Noch vor Jahreswechsel will Alma Zadić ein neues Insolvenzrecht sowie Reformen im Korruptionsstrafrecht präsentieren.

Cremer

Im Justizministerium ist es merkwürdig still. Auf dem Weg ins Büro der Ministerin begegnet man keinem Mitarbeiter auf dem Gang, im Lift darf nur eine Person fahren. Nähert man sich dem Arbeitsplatz der Ministerin, beginnt jedoch reges Treiben. Wenig zu tun hat Alma Zadić nicht, schwanger ist sie außerdem auch. "Kurzatmig bin ich geworden", sagt sie dazu, man solle langsamere Antworten im Interview entschuldigen. Fenster auf, Maske ab, dann geht es los.

STANDARD: Wie oft hat die ÖVP Sie bislang gebeten, in Ermittlungen zu intervenieren?

Zadić: (lacht) Kein einziges Mal.

STANDARD: Und wie oft sind Sie im Justizministerium heimlich während Besprechungen aufgenommen worden?

Zadić: Ich habe größtes Vertrauen, dass das nie der Fall war.

STANDARD: Der Grund der Fragen ist, dass der Justiz solche Vorgänge von der Opposition vorgeworfen werden, auch von Ihrem Ex-Parteichef.

Zadić: Jetzt muss ich kurz nachdenken.

STANDARD: Peter Pilz ist gemeint. Irren er und Ihre früheren Oppositionskollegen?

Zadić: Als ich in dieses Amt gekommen bin, war eines der wichtigsten Ziele, mir die Struktur anzuschauen: Was funktioniert bei Großverfahren gut, was weniger gut. Wir haben sehr bald die Sektionsteilung verkündet, weil es mir wichtig war, die innere Gewaltenteilung wiederherzustellen.

STANDARD: Die sogenannte Entmachtung von Sektionschef Christian Pilnacek.

Zadić: Da ging es um eine strukturelle Reform. Die Person, die mit den Staatsanwaltschaften arbeitet, sollte nicht gleichzeitig legistische Großprojekte betreuen, wo sie mit Politikern zu tun hat. Wir haben uns außerdem darauf geeinigt, Berichtspflichten zu reduzieren, damit die unabhängige Arbeit der Staatsanwälte gestärkt wird – und wir haben Personal aufgestockt.

STANDARD: Die ÖVP bleibt weiterhin bei ihrer Kritik an der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Gibt es da Reformbedarf?

Zadić: Notwendig ist eine Aufstockung – wir haben in der WKStA schon für zehn Prozent mehr Personal gesorgt. Es braucht auch mehr behördeninterne Experten, die an diesen komplexen Causen intern mitarbeiten. Von Wünschen, Wirtschaftsdelikte aus der WKStA zu nehmen, halte ich nichts – es ergibt Sinn, das gemeinsam mit Korruption zu behandeln.

STANDARD: Die WKStA sprach mit Blick auf das Ibiza-Video selbst von "Gesetzeslücken". Wird hier nachgeschärft?

Zadić: Wir haben uns das Korruptionsstrafrecht angeschaut und festgestellt, dass es hier einige Gesetzeslücken gibt. Beispielsweise der Mandatskauf oder Versprechen künftiger Mandatsträger. Wir sind dabei, diese Gesetzesmaterie auszuarbeiten. Wir hoffen, das heuer auf den Weg zu bringen.

Alma Zadić (Grüne) ist seit Jänner 2020 Justizministerin. Im Jänner 2021 erwartet sie ihr erstes Kind, bis dahin hat sie noch viel vor.
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STANDARD: Heuer kommen soll auch das Transparenzpaket. Um das ist es aber recht still geworden?

Zadić: Es ist mir ein großes Anliegen, das hier etwas weitergeht. Es handelt sich um Verfassungsmaterie und um ein sehr umfassendes Gesetz mit vielen Betroffenen: von den Gemeinden über die Länder bis zum Bund.

STANDARD: Das Gesetzespaket gegen Hass im Netz ist dafür ja recht schnell gekommen.

