponsors Novomatic. Ein Verhalten, das bei einem Sportlerinterview wohl zu sofortigem Gesprächsabbruch geführt hätte.

Hier zeigt sich auch die Problematik dieser Neu-Inszenierung. Während im Originalstück Dorfrichter Adam nach seiner Entlarvung die Flucht ergreift, wird in der postdramatischen Neufassung dieses wesentliche Handlungselement ignoriert. Der Sobotka-Darsteller weigert sich, die Bühne zu verlassen, und verhöhnt dabei auch noch die Zuschauer, indem er ihnen zuruft, sie hätten für die ganze Aufführung bezahlt, weshalb er vorhabe, bis zum Ende der Vorstellung auf der Bühne zu bleiben, um zu stören. Das aber ist eine genremäßig unzulässige Verfremdung des Originalstoffes.

"Der zerbrochne Krug" ist per definitionem eine Komödie, die Neu-Inszenierung hingegen entwickelt sich immer mehr in Richtung "bürgerliches Trauerspiel". (Florian Scheuba, 22.10.2020)