Der Geiger Maxim Vengerov gibt als Zugabe Sebastian Bachs "Sarabande" zum Besten.

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Wien – Er widme die Zugabe dem Wunsch nach Frieden in der Welt, sagte der Geiger Maxim Vengerov, ehe er zu Johann Sebastian Bachs Sarabande aus der d-Moll-Partita anhob: leise, eindringlich, verinnerlicht und hochpräsent, mit innigem Gefühl und doch ungeheurer Klarheit der aufgefächerten Strukturen. Zuvor hatte er sich in der Mitte eines ansonsten rein russischen Programms der Wiener Symphoniker im Wiener Konzerthaus um ein Werk bemüht, das ein krasses Gegenteil zu Bachs wohlgeordneter Welt darstellte.

Im Zentrum von Dmitri Schostakowitschs erstem Violinkonzert a-moll steht ein wiederholter Aufschrei, von dem sein Biograf Bernd Feuchtner meinte, dass hier die "Angst einer ganzen Epoche" zu spüren sei. Der Komponist gab dem dritten Satz die barocke Form der Passacaglia und ließ diese, wie um das notwendige Scheitern dieser Form in der Mitte des 20. Jahrhunderts demonstrativ zu erzwingen, in eine Solokadenz münden, wo jedwede Ordnung durch brüllenden Schmerz zerstört wird. Vengerov machte das ebenso schonungslos deutlich wie den unüberbrückbaren Abgrund zur klagenden Kantabilität – und zur sarkastischen Heiterkeit, der wie immer bei Schostakowitsch gebührender Raum zukommt.

Am Pult der Wiener Symphoniker debütierte an diesem Donnerstagabend der 39-jährige Stanislav Kochanovsky und zeigte mindestens so viel Elan wie genauen Klangsinn: Diabolisch und rau war Modest Mussorgskis Nacht auf dem kahlen Berge (1867), subtil austariert Peter Iljitsch Tschaikowskys vierte Symphonie mit schlüssigen Tempowechseln, herrlich hervortretenden Nebenstimmen in einem – nicht nur im freudig huschenden Scherzo – fulminant spielfreudigen Orchester. Dankbarer Applaus. (Daniel Ender, 23.10.2020)