Zadić: Obwohl wir an vielen Schrauben gedreht haben, statt nur einzelne Maßnahmen umzusetzen. Wichtig war mir vor allem, die private Rechtsdurchsetzung zu verstärken. Deswegen gibt es jetzt das Eilverfahren, wo Betroffene beim Bezirksgericht rasch einen Antrag auf Unterlassung stellen können.

STANDARD: Das lässt Gerichte befürchten, dass sie mit Arbeit geflutet werden.

Zadić: Wir werden uns das ganz genau anschauen. Derzeit erarbeiten wir ein automationsgestütztes Formular, das eingereicht wird, und der Richter prüft dann die Plausibilität des Vorwurfs.

STANDARD: Dass Betroffene ohne Anwalt im Privatrecht aktiv werden können, war bislang selten. Ist das Recht zu abstrakt?

Zadić: Tatsächlich ist die Sprache der Justiz eine komplexe. Wir möchten den Versuch starten, die Sprache zu vereinfachen, hier gibt es Vorbilder in Deutschland. Wir starten jetzt mit Justiz online. Hier geben wir den Menschen die Möglichkeit, zum Beispiel ihren Verfahrensstand abzufragen – alles mit dem Ziel, das Recht näher zum Menschen zu bringen.

STANDARD: Dazu gehört ja auch die Frage, ob die Staatsanwaltschaften ausreichend kommunizieren – und kommunizieren dürfen.

Zadić: Seitens der Justiz kommunizieren wir teilweise zu wenig, teils zu komplex. Es ist mir ein Anliegen, hier die Kommunikation zu stärken, damit die Bürger verstehen: Worum geht es in einem Verfahren, was wurde entschieden? Die Justiz muss erklären, was sie gerade tut. Das ist wichtig für den Rechtsstaat.

STANDARD: Bezüglich langer Verfahren geriet die Justiz vonseiten der ÖVP ja ziemlich unter Beschuss. Wie ist das Koalitionsklima derzeit?

Zadić: Wir haben Projekte in meinem Ressort, die wir gemeinsam vorantreiben – Hass im Netz, Insolvenzrecht –, da gibt es Überschneidungen, wo wir gut und eng zusammenarbeiten. Ich finde es wegen der Corona-Pandemie auch wichtig, dass ein breites gesellschaftliches Spektrum in der Regierung abgebildet ist.

STANDARD: Wie soll das neue Insolvenzrecht aussehen?

Zadić: Das wird eine Gesamtreform des Insolvenzrechts, weil viele Unternehmen im Zuge der Corona-Krise vor Insolvenzen stehen. Die Insolvenzantragspflicht wurde jetzt bis Ende Jänner ausgesetzt. Nachdem diese Corona-bedingte Aussetzung ausläuft, rechnen wir mit einer verstärkten Anzahl von Insolvenzanträgen. Bis dahin wollen wir das Insolvenzrecht so reformieren, dass die Entschuldung beschleunigt wird – das passiert künftig binnen drei Jahren, nicht mehr binnen fünf.

STANDARD: Auch die "zweite Chance" soll kommen: Was ist darunter zu verstehen?

Zadić: Droht eine Insolvenz, unterstützt das Gericht ein Unternehmen bei der Restrukturierung. Wir glauben, dass wir so Unternehmern helfen, schneller wieder Fuß zu fassen, Gläubiger zu ihrem Geld kommen und gleichzeitig Arbeitsplätze erhalten werden.

STANDARD: Sie haben sich über das Justizbudget gefreut. Sind damit große Sprünge möglich?

Zadić: In den vergangenen Jahren war es immer so, dass man auf Rücklagen zugreifen musste, um den Betrieb zu decken. Mit den 165 Millionen Euro vom Jahresbeginn haben wir es geschafft, diese Budgetlöcher zu stopfen. Mit den 65 Millionen, die wir jetzt bekommen, können wir einige Projekte vorantreiben, etwa im Bereich der Justizanstalten. (Fabian Schmid, 23.10.2020)


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Lässt sich eine neuerliche Stilllegung des Landes verhindern – und wenn ja, wie? Diese Frage stand im Zentrum des Videotalks "STANDARD mitreden" mit Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP), dem Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) und der Ökonomin und Gesundheitsexpertin Maria Hofmarcher.
DER STANDARD