Der kroatische Präsident Zoran Milanović (links) und Premier Andrej Plenković.

Foto: EPA/ANTONIO BAT

Der Club in der Zagreber Straße Slovenska 9 ist hinter einer schweren Türe verborgen. Von außen weist nichts darauf hin, dass sich hier die mächtigsten Männer des mitteleuropäischen Landes zusammenfanden, um sich über den neuesten Tratsch in Zagreb und die Geschäfte zu unterhalten oder einfach nur ein schönes Glaserl Plavac zu genießen.

Doch seit einigen Wochen dreht sich nun alles um das geheimnisvolle Treiben in dem "Privatlokal", in dem sich Generäle und Minister, Unterhaltungskünstler, aber auch der Präsident des Staates gerne einfanden. Der Besitzer des Clubs war offenbar mit ihnen allen auf Du und Du. Es handelt sich um den Generaldirektor der staatlichen Ölpipeline-Gesellschaft Janaf, Herrn Dragan Kovačević, einen Herren mit kurzgeschnittenen, leicht ergrauten Haaren, einem entschlossenen Blick und feinen Anzügen. Strippenzieher Kovačević wurde Mitte September allerdings in Untersuchungshaft genommen, weil er – so der Verdacht – in seinem Club in der Slovenska 9 im Vorjahr von dem Unternehmer Krešo Petek 1,96 Millionen Kuna – etwa 258.000 Euro – an Bestechungsgeldern entgegengenommen haben soll.

Eine weiß-orange Tasche

Der Businessmann Petek soll für das Schmiergeld einen Auftrag über 20 Millionen Kuna von der Janaf bekommen haben. Die Ermittler stellten jedenfalls fest, dass Petek am 11. November 2019 zunächst zur Bank fuhr und dann mit einer weiß-orangen Tasche zu Kovačevićs Club in die Slovenska 9. Die beiden hatten sich per SMS ein Treffen ausgemacht. Als er eine halbe Stunde später den Club verließ, hatte Petek die weiß-orange Tasche nicht mehr bei sich. Kovačevićs Anwalt behauptet nun, dass in der Tasche Wurst gewesen sein könnte, was uns direkt zu einem anderen interessanten Detail der Geschichte führt.

Denn auch dem kroatischen Staatspräsidenten Zoran Milanović ging es offenbar um Delikatessen, als er zu seinem alten Bekannten, dem Pipelinechef Kovačević, in die Slovenska 9 kam. Milanović räumte nach einigem Nachhaken ein, dass er dort auch während des Lockdowns – als alle anderen Kroaten brav zu Hause bleiben mussten – hinkam. Er meinte, ein Freund aus Dalmatien habe ihn damals angerufen und angekündigt, dass im Club einiges an dalmatinischem Fisch übriggeblieben sei und es doch schade wäre, wenn man ihn wegwerfen müsse. So machte sich also der Staatschef in die Slovenska 9 auf, um die Restln zusammenzuessen.

Ein Einhorn und drei Reptilien

Mittlerweile genießt der Präsident die Angelegenheit aber nicht mehr wirklich. Denn offensichtlich hat die Polizei den Club – in dem Milanović sich ganz privat verhielt – monatelang bespitzelt. Und der Präsident ist selbst in Erklärungsnot geraten. Als er etwa gefragt wurde, ob es stimme, dass er beim Eingang des Clubs sein Handy abgeben habe müssen, sagte er in seinem typisch sarkastischen Ton, dass er dies nicht einmal im Weißen Haus tun würde, und machte sich über die Journalisten lustig, die etwas in den Club hineingeheimnissen würden: "Ja, dort gibt es ein Einhorn und drei Reptilien!", meinte Milanović.

Offen bleibt trotzdem, wer eigentlich für das Essen und Trinken für all die Zagreber Eliten aufkam, wenn sie sich in die Slovenska 9 zur Entspannung einfanden. Naheliegend wäre, dass dies alles auf Kosten des korruptionsverdächtigen Pipelinedirektors ging und dass dieser die einflussreichen Männer des Landes also vielleicht teils in der Tasche hatte. Milanović hat jedenfalls offenbar Sorge um einen Imageverlust. So nannte er die beiden Parlamentarierinnen Marijana Puljak und Darija Orešković "Wehklagende" und "Thelma und Louise", weil sie an der Außenwand des Hauses Slovenska 9, also des Pipelinechef-Clubs, zum Spaß ein Schild anbrachten, auf dem "Büro des kroatischen Präsidenten" geschrieben stand.

Tollwut und Übertragung

Als die Schmiergeldaffäre publik wurde, begann der Präsident sofort dem Premierminister vorzuwerfen, ihm nicht gesagt zu haben, dass Kovačević der Korruption verdächtigt wurde. Milanović meinte, dass Andrej Plenković sicher über die Sache Bescheid gewusst haben müsse, zumal nach der Übergabe der Schmiergelder noch zehn Monate vergangen waren, bis Kovačević verhaftet wurde. Plenković konterte indes, dass er keine Ahnung gehabt habe, dass der Pipelinechef Bestechungsgelder angenommen habe und dass er sich nicht in die Arbeit der Polizei und der Justiz einmische. Tatsächlich hatte Plenković noch im Februar – also nach der Übergabe der 1,96 Millionen Kuna – den Vertrag von Kovačević an der Spitze der Janaf erneuert.

Milanović erklärte daraufhin, dass es ein Skandal sei, dass ein Premier nichts von so einer Sache wisse und dass er selbst nun wütend sei. Plenković reagierte süffisant auf das Wuteingeständnis des Präsidenten. "Was Tollwut betrifft, so ist dies eine weitere ansteckende Krankheit", elaborierte er. "Ich hoffe, dass sie bei Milanović keine anderen Konsequenzen hat, außer dass er sich im übertragenen Sinne ausdrückt."

