(Symbolbild) Plenarsitzung des EU-Parlaments.

Foto: EPA/ OLIVIER HOSLET

EU-weit/Wien/Brüssel – Ungeachtet der Kritik von Umweltaktivisten und Naturschutzverbänden hat das Europaparlament seine Position zur geplanten milliardenschweren EU-Agrarreform verabschiedet. Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte am Freitag einem Kompromiss zu, der Ergebnis mehrerer Abstimmungsrunden diese Woche war. Bereits am Mittwoch hatten sich die EU-Staaten auf eine Linie verständigt. Somit können Parlament und Mitgliedsstaaten in Kürze Verhandlungen miteinander über die Reform aufnehmen.

425 Abgeordnete stimmten schließlich für den zentralen Vorschlag, 212 dagegen und 51 enthielten sich. Da das EU-Parlament damit seine Position zur künftigen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) damit festgelegt hat, können die Trilog-Verhandlungen mit dem EU-Rat und der EU-Kommission beginnen.

30 Prozent Öko-Regelungen geknüpft

Die Entscheidung des Parlaments sieht vor, dass künftig 30 Prozent der Direktzahlungen für Öko-Regelungen reserviert werden. Allerdings falle das Parlament bei den Bedingungen und der Qualität der sogenannten Eco-Schemes noch hinter die Position der EU-Staaten zurück, kritisierte der Naturschutzbund Deutschland. Die EU-Staaten hatten sich auf 20 Prozent Öko-Regelungen geeinigt. Dies sind Umweltmaßnahmen, die über die Pflicht-Anforderungen für Bauern hinausgehen. Erfüllt ein Landwirt sie, bekommt er zusätzliches Geld.

Weiter sieht der Vorschlag vor, dass die EU-Staaten selbst keine höheren Standards etwa beim Tier- und Umweltschutz setzen dürfen. So sollen gleiche Wettbewerbsbedingungen garantiert werden.

Im Vorschlag des Parlaments ist zudem festgehalten, dass vier Prozent der Direktzahlungen für die Unterstützung von Junglandwirten verwendet werden sollen. Wer den EU-Anforderungen nicht nachkommt, soll dem Entwurf zufolge härter bestraft werden: Bis zu zehn Prozent der Ansprüche sollen gekürzt werden dürfen. Bisher sind es fünf Prozent.

Kritik von Umweltschützern und Grünen

Zur Förderung der Artenvielfalt sieht die Parlamentsposition vor, dass mindestens fünf Prozent der landwirtschaftlichen Fläche eines jeden Betriebes nicht bewirtschaftet werden dürfen. Sie sollen brachliegen, um Pflanzen und Tieren Gelegenheit zu geben, sich dort anzusiedeln.

Der österreichische Grünen-Abgeordnete Thomas Waitz kritisierte, die Formulierung sei zu vage. Letztlich seien darin nur der Einsatz von Dünger und Pestiziden untersagt. Es gebe wenige Auflagen für Tierschutz und Umweltschutz. "Da wird rückwärtsgewandte Scheuklappenpolitik praktiziert, als gäbe es kein Morgen", bekräftigte die Grüne EU-Abgeordnete Sarah Wiener Donnerstagnachmittag in einer Aussendung. "Lediglich 30 Prozent der Direkthilfen sollen an umweltfreundliche Landwirtschafts-Maßnahmen geknüpft sein – und das zudem freiwillig." Besonders enttäuschend sei, dass weiterhin die Mehrheit der Gelder nach Hektar vergeben würden, wodurch Klein- und Mittelbetriebe, die den Großteil der österreichischen Bauernhöfe ausmachten, "klar benachteiligt werden".

"Statt Klima und Artenvielfalt werden weiter die Profitinteressen der Agrarmultis und exportorientierten Lebensmittelindustrie geschützt", sagte Alexandra Strickner von Attac Österreich. Das Ziel billig zu produzieren und auf den Weltmarkt zu exportieren stehe weiter an erster Stelle der GAP – das zeige etwa die Beibehaltung von Direktzahlungen pro Fläche.

ÖVP und Bauernbund zufrieden

Der Vorsitzende des Umweltausschusses des EU-Parlaments, Pascal Canfin, erklärte hingegen, das Reformpaket sei ein guter Kompromiss. "Das Europäische Parlament hat den Text erheblich verbessert." Zufrieden ist offenbar auch die ÖVP. "Die starke Stimme der Realität hat gesiegt", so Simone Schmiedtbauer, Agrarsprecherin der ÖVP im Europaparlament. Die Europäische Volkspartei als Vertreter der Landwirte und der ländlichen Regionen habe einen ausgewogeneren Ansatz durchsetzen können, bei dem neben den Leistungen für Klima und Umwelt auch ökonomische und sozioökonomische Ziele nicht unter den Tisch gekehrt worden seien. "In letzter Minute ist es auch gelungen, die Förderung für die Bergbauern und die Almwirtschaft in der Parlamentsposition zur GAP abzusichern", betonte die Politikerin.

Trotz vieler Hürden in den vergangenen Monaten hätten sich die Vertreter der Landwirtschaft und der ländlichen Regionen mit einem realitätsnahen Konzept durchsetzen können, hieß es seitens des Bauernbunds Österreich. "Wir haben es geschafft, einen Weg einzuschlagen, wo Klima- und Umweltschutz eine große Rolle spielen, die ökonomische Komponente aber nicht zu kurz kommt", so Bauernbund-Präsident Georg Strasser in einer ersten Reaktion. Der ökosoziale Weg, den Österreich schon seit Jahren gehe, habe sich nun auch auf europäischer Ebene mehrheitlich durchgesetzt.

Die Agrar-Subventionen sind der größte Posten im EU-Budget und für einen großen Teil der EU-Treibhausgasemissionen verantwortlich. Für die kommenden sieben Jahre haben die EU-Staaten rund 387 Milliarden Euro vorgesehen. Die EU-Kommission hatte 2018 eine Reform für die Jahre 2021 bis 2027 vorgeschlagen. Weil bis 2021 und 2022 bereits eine Übergangsphase gilt, wird sich erst ab 2023 etwas ändern. (APA, 23.10.2020)