Foto: Matthias Cremer

Wien – Rekorde und Superlative, dafür sorgt die Causa Commerzialbank Mattersburg allenthalben. Von der Bilanzsumme (rund 800 Millionen Euro) waren 569 Mio. erfunden, das Institut brach unter einer Schuldenlast von fast 870 Mio. Euro zusammen. Die Insolvenz ist die drittgrößte in der Geschichte der Zweiten Republik, nur jene von Konsum Österreich und Alpine waren größer. Die Einlagensicherung hat 489 Mio. Euro an die Sparer ausbezahlt (bis zu 100.000 Euro pro Kunde sind bei der Pleite einer Bank gesichert) und eine entsprechende Forderung im Konkursverfahren angemeldet: größte Forderungsanmeldung seit 1945.

Die früheren Bankmanager, Martin Pucher und Frau K., haben gestanden, jahrzehntelang Kredite erfunden und einen geheimen Geldkreislauf befüllt zu haben. Zudem gab Pucher das Geld für die Lebenserhaltung kaputter Firmen und Sponsoring aus, vor allem für den Fußballverein SV Mattersburg; auch der ist jetzt pleite. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Sparbücher im Koffer

Allerdings gab es in der Bank auch ziemlich viele Sparbücher: fast 40.000 Stück – angesichts der Kleinheit der Bank unerhört viele.

Rund tausend davon waren Namenssparbücher, ungefähr 2500 legten Pucher und K. an, gefunden wurden die in einem Koffer in der Bank. 36.500 waren Überbringersparbücher (maximal 15.000 Euro): Das Geld kann holen, wer das Sparbuch hat und ein allfälliges Losungswort weiß.

Bei der Einlagensicherung müssen sich diejenigen, die ihre maximal 100.000 Euro (im Ausnahmefall bis zu 500.000 Euro) beanspruchen, ausweisen, das Geld kann dann nur auf das Konto einer anderen Bank überwiesen werden, bar gibt’s nichts. Zum Teil lagen auf den Commerzialbank-Sparbüchern Minibeträge, auch noch in Schilling.

Etliche Sparbücher stammten noch aus der Zeit, als Exbankchef Martin Pucher im Raiffeisensektor tätig war.
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Einlagensicherung zahlte flott aus

Die Einlagensicherung (ESA), deren Fonds von den Mitgliedsbanken dotiert wird, zahlte sehr rasch und sehr großzügig aus, kommentiert ein Experte. Allerdings: Von den 489 Mio. Euro, die die ESA dann in der Insolvenz angemeldet hat, hat Masseverwalter Kosch & Partner vorerst nur 144 Mio. Euro anerkannt.

Rund 320 Mio. davon betrafen auch die Entschädigung für Überbringersparbücher – und da habe die ESA schon "den einen oder anderen Graubereich akzeptiert", wie ein Involvierter zum STANDARD sagt. Sehr oft sei möglicherweise nicht an den letzten legitimierten Inhaber ausbezahlt worden, die in diesem Fall nötige Überprüfung dürfte schnell vonstatten gegangen sein. Jedenfalls prüft nun der Masseverwalter, ob die Forderung der ESA zurecht besteht – was nur dann der Fall ist, wenn die Einlagensicherung auch auszahlen durfte.

Die unausgesprochene Frage dahinter: Haben da vielleicht Kunden, die mehrere Überbringersparbücher ihr eigen nannten, andere vorgeschickt, um das abgesicherte Geld zu bekommen? Sicher ist nur, dass viele Commerzialbank-Kunden jeweils viele Sparbücher hatten. 280 anonyme Sparbücher etwa besaß die Frau eines verstorbenen Aufsichtsratsmitglieds; das soll aber der Rekord gewesen sein.

Geldwäscheverdacht

Zudem gibt es den Verdacht, Banker bzw. Exaufsichtratsmitglieder hätten Geld gewaschen: Bargeld von gutbetuchten Kunden geholt und zu Pucher in die Bank gebracht. Die Frage, die nun manche stellen: Könnte es sein, dass ein Teil davon ins Sponsoring floss und ein Teil gestückelt auf Überbringersparbüchern landete? Und die Profiteure nun auch noch teilweise entschädigt wurden? Die Ermittler sollen sich das jedenfalls anschauen.

ESA-Geschäftsführer Stefan Tacke räumt schon ein, dass die Zahl der Überbringersparbücher "auffällig hoch" sei, das sei aber weder suspekt, noch etwas Verbotenes. Wahrscheinlich sei das Produkt Überbringersparbuch oft verkauft worden, dort, im ländlichen Raum. Und: Auch wenn jemand, wie bei der Commerzialbank oft der Fall, 15 bis 20 Sparbücher habe, stehe der nicht unter Generalverdacht.

Noch 150 Millionen in Einlagensicherung

Zudem gehe die ESA davon aus, dass die Banken ihren Prüfpflichten bei der Eröffnung von Sparbüchern nachgehen. Die ESA selbst prüft die Datensätze ihrer Mitgliedsbanken vierteljährlich, kannte daher auch die Zahl der Sparbücher in der Commerzialbank, so Tacke. Er geht davon aus, dass die Forderungen im Insolvenzverfahren anerkannt werden. Im Topf der Einlagensicherung liegen übrigens noch 150 Mio. Euro. (Renate Graber, 24.10.2020)


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