Nur acht Prozent aller Arbeitswege werden mit dem Rad zurückgelegt. Je mehr Radabstellplätze es auf dem Firmengelände gibt, desto mehr Beschäftigte satteln um.

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Eine halbe Stunde hin, eine halbe Stunde zurück: So lange dauert der durchschnittliche Arbeitsweg in Österreich. Meist wird er mit dem Auto zurückgelegt. Vor der Corona-Pandemie waren 60 Prozent aller Arbeitswege Autofahrten, zeigen Berechnungen für den Verkehrsclub Österreich (VCÖ) auf Basis einer Erhebung des Verkehrsministeriums. Damit verursachen Arbeitswege mit dem Pkw über 2,8 Millionen Tonnen CO2 jährlich.

Gemeinsam mit Dienstfahrten machen Arbeitswege an Werktagen mehr als die Hälfte des Autoverkehrs in Österreich aus. Lediglich ein Fünftel der Arbeitswege fällt auf den öffentlichen Verkehr, acht Prozent werden zu Fuß und sieben Prozent mit dem Rad zurückgelegt. Und das, obwohl laut VCÖ 57 Prozent der Beschäftigten weniger als zehn Kilometer vom Arbeitsort entfernt wohnen und 37 Prozent einen Weg haben, der kürzer als fünf Kilometer ist – Strecken, die gut mit dem Rad, E-Bike oder öffentlich bewältigt werden können. Jeder zehnte Weg liegt in Gehdistanz. Soll der Klimawandel nicht weiter angeheizt werden, müssen sich die Anteile vergrößern.

Ein Hebel für die Mobilitätswende

Für Christian Gratzer vom VCÖ sind Arbeitswege ein Hebel für die Mobilitätswende: "Wie sie zurückgelegt werden, prägt das Verkehrsverhalten in der Freizeit. Radeln wir oft ins Büro, nutzen wir das Fahrrad auch für Einkäufe oder beim Weg zum Sport." Firmen müssten hier auch mit betrieblichem Mobilitätsmanagement einen Beitrag leisten, um die klimaschädlichen Verkehrsroutinen der Beschäftigten zu durchbrechen. Seit 2005 wird dessen Umsetzung vom Bund gefördert, bis 2018 haben 9200 Betriebe Maßnahmen umgesetzt. Aus Gratzers Sicht sollten es noch mehr werden: "Es wäre gut, wenn jedes Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten Mobilitätsmanagement umsetzt."

Das reicht von Bewusstseinsbildung und Fahrgemeinschaften über Garderoben mit Duschen bis zu an Öffi-Fahrpläne angepassten Arbeitszeiten und Ladestationen für E-Bikes sowie finanziellen Anreizen mit einem Job-Öffiticket oder Benefit-Systemen für aktive Mobilität. Beim Messtechnikhersteller Anton Paar etwa bekommen Radler 1,7 Euro pro Arbeitsweg auf ihr Gehaltskonto gutgeschrieben. In über 40 Firmen können Beschäftigte mit "EcoPoints" Punkte erradeln, mit denen sie Vergünstigungen in Geschäften erhalten. Haberkorn konnte so die Zahl der Parkplätze um 20 Prozent verringern. Parkplätze zu reduzieren sei simpel und wirksam – und senkt Betriebskosten, weiß Gratzer. Gebe es auf dem Firmengelände viele Pkw-, aber wenige Rad-Abstellplätze, kämen mehr mit dem Auto als mit grünen Verkehrsmitteln. Auch ein Firmenwagen verleite dazu. Wichtig sei auch, dass Führungskräfte Vorbilder seien – das steigere die Akzeptanz des Mobilitätsmanagements.

Standortfragen

Ebenso sollte bei Betriebsansiedlungen und -erweiterungen laut Gratzer darauf geachtet werden, dass eine Öffi-Station in Gehweite ist. Er bringt dafür Boehringer-Ingelheim als Beispiel: Für die Erweiterung in Wien-Hetzendorf hat die Pharma-Firma einen Teil des Parkplatzes bebaut, kostenpflichtige Garagenplätze bevorzugt an Pendler vergeben und einen direkten Abgang zur S-Bahn-Station gebaut. Das Resultat: Kam 2016 die Hälfte der Beschäftigten mit dem Auto, waren es zwei Jahre später 30 Prozent.

Dass Dienstreisen durch Videokonferenzen ersetzt werden können, zeigte zuletzt die Corona-Pandemie. Die BKS Bank macht das seit 2014, im Vorjahr wurden mit 710 Videocalls rund 363.000 Kilometer eingespart. Und für viele ist im Homeoffice der Arbeitsweg weggebrochen. Das ist aber nicht nur positiv für die Klimabilanz: Erstens steige der Energieverbrauch zu Hause, und zweitens entstünden Rebound-Effekte, sagt Gratzer. Die Menschen fahren dann eben andere, oft längere Wege mit dem Auto. Gerade in Zeiten des Abstandhaltens hat der Individualverkehr mit Pkw und Rad zugenommen.

Bessere Gesundheit, weniger Stress

Nicht nur Stau in Stoßzeiten und Ausstoß von Treibhausgasen können mit klimafreundlichen Arbeitswegen vermieden werden. Sie sind für die Beschäftigten günstiger, und diese können die Fahrtzeit im Zug besser nutzen als im Auto. Drei Viertel der Bus und Bahn fahrenden Beschäftigten nutzen die Zeit zum Lesen, Im-Internet-Surfen oder Entspannen, ein Fünftel liest Mails oder erstellt Präsentationen, ergab die "mobilTIMES"-Studie. Es sei auch ein Anreiz, diese Zeit als Arbeitszeit zu zählen, sagt Gratzer. Das mache etwa die Uni Klagenfurt seit Herbst.

Zudem vermieden nachhaltige Arbeitswege laut Studien Stress, der oft im Stau entsteht. "Wer in die Arbeit radeln kann, macht Bewegung und baut Stresshormone ab", sagt Gratzer. Bessere Gesundheit der Arbeitnehmer schlägt sich auch positiv für Firmen in weniger Fehltagen nieder. Und auch die Attraktivität als Arbeitgeber steigt, wenn etwa die öffentliche Anbindung gut ist – gerade für jüngere und höher qualifizierte Fachkräfte. (Selina Thaler, 27.10.2020)