Veggiewurst oder Tofu-Burger dürfen sich auch weiterhin nach ihrem fleischhaltigen Original benennen.

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Brüssel – Das EU-Parlament hat sich am Freitag gegen einen neuen Bezeichnungsschutz für Fleisch und Fleischprodukte entschieden. Damit dürfen Hersteller ihre Fleischersatzprodukte weiterhin auch Soja-Schnitzel oder Tofu-Burger nennen.

Fleischlobby machte Druck

Dem Gesetzesentwurf zufolge hätten pflanzliche Lebensmittel keine tierisch anmutenden Bezeichnungen mehr tragen dürfen. Dieser war als Teil der Verordnung zur gemeinsamen Marktorganisation (GMO) im Zuge der Festlegung der Position des EU-Parlaments zur künftigen EU-Agrarpolitik eingebracht worden.

Vor allem Landwirtschaftsverbände hatten massiv Werbung für das Verbot der Fleischbezeichnungen für Ersatzprodukte gemacht, das Vorhaben wurde jedoch innerhalb des EU-Parlaments mit Skepsis gesehen. Auch die österreichischen EU-Abgeordneten sprachen sich bis auf die ÖVP im Vorfeld gegen einen Bezeichnungsschutz für "Burger", "Wurst" und "Schnitzel" aus.

ÖVP bedauert Entscheidung

Die ÖVP-EU-Abgeordnete Simone Schmiedtbauer bedauerte am Freitag in einer ersten Reaktion den Ausgang des Votums. "Wir haben einen funktionierenden Schutz für Milchbezeichnungen, der vom Europäischen Gerichtshof bestätigt wurde. Dass nun auch ein Schutz für Fleischbezeichnungen eingeführt werden sollte, wäre für mich die logische Konsequenz – ganz abgesehen von den Grabenkämpfen, die sich rund um das Thema aufgetan haben", so die ÖVP-Agrarsprecherin im EU-Parlament.

Deswegen sei es "äußerst bedauerlich", dass bei der Abstimmung "eine Allianz zwischen Nahrungsmittelmultis und NGOs gesiegt" habe. "Dabei geht es den Großkonzernen nicht um tierische oder pflanzliche oder gesunde Ernährung, hier geht es rein um Gewinnmaximierung am Lebensmittelmarkt", kritisierte Schmiedtbauer. "Für etablierte Begriffe wie den Veggie-Burger hätte es ohnehin Ausnahmen gegeben."

Der Obmann des Vereins gegen Tierfabriken (VGT), Martin Balluch, hatte im Vorfeld der Abstimmung Wurst- und Fleischbezeichnungen für pflanzliche Alternativen als besonders für Menschen wichtig bezeichnet, die erstmals auf fleischlose Alternativen umzusteigen versuchen.

Gemeinsame Agrarpolitik

Am Nachmittag hat sich dann das Europaparlament auf eine Position für die geplante milliardenschwere EU-Agrarreform verständigt. Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte für die neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) bis 2027. Umweltaktivisten und Naturschützer hatten die Position im Vorfeld heftig kritisiert. Bereits am Mittwoch hatten sich die EU-Staaten auf eine Linie verständigt. Somit können beide Seiten in Kürze Verhandlungen miteinander aufnehmen.

Die Entscheidung des Parlaments sieht nun unter anderem vor, dass künftig 30 Prozent der Direktzahlungen für sogenannte Öko-Regelungen verwendet werden müssen. Die EU-Staaten hatten sich auf 20 Prozent Öko-Regelungen geeinigt. Dies sind Umweltmaßnahmen, die über die Pflicht-Anforderungen für Bauern hinausgehen. Erfüllt sie ein Landwirt, bekommt er zusätzliches Geld.

"Guter Kompromiss"

Der Vorsitzende des Umweltausschusses des EU-Parlaments, Pascal Canfin, erklärte, das Reformpaket sei ein guter Kompromiss. "Das Europäische Parlament hat den Text erheblich verbessert." Fast 100 Milliarden Euro würden darin an die Umgestaltung der Landwirtschaft fließen, so Canfin.

Der Agrarsektor ist der größte Posten im EU-Budget und für einen großen Teil der Treibhausgasemissionen der EU verantwortlich. Für die kommenden sieben Jahre haben die EU-Staaten rund 387 Milliarden Euro vorgesehen. Die EU-Kommission hatte 2018 eine Reform für die Jahre 2021 bis 2027 vorgeschlagen. Weil bis 2021 und 2022 noch eine Übergangsphase gilt, wird sich tatsächlich wohl erst 2023 etwas ändern.

Ebenfalls in dieser Woche hatten sich die EU-Staaten auf eine Linie verständigt. Naturschützer kritisierten den Beschluss als völlig unzureichend. (APA, red, 23.10.2020)