Das Herumfuhrwerken der Regierung bei den gesundheitsrelevanten Maßnahmen gegen Corona ist die eine Sache. Das Vertrauen in die Kompetenz der handelnden Personen – Kanzler Sebastian Kurz, aber auch Gesundheitsminister Rudolf Anschober – ist im Bröckeln. Mehr und mehr stellen sich zwei Fragen: Können die Türkisen mehr als Inszenierung und Klientelbevorzugung? Und: Was ist im grünen Gesundheitsministerium fachlich los?

Die andere Sache ist die drohende Wirtschaftskrise und ihre Bekämpfung. Der drohende Ausfall der Wintersaison im Tourismus, drohende Halb- oder Ganz-Lockdowns, Exporteinbrüche, steigende Arbeitslosigkeit usw. verlangen nach Maßnahmen. Die die Regierung nach der Devise "koste es, was es wolle" ja auch gesetzt hat: Die Kurzarbeit, praktisch also Lohnsubventionen, hat viele Firmen über Wasser gehalten. Steuerstundungen, Kredithilfe und der Härtefallfonds pumpen Liquidität in die Wirtschaft. Es gibt Versäumnisse, Bürokratie, späte und intransparente Auszahlungen, aber immerhin geschieht etwas. Dennoch müsste die Zeit der Ad-hoc-Maßnahmen jetzt allmählich vorbei sein. Die Regierung – Kanzler Kurz, Finanzminister Gernot Blümel – ist noch nicht mit einem gesamtwirtschaftlichen Krisenkonzept an die Öffentlichkeit gegangen.

Der Ex-Politiker und Industrielle Hannes Androsch sagt, die Rezepte lägen auf dem Tisch.
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Ein bekannter Ex-Politiker und Industrieller, nämlich Hannes Androsch, fällt im Gespräch für diese Kolumne das harte Urteil: "Die können das Handwerk nicht!" Androsch spricht mit einiger Autorität und Legitimation, denn als junger Finanzminister hat er vor fast 50 Jahren die Folgen der Ölkrise mit einem massiven Konjunkturprogramm auf Schulden erfolgreich bekämpft und danach eine Unternehmensgruppe aufgebaut, die er immer noch führt.

Ankurbelung der Gesamtnachfrage

Androsch sagt, die Rezepte lägen auf dem Tisch: Einerseits müsse der Staat ein Investitionsprogramm auflegen, "Kasernen, Schulen renovieren und ausbauen, 5G ausbauen, ein Fünftel der Gemeinden hat immer noch keinen gescheiten Internetanschluss, usw. Das Motto müsse sein: "Aufträge braucht das Land".

Das Zweite sei die Ankurbelung der Gesamtnachfrage. Bei einem Gang durch die Innenstädte könne man schon reihenweise zugesperrte Kleingeschäfte sehen. Nicht nur die Gastronomie und Hotellerie, auch kleine Dienstleister seien schwer getroffen: "Die Leute geben nichts aus." Daher sei es auch fraglich, ob man "Helikopter-Geld" über die Bevölkerung ausschütten solle, denn in der Krise würden die Leute das eher aufs Sparbuch legen. Die Sparquote sei bereits gestiegen. Androsch plädiert daher eher für Gutscheine nach dem Vorbild Wiens.

Und die Schulden, die man seinerzeit dem Androsch/Kreisky-Kurs des "Austrokeynesianismus" vorgeworfen hat? Nun, Staatsbankrott hat es keinen gegeben. Vor allem aber sind die Zinsen heute nicht existent, und es gibt einen weltweiten Kapitalüberschuss.

Androsch stellt die Frage in den Raum, ob das alles "mit der jetzigen Mannschaft" geht. Kurz lässt sich mit dem ÖGB- und dem Wirtschaftskammer-Präsidenten im Schweizerhaus fotografieren, aber ist daraus ein Pakt zur Krisenbekämpfung geworden, der Regierung, Sozialpartner und Opposition einbezieht?

Als Anfang der 80er-Jahre die verstaatlichten Banken in eine Schieflage gerieten und die verstaatlichte Industrie praktisch pleite war, wurde von der SPÖ-Regierung die damalige Oppositionspartei ÖVP selbstverständlich einbezogen, um eine möglichst breite Basis für den Staatszuschuss zu bekommen. (Hans Rauscher, 25.10.2020)