So sieht ein vorbildlicher Betrieb auf der Skipiste aus. Beim Anstellen vor Liften ist der Mindestabstand aber oft noch ein Problem.

Foto: Imago

Die Macht der Bilder ist gerade in Zeiten der Coronavirus-Krise nicht zu unterschätzen. Seit einigen Tagen kursieren in sozialen Netzwerken im Internet Fotos und Videos von schon gutbesuchten Skigebieten in Österreich, wo es beim Anstellen vor Liften und Seilbahnen anscheinend verboten dicht zugeht. Das mediale Echo ist gewaltig: Vom "Ski-Chaos, das fassungslos macht", schreibt die Onlineausgabe des "Münchner Merkur", "Skifans pfeifen auf Corona-Abstand", heißt es in der Wiener Gratiszeitung "Heute", um nur zwei Beispiele zu nennen.

Ob das stimmt, ob es sich um vereinzelte Situationen handelt oder vielleicht um Panikmache, ist schwer zu überprüfen. Eines der meistgeteilten Fotos stammt jedenfalls vom Hintertuxer Gletscher in Tirol, das eine Menschenmenge vor der Seilbahn zeigt. Berücksichtigt man die perspektivische Verkürzung des von hinten aufgenommenen Bildes, ist es aber unmöglich mit Sicherheit festzustellen, ob der Mindestabstand von einem Meter zwischen den Skisportlern eingehalten wird.

Appell an Eigenverantwortung

Dazu kommt, dass das Bild auf Twitter von einer Userin gepostet wurde, die gar nicht dort war. Der wahre Fotograf wolle "aus Gründen" nicht genannt werden, schreibt sie. Der wahre Fotograf und seine Bilder wiederum sind aber in einem anderen Forum leicht zu finden, hier beschreibt er einen ganzen Skitag und hebt vielmehr die Disziplin der Skisportler hervor, die etwa in einer Gondel mehr Platz ließen, als vorgeschrieben sei.

Aber auch Videos stützen den Verdacht, dass sich in manchen Skigebieten zumindest zeitweise fast niemand um Corona-Maßnahmen schert. Seilbahnbetreiber nehmen derartige Hinweise sehr ernst und appellieren an die Eigenverantwortung der Wintersportgäste. Sie weisen aber auch darauf hin, dass es nicht überall im Anstellbereich möglich sei, dem berühmten Babyelefanten Platz zu geben. "Wir sind in dem Fall mit öffentlichen Verkehrsmitteln gleichgestellt, wo gilt, dass immer dort, wo der Meter Abstand nicht eingehalten werden kann, zwingend die Maske zu tragen ist. Und darauf achten wir", sagt Anna Schieszl von den Zillertaler Gletscherbahnen auf Anfrage des STANDARD.

Es komme immer wieder vor, dass Personen sich zunächst weigerten, beim Anstellen eine Maske zu tragen. "Die bitten wir, herauszukommen, und lassen sie auch nicht in die Gondel", so die Gletscherbahn-Sprecherin. Die Polizei habe man noch nie rufen müssen.

Derzeit befänden sich viele Trainingsteams am Gletscher, und diese Gruppen, die am Berg trainieren, seien auch auf den Videos zu sehen. "Die stehen von 7.45 Uhr bis acht Uhr an, um mit der ersten Gondel auf den Berg zu kommen."

Ungeduldige Skifahrer

Ein Teilnehmer aus diesen Trainingsteams, der zuletzt am Gletscher Skilehrer ausbildete, schilderte dem STANDARD, dass vor allem bei Schönwetter, wenn viele Skisportler auf den Pisten seien, der Betrieb unkontrolliert ablaufe: "Es gibt niemanden, der verhindert, dass sich ungeduldige Skifahrer doch noch in die Gondel quetschen. Ein über die Nase gezogener Schal reicht zur Erfüllung der Maskenpflicht, Gondeln werden kaum belüftet."

In Salzburg ist das Gletscherskigebiet Kaprun-Kitzsteinhorn das derzeit einzige Skigebiet in Betrieb. Hier hat man diverse Sicherheitsmaßnahmen bereits erprobt. Der Kitzsteinhorn-Geschäftsführer Norbert Karlsböck betont, dass an den Talstationen der Zutritt vom Personal "entzerrt" werde und dass alle Skifahrer vom Personal auf das verpflichtende Tragen von Masken aufmerksam gemacht würden. "Ein Maskenverweigerer wird im Zweifelsfall nicht transportiert." Allerdings sei dieser Fall auch hier noch nicht eingetreten.

"Eine Katastrophe"

Und was sagen Gesundheitsexperten? "Eine große Katastrophe", meint Miranda Suchamel, Hygienikerin von der Medizinischen Universität Wien, zu den Bildern, die ihr auch schon in die Timeline gespült worden sind. Sie sagt das aber nicht nur wegen des Coronavirus, sondern weil große Menschenansammlungen in der Erkältungszeit generell fatal seien. Der einzige Unterschied: "Wenn du eine Grippe hast, stellst du dich nicht auf Skier, aber bei Corona hast du Symptomlose dabei." Gerade in geschlossenen Räumen bestehe ein Infektionsrisiko. Das liege nicht zuletzt auch an den Ski- und Snowboardhelmen. "Damit hört man nicht so gut, und je lauter die Leute reden, desto mehr Tröpfchen werden aus ihrem Mund fliegen."

Hans-Peter Hutter, Facharzt für Hygiene, hat die fraglichen Postings auf Facebook und Twitter auch gesehen. Er weist auf ein grundsätzliches logistisches Problem hin. "Offenbar ist es eine Automatik im menschlichen Verhalten, während des Schlangestehens so nah wie möglich zum Nächststehenden vorzurücken", so der Public-Health-Experte der Med-Uni Wien. Da brauche es klare optische Signale und Mitarbeiter, die immer wieder darauf hinweisen, dass der Mindestabstand einzuhalten sei. Grundsätzlich sei nur mit den bekannten Hygienestandards (Abstand, Maske, Händewaschen) das Infektionsrisiko minimierbar. Wer ungeduldig ist und drängelt, erhöhe es entsprechend. "Ein Nullrisiko kann es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht geben", sagt Hutter. (Peter Illetschko, Thomas Neuhold, Gabriele Scherndl, Michael Simoner, Günther Strobl, 21.10.2020)