Die handwerklichen Fähigkeiten für die Schlachtszenen in der Netflix-Serie "Barbaren" erwarb der österreichische Schauspieler Laurence Rupp bei einem "Bootcamp" in Ungarn. Einen Monat lang wurde er von Profis in Reiten und Schwertkampf unterrichtet.

Foto: Netflix

Laurence Rupp weiß gerade nicht so genau, wie ihm geschieht. In Berlin, dem Lebensmittelpunkt des 33-jährigen Schauspielers, bewirbt Netflix die Serie Barbaren mit riesigen Plakaten. Rupp spielt den Arminius in dem Historienepos, mit dem die Streamingplattform das Publikum von Vikings und Game of Thrones beglücken will und das ab Freitag abrufbar ist: "Schon cool", kommentiert Rupp.

Barbaren stellt die Schlacht im Teutoburger Wald im Jahr 9 nach Christus nach – auch bekannt als Varus- oder Hermannsschlacht. Mit Rupp spielen David Schütter, Jurs Rechn und Ronald Zehrfeld. Regie bei vier Folgen führte die Österreicherin Barbara Eder (Cop Stories, Thank You for Bombing). Die beiden letzten Episoden übernahm Steve Saint Leger. Der US-Amerikaner hat Erfahrung im Blut-Schweiß-Tränen-Genre: Er inszenierte schon für Vikings.

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STANDARD: Wie wird man Hauptdarsteller in einer Netflix-Serie?

Rupp: Eine lustige Geschichte. Das Casting kam über meine Agentur zu einem Zeitpunkt, als auf dem Casting-Termin andere Drehtermine lagen. Bei der Verleihung des österreichischen Filmpreises sprach mich Barbara Eder an, wie sehr sie es bedaure, dass ich nicht zu diesem Casting kommen könne, ich wäre der ideale Typ für die Rolle. Ich wusste von nichts, ein Missverständnis, und konnte zum Glück dann doch zu dem Casting nach Berlin gehen.

STANDARD: Und vorher haben Sie noch ein ernstes Wörtchen mit Ihrer Agentur gesprochen?

Rupp: (Lacht) Nein, was da jetzt genau passierte, kann ich gar nicht mehr sagen. So was kann einfach passieren. Wahrscheinlich, weil der Zeitraum der Dreharbeiten so riesig war und es sich mit anderen Projekten spießte.

STANDARD: Die Rolle des Arminius war klar?

Rupp: Nicht einmal das. Ich war für Arminius und Folkwin (Arminius' barbarischer Freund, Anm.) vorgesehen. Vor dem Casting kam wieder Barbara Eder zu mir und fragte mich: Wen würdest du denn gerne spielen, als wen siehst du dich? Und ich entschied mich für Arminius, weil ich nach dem Lesen der Bücher das Gefühl hatte, er liegt mir mehr. Barbara sah es zum Glück genauso.

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STANDARD: Auffallend bei Barbaren ist die Sprache: Als Römer sprechen Sie Latein. Haben Sie verschüttete Lateinkenntnisse wieder aufgefrischt?

Rupp: Ich hatte Latein in der Schule. Aber dort lernt man nur den Bau der Sprache. Die Phonetik, wie du Latein aussprichst oder liest, wurde völlig ausgeklammert. Deshalb dachte ich mir bei der Vorbereitung: Ach, das ist ja eh schön, das ist eine tote Sprache, ich kann eigentlich sagen, was ich will. Kein Mensch weiß, wie die Wörter ausgesprochen wurden. Ich muss den Text nur auswendig lernen und darauf achten, wie er mir aus dem Mund kommt. Dann hatte ich aber ein Treffen mit einem Sprachwissenschafter. Als ich ihm meine Theorie erklärt habe, hat er schallend gelacht und gemeint: Ich habe 20 Jahre geforscht, wie man Latein ausgesprochen hat,iIch glaube schon zu wissen, wie man die Sprache spricht. Es ging dann um ganz einfache Sachen – ein c wird immer als k gesprochen. Das wissen die, warum auch immer.

STANDARD: War es dadurch leichter?

Rupp: Es war so schwierig, dass ich teilweise richtig verärgert war: Leute, bitte, warum müssen wir das alles so genau machen? Niemand wird mich je darauf kontrollieren und sagen, du hast aber da super Latein gesprochen! Keine Chance. Das war den Lateinprofessoren wirklich ganz wichtig, dass ihre Sprache so gesprochen wird, wie es gehört.

