Yves Klein und sein Blau lassen grüßen: Therese Affolter in "Frau verschwindet".

Bettina Frenzel

Mein Ziel ist das Verschwinden, sagte noch Ilse Aichinger (1921–2016), die in ihrer literarischen Position immer vom Rand her sprechen wollte. Doch das Verschwinden ist auch eine politische Kategorie im Kampf um Platz. Um den Begriff des Verschwindens hat die Schweizer Autorin Julia Haenni ein Stück geschrieben, das mehrfach ausgezeichnet wurde und das nun in einer Inszenierung von Kathrin Herm im Kosmostheater Wien zu sehen ist.

Frau verschwindet folgt einem kriminaltechnischen Verfahren: Vier Frauen nehmen in jener Wohnung, in der eine Frau aus unerklärlichen Gründen abgängig ist, die Spurensuche auf. Es ist keine ernsthafte, sondern eher dem Diskurs gewidmete Ermittlungsarbeit, die sie anstellen, ein Imaginieren von Gründen fürs Verschwinden entlang von eigenen Erfahrungen, von Wissen, Klischees, Statistiken und von Wünschen. Denn das Strumpfhosenquartett (Nylonwickel-Outfits von Kostümbildnerin Theresa Gregor) nimmt sich alle Freiheiten fürs Fabulieren.

Diskursives Remmidemmi

Auf dem abstrahierten Schauplatz, eine blitzblaue Stufenpyramide (Bühne: Mirjam Stängl), erheben sich drei Geschöpfe (Eva Lucia Grieser, Anne Kulbatzki, Birgit Stöger) wie aus Schablonen; ihnen folgt in Gestalt der ehemaligen Burgtheaterschauspielerin Therese Affolter eine vierte, und dann wird diskursiv Remmidemmi gemacht.

Wo, wann und warum also verschwinden Frauen von der Bildfläche? Wenn sie alt sind oder nachdem sie Kinder gekriegt haben oder weil sie die Alleinerziehungsarbeit an der Karriere hindert oder weil sie sich in ihrem anerzogenen Selbstverständnis den Platz nicht nehmen, der ihnen zustünde? Oft gehört. Und das ist das Gute am Stück: Es führt hinaus aus den Erklärplattitüden und fantasiert (etwas kindisch leider) frei drauflos. (Margarete Affenzeller, 22.10.2020)