Rückkehr nach Amerika, diesmal mit "nicht-männlichem Sohn": Sacha Baron Cohen und Maria Bakalova im Sequel von "Borat".

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Was ist verheerender, Covid-19 oder die US-Demokraten? Die beiden Männer zögern keine Sekunde lang: "Die Demokraten!" Der bärtige trägt seine Begeisterung für Trump auch auf seinem T-Shirt zur Schau, der andere weiß, dass die Chinesen das Wuhan-Virus über die Welt gebracht haben. Welch eine glückliche Fügung, kommentiert Borat, dass er den Lockdown bei zwei der besten US-Wissenschafter verbringen kann. Dass sie dem schrägen Reporter Unterschlupf gewähren, ja dann fast zu seinen Fans werden, setzt der Ironie noch die Krone auf.

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Rechtzeitig zur US-Wahl am 3. November grätscht Sacha Baron Cohen mit seiner radikal inkorrekten Kunstfigur Borat mitten hinein in die Widersprüche der Supermacht. Seit seinem Erstbesuch vor 14 Jahren, wo er mit holprigem Englisch einer waffenverliebten Nation auf den Zahn fühlte, haben sich die USA selbst zu einer Art Realsatire entwickelt – in ihren extremeren Ausformungen gar nicht einmal so weit entfernt vom wilden Fake-Kasachstan, aus dem Borat stammt. Für einen Komiker, der mit provokativer Überschreitung arbeitet, um die versteckten Ressentiments seines Gegenübers freizulegen, keine leichten Voraussetzungen.

Geschenk für den Potus

Borat Subsequent Moviefilm, wie das Sequel heißt, wählt wohl auch deshalb einen weniger offensiven, erzählerisch abgefederten Zugang als der Vorgängerfilm. Borat reist im Regierungsauftrag an, um Vize-"Pussy Grabber" Mike Pence ein Geschenk zu überbringen, damit auch sein Land in den Freundeskreis des Potus aufgenommen wird. Als blinder Passagier ist sein "nichtmännlicher Sohn" aka Tochter Tutar (Maria Bakalova) mit dabei, die kurzerhand zu ebendiesem Präsent aufgewertet wird. Sie träumt als konservativ "erzogene" Kasachin ohnehin davon, wie die First Lady in einem goldenen Käfig zu leben.

Mit dem Sidekick des Kaspar-Hauser-ähnlichen Nachwuchses (mit Heu im Haar), die in eine blondierte Miss America verwandelt werden muss, um den prollästhetischen Trump-Ansprüchen zu genügen, hat der Film sein feministisches Überthema gefunden: Das mitgebrachte Frauenbild aus Zentralasien soll die US-Doppelmoral im Umgang mit Sexismus entlarven.

Das funktioniert nach bewährtem Rezept: Borat, der diesmal meist verkleidet auftritt (zu bekannt!), ruft mit seinen Anstößigkeiten kaum Erstaunen hervor. Mann spielt mit. Als Borat einem Ballbesucher einmal auf Nachfrage einen Preis für seine Tochter nennt, faucht dessen eigene "Scheißekelhaft!" – solch Widerspruch ist selten.

Giuliani im Bett

Das Makeover entwickelt so manche Länge, hochgerüttelt wird man allerdings von Fremdschämexzessen wie beim Besuch einer christlichen Frauenklinik, bei der ein eigentlich nur verschlucktes Plastikbaby "weggemacht" werden soll – der inzestuöse Anteil der Geschichte stößt bei dem Berater auf taube Ohren. Dass sich Rudy Giuliani für Tutars Komplimente mit Berührungen revanchiert und sich vor ihr später auf einem Hotelbett fläzt, wurde schon vorab geleakt – eine gut vorbereitete Falle, die zum "Quod erat demonstrandum" des Films wird, vielleicht mit Nachspiel.

Als Rettung für den Film erweist sich der Einbruch des Realen in Form der Corona-Epidemie, weil sie dem Geschehen mehr Resonanz beschert. Sei es Pence, der bei einem Treffen die Gefahr durch das Virus kleinredet, oder Borat selbst, der vor Trump-Anhängern einen Country-Song voller antisemitischer Entgleisungen zum Besten gibt – erst in diesen Momenten erscheinen die USA wie ein Ort, an dem keine Wahrheit mehr etwas gilt. Das ist vielleicht nicht neu, aber trotzdem verstörend. (Dominik Kamalzadeh, 23.10.2020)