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STANDARD: Die Germanen reden dagegen wie Influencer. Wie kam das?

Rupp: Es war eine grundsätzliche Entscheidung. Hätte man bei den Germanen zu Althochdeutsch gegriffen, hätte diese ganze Serie aus Fremdsprachen bestanden. Das wäre dann sehr sperrig anzuschauen gewesen. Weil wir die Geschichte aus der Sicht der Germanen erzählen, war klar, dass die Hauptsprache eine Sprache sein muss, die der Zuschauer versteht, wo er nicht mitlesen muss.

STANDARD: Es geht vergleichsweise züchtig zu. Glauben Sie nicht, dass den eingeschweißten Historien- und Fantasyfans aus Game of Thrones und Vikings die eine oder andere Sexszene abgehen wird?

Rupp: Da bin ich bei Ihnen. Sexszenen wurden gedreht. Barbara Eder ist ja auch eine, die es mag, wenn es schmutzig wird, jedenfalls nicht aalglatt ist. Dazu gehört natürlich der Sex der Germanen – man will ja wissen, wie haben die miteinander geschlafen, wie hat das ausgesehen. Das wurde gedreht, es gab unter anderem eine Sexszene zwischen Arminius und Thusnelda. Sie war sehr lang und sehr arg, aber sie kam nicht in die Serie hinein. Diese Entscheidung kann ich ehrlich gesagt auch nicht ganz nachvollziehen.

STANDARD: Historisch ist die Schlacht ideologisch belastet – hatte man keine Sorge, eine Ikone für Rechtsradikale zu schaffen?

Rupp: Ich tue mir schwer mit der Frage. Die Figur des Arminius, wie ich sie kennengelernt und gespielt habe, widerspricht ja allem, womit sich Rechte identifizieren. Wenn man sich damit genauer auseinandersetzt, wird klar, dass sie überhaupt keine Ahnung haben, wer dieser Mann war. Es geht bei uns nicht um die Rasse, sondern um Politik und um Macht.

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STANDARD: Und ums Schlachten. Vikings-Regisseur Steve Saint Leger übernahm die Schlachtszenen. Wie lernt man schlachten?

Rupp: Wir waren in einem "Bootcamp" in Ungarn. Jeder von uns Schauspielern hatte einen Stundenplan. Ich wurde einen Monat lang in Reiten, Schwertkampf und Latein unterrichtet. Ich lernte Richard Ryan kennen, der Stunts für Troja gemacht hat. Mit ihm zusammenzuarbeiten war unglaublich toll, weil er ein großes Wissen und eine solche Ruhe an den Tag legte und uns auch richtig triezte. Es gab so viele Choreografien, die ich lernen musste. Es ist wie Texte lernen. Jeder Schwertschlag ist nicht nur ein körperlicher Vorgang, sondern erzählt auch etwas. Dann wird ein Kampf erst spannend. So, wie Richard sagte: Eine coole Choreografie alleine macht den Kampf noch nicht schön. Es ist viel besser, wenn es vielleicht sogar schlampig gemacht wird, aber wenn du hinter jeder Verteidigung und bei jedem Angriff eine Handlung setzt und eine Entscheidung triffst, dann wird die Sache spannend und toll.

Netflix Deutschland, Österreich und Schweiz

STANDARD: Wenn man bei Netflix eine Hauptrolle hat, öffnet das eine Tür?

Rupp: Man muss abwarten, was passiert. Was ich jetzt erlebe, habe ich noch nicht erlebt. In Berlin hängen Poster, die sind 25 Meter lang und zehn Meter hoch. Das ist schon ziemlich aufregend. Die Power von Netflix ist schon beeindruckend. So ein Plakat würde die kompletten PR-Kosten eines Kinofilms übersteigen. Die hängen in fünf Städten fünf solche Plakate auf. Schon cool.

STANDARD: Wie geht's beim Drehen unter Corona?

Rupp: Erstaunlicherweise geht es ganz gut. Es ist eine Grundnervosität da, Angst vor einem Drehstopp. Man will ja nicht der sein, der Corona an den Set bringt. Deshalb bin ich sehr vorsichtig. Das Drehen unter Corona ist ziemlich schnell ziemlich gut gelöst worden. Wir werden zweimal pro Woche getestet, alle tragen Masken, wir bewegen uns in Zonen. Sehr durchdacht und clever gemacht. (Doris Priesching, 23.10.2020)