Milliardär René Benko wurde bei seinen Antworten teilweise von der ÖVP unterbrochen

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Wie stellt sich die Volkspartei die Befragung von Milliardären und Multimillionären in einem U-Ausschuss vor? Ginge es nach dem türkisen Abgeordneten Ernst Gödl, bliebe es oberflächlich und höflich. Er lobte den Immobilientycoon René Benko für dessen "beeindruckenden Werdegang", um dann lapidar die einzelnen Beweisthemen abzufragen: "Haben Sie zum Beweisthema sechs irgendwelche Wahrnehmungen, über die Sie uns Auskunft geben können?" und so weiter und so fort. Dann kommen Fragen wie: "Warum ist es aus Ihrer Sicht auch wichtig, dass man als Unternehmer Kontakt zur Politik hat?" Ziel von Gödl sei es, sagt er erstaunlich offen, "herauszuarbeiten, dass es eigentlich etwas fast Selbstverständliches ist."

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Der aktive Vorsitzende

Das Problem der ÖVP: Die anderen Parteien hatten nicht vor, Softball mit den türkisen Spendern und Beratern zu spielen. Hier kam die bereits aus dem Sommer bekannte Taktik ins Spiel, die unter anderem bereits bei den Befragungen von Kanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel (beide ÖVP) exzessiv zur Anwendung kam: Ein ÖVP-Abgeordneter unterbricht den Fragefluss, um eine Geschäftsordnungsdebatte loszutreten, in die sich dann der – im Unterschied zu seinen eigenen Aussagen doch sehr aktive – Vorsitzende Wolfgang Sobotka (ÖVP) einschaltet. Der Verfahrensrichter gerät so unter Druck und entscheidet im Zweifel meist im Sinne der Auskunftsperson.

Dadurch werden Fragestellungen unterbunden, die eigentlich klar in den Untersuchungsgegenstand fallen. Ein Beispiel dafür ist die Postsparkasse, die 2014 von Benkos Signa um 150 Millionen Euro von der Bawag gekauft wurde. Im Herbst 2019 schloss dann die staatliche Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) einen 99-jährigen Mietvertrag mit der Signa ab, die Immobilie wurde nun plötzlich mit einer Pfandurkunde von 250 Millionen Euro im Grundbuch eingetragen. Es erfolgte also durch ein Geschäft mit der BIG, das offenbar vor Herbst 2019 vorbereitet wurde, eine deutliche Wertsteigerung für Benkos Immobilie. Dazu will die grüne Fraktionsführerin Nina Tomaselli Fragen stellen, das wird ihr aber unmöglich gemacht.

Normalerweise wendet sich die Auskunftsperson an den Verfahrensanwalt, der dann die Zulässigkeit von Fragen bestreitet. Hier greift Sobotka aktiv ein: "Herr Verfahrensrichter, hat das etwas mit dem Untersuchungsgegenstand zu tun? Herr Verfahrensrichter, bitte!" Obwohl die "Begünstigung von Dritten" durch Handlungen der Bundesregierung klar Beweisthema ist