Das AMS erhält zusätzlich 700 Millionen für Weiterbildung. Für den Zuschuss zum Arbeitslosengeld fließen voraussichtlich knapp 400 Millionen.

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Reisewarnungen für weite Teile Österreichs, begrenzte Teilnehmer- und Zuschauerzahlen, frühere Sperrstunden und der Ausblick auf weitere Einschränkungen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens dämpfen landesweit die Konsumlaune. Das alles schlägt sich negativ am Arbeitsmarkt nieder. Diese Woche waren 4000 Personen mehr auf Jobsuche als in der Woche davor. Über 400.000 Österreicher sind derzeit beim Arbeitsmarktservice (AMS) gemeldet – um gut 70.000 mehr als vor einem Jahr.

Das Arbeitslosengeld ist in Österreich im EU-Vergleich anfänglich niedrig. Mit Zulagen erhalten Geringverdiener rund 60 Prozent ihres Gehalts. Der Alpenländische Kreditorenverband warnt aufgrund der Situation von einem "exorbitanten Anstieg" verschuldeter Haushalte.

Die Regierung versucht mit mehreren Maßnahmen, wie der Kurzarbeit, die Arbeitslosigkeit gering zu halten. Wer trotzdem seinen Job im Laufe der Corona-Krise verlor, erhielt einen Zuschuss zum Arbeitslosengeld. Alle, die zwischen Mai und August zumindest 60 Tage arbeitslos waren, erhielten bis zu 450 Euro. Dieser Bonus soll nun bis Jahresende verlängert werden, wie Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) diese Woche angekündigte. Kritik kam von der SPÖ, die eine generelle Erhöhung des Arbeitslosengeldes fordert.

Geätzt wurde aber auch aus den Reihen des Koalitionspartners. Völlig "abstrus" sei es in der jetzigen Zeit, weiteres Geld auszuschütten, sagt ÖVP-Abgeordnete Carmen Jeitler-Cincelli auf Facebook. Es sei nicht richtig, auch Langzeitarbeitslose in der Hängematte zusätzlich zu verwöhnen, kritisiert die Generalsekretärin des Wirtschaftsbundes. Sie erwartet sich mehr Treffsicherheit der Maßnahme. Spricht tatsächlich etwas gegen den Bonus?

Für

Dass im Zuge der Milliardenhilfen der Regierung knapp 400 Millionen Euro an Arbeitslose fließen, liegt auf der Hand. Immerhin steckt Österreich in der schwersten Wirtschaftskrise der Zweiten Republik. Zumal es nicht strukturelle Ursachen wie digitaler Wandel oder die Kräfte eines freien Wettbewerbs waren, die die Arbeitswelt auf den Kopf stellten. Stattdessen trafen ein Lockdown und diverse gesetzliche Einschränkungen weite Teile der Wirtschaft, die in normalen Zeiten gesund gewachsen wären. Somit ist es hinfällig, vor mangelnden Anreizen zu warnen, wenn Jobsuchende mehr Geld erhalten. Wer im Städtetourismus, im Reisebüro, in der Eventszene oder im Nachtclub sein Brot verdiente, wird auf wenige Stelleninserate treffen.

Auch AMS-Vorstand Johannes Kopf fand lobende Worte für die Maßnahme: "Ich halte das für eine gute Lösung, um einerseits Menschen in dieser schwierigen Situation noch vor Weihnachten finanziell zu unterstützen und andererseits nicht durch eine generelle Anhebung des Arbeitslosengeldes das sensible Gefüge zwischen sozialer Absicherung und Erhalt des Arbeitsanreizes leichtfertig zu destabilisieren", teilt er dem STANDARD mit.

Das Geld für Arbeitslose mindert Armut. Denn es sind am häufigsten Niedrigverdiener, die ihren Job verlieren. Rund die Hälfte der Arbeitslosen hat maximal Pflichtschulabschluss. Hier gibt es Potenzial für Weiterbildung. Dafür stehen bereits rund 700 Millionen Euro bereit – mehr, als das AMS sofort ausgeben kann.

Außerdem stützt es die Konjunktur, wenn die Kaufkraft hunderttausender Menschen steigt. Vor allem Geringverdiener geben das Geld gezwungenermaßen wieder aus. In den USA hat sich gezeigt, dass der Hebel durch temporär höheres Arbeitslosengeld enorm war: Das Economic Policy Institute schätzt, dass die Hilfsgelder in den mittleren Quartalen 2021 die Wirtschaftsleistung um 3,7 Prozent anschoben. Mit 600 Dollar pro Woche hatte das US-Programm freilich eine andere Dimension. Doch jeder positive Impuls ist willkommen, zumal es ein Nebeneffekt einer wichtigen sozialen Maßnahme ist.

Wider

Auf den ersten Blick ist es naheliegend in Krisenzeiten, Arbeitslose mit Hilfsgeldern zu unterstützen. Doch stellt sich dabei die Frage, welche Anreize damit geschaffen werden. Einige Ökonomen geben zu bedenken, dass höheres Arbeitslosengeld – insbesondere in Kombination mit geringfügigen Einkommen – dazu führen kann, dass Betroffene weniger Geld zur Verfügung hätten, nähmen sie eine Stelle an. Droht das auch in Fall eines monatlichen Corona-Bonus von 150 Euro?

Der Corona-Wirtschaftseinbruch ist besonders, weil ihn der Staat künstlich durch Einschränkungen hervorgerufen hat. Damit schoss die Zahl der Arbeitslosen in die Höhe, doch zeichnete sich eine krasse Spaltung nach Bereichen ab. Im Lebensmittelhandel und bei Drogerien stiegen Umsätze, manche Produzenten von wichtigen Gesundheits- und Hygieneartikeln brauchten auf einmal doppelt so viel Mitarbeiter. In der Kinderbetreuung mangelt es an Personal, wenn Mitarbeiter in Quarantäne müssen.

Der Job des Contact-Tracers entstand über Nacht, und es fehlen Hunderte davon, wie Berichte von langen Wartezeiten bezeugten. Bei einem Verdienst von 1100 bis 1800 Euro brutto für die oft undankbare Arbeit, Leuten nachzutelefonieren, sind 150 Euro Zuschuss eventuell das Zünglein an der Waage, um das Stellenangebot abzulehnen. Ein Contact-Tracer-Bonus wäre zielführender, lautet das Argument.

Ein weiterer Einwand gegen einen Zuschuss für Arbeitslose ist der begrenzte Effekt auf die Konjunktur. Immerhin kostete die Maßnahme für die ersten drei Monate 180 Millionen Euro. Laut befragten Ökonomen wäre ein Anschub von Investitionen effektiver, vor allem in jenen Zeiten, in denen die Einschränkungen der Regierung einen Sparzwang auslösen, weil Geschäfte und Lokale zu sind.

Ein letzter Kritikpunkt: Sollte der Bonus für Arbeitslose regelmäßig verlängert werden, könnte er sich als höheres Arbeitslosengeld auf Dauer etablieren. Das würde den Spielraum nehmen, um das System grundlegend zu reformieren, um Anreize und Leistungen über die Bezugsdauer hinweg besser in Einklang zu bringen. (Leopold Stefan, 24.10.2020)