Vampire und Luxus-Mercedes

Der Staatschef nutzte daraufhin Facebook, um seinen Grant loszuwerden. In ironischem Tonfall kündigte er an, sich bei allen zu entschuldigen, auch bei jenen, die ihm Tollwut unterstellen würden, was viel schlimmer sei als Covid-19. "Es infiziert Säugetiere, Hunde, Füchse und Vampirfledermäuse", beschrieb der Präsident seine virologischen Kenntnisse. "Und natürlich entschuldigt sich der Präsident der Republik bei allen Bürgern dafür, dass in der Regierung desselben Premierministers jahrelang Minister saßen, deren Luxus-Mercedes' vom Himmel in den Hof gefallen sind oder die Millionen von Immobilien nicht gemeldet haben, weil sie so viele angesammelt haben, dass sie sie selbst nicht mehr zählen konnten. Und das alles nur, weil der Premierminister nichts wissen, sehen oder hören wollte, egal wie viel ihm alle anderen im Land davon erzählten, schrieben und ihn warnten."

Milanović meinte zudem, man solle doch auch Plenković fragen, wo er eigentlich während des Lockdowns gewesen wäre. "Was denkst du, dass er nach Hause gegangen ist, um das Vaterunser zu beten?", sagte er in seiner lässigen Art zu einem Journalisten.

Heldenhafte Hasen und amerikanische Präsidenten

Plenković genoß es wiederum sichtlich, Milanović so sauer zu sehen, und kommentierte seinerseits, dass der Staatschef doch sehr nervös erscheine und erklären müsse, weshalb dies so sei. "Ich weiß ehrlich gesagt nicht, welche Art von Stein ihn im Schuh drückt, etwas stört ihn aber offensichtlich." Der vorerst jüngste Teil des Schlagabtausches fand wieder auf dem Facebook-Account des Staatspräsidenten statt, der dort am Donnerstag den Premierminister einen "heldenhaften Hasen" nannte, weil dieser nicht beantwortet habe, was er genau damit gemeint habe, als er behauptet hatte, dass Milanović während der Wahlkampagne 2016 Hass gesät habe.

Doch Milanović geht es nicht nur um den Premier, von dem er sich ausgetrickst fühlt. Er kritisierte auch die Ermittlungen, weil die Verhaftung von Kovačević erst so spät erfolgte. Er stellte etwa infrage, weshalb der Pipelinechef nicht sofort beim Bestechungsvorgang verhaftet worden sei. "Auf wen haben sie gewartet, auf den amerikanischen Präsidenten?", kommentierte der Präsident die Polizeiarbeit.

King Kong und ein Huhn

Sauer reagierte er auch darauf, dass auch gegen den Ehemann der früheren Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović, Jakov Kitarović, ermittelt wurde, der ebenfalls im Club des Pipelinechefs ein und aus ging und auch an jenem 11. November 2019 zugegen war, als nicht nur das Fest des Heiligen Martin gefeiert und deshalb entsprechend fein gegessen wurde, sondern auch die orange-weiße Tasche übergeben würde. "Lasst Jakov gehen!", meinte der Staatschef über den Gatten jener Frau, die er erst im Vorjahr bei den Präsidentschaftswahlen besiegt hatte, ganz so, als würde er selbst die Ermittlungen leiten. "Es ist, als würde man King Kong jagen und ein Huhn erschießen", fügte er hinzu und meinte mit dem Huhn offenbar den Mann der Ex-Präsidentin.

Aber nicht nur die Polizei, auch die Staatsanwaltschaft bekam von Milanović ihr Fett ab. Der Präsident des Bezirksgerichts von Zagreb, Ivan Turudić, konterte indes und meinte, dass der Staatschef keinen Druck auf die Justiz ausüben dürfe, in dem er anmerke, wann wer zu verhaften sei. Wie sich herausstellte, verkehrte allerdings auch der Herr Gerichtspräsident im Club des Pipelinechefs in der Slavonska 9.

Handys in der Save und Geld im Koffer

Dort fanden sich auch der frühere Präsident Stipe Mesić, Wirtschaftsminister Tomislav Ćorić, Minister Radimir Čačić und einige ehemalige und derzeitige Minister sowie der Generalstabschef immer wieder ein. Der Ölpipeline-Club in der Slovenska 9 erinnert insofern an den berühmten Club 45 am Wiener Kohlmarkt in den 1970er-Jahren, in dem neben Udo Proksch auch Innenminister Karl Blecha, Außenminister Leopold Gratz und Verteidigungsminister Karl Lütgendorf und Hannes Androsch ein und aus gingen. Nur sieht das Ambiente in Zagreb mit den Holzdrehsesseln an der Bar nicht ganz so nobel aus.

Der sich in U-Haft befindliche Clubbesitzer Kovačević soll übrigens laut der Korruptionsstaatsanwaltschaft Uskok vorher überzuckert haben, dass seine Verhaftung bevorsteht, und soll demnach seine Handys in die Save geworfen und Millionen an Kuna in Autokoffern und in Wohnungen versteckt haben. Teil der Korruptionsaffäre sind übrigens auch zwei Bürgermeister beider großen Parteien, jener des Präsidenten, also der Sozialdemokraten, und jener des Premiers, also der Konservativen HDZ: Dražen Barišić und Vinko Grgić, Bürgermeister von Velika Gorica und Nova Gradiška, sollen Petek geholfen haben, die öffentliche Ausschreibungen so zu erstellen, dass er Verträge mit den beiden Städten und mit der Janaf bekam. Dafür sollen die beiden Bürgermeister Geld bekommen haben. (Adelheid Wölfl, 23.10.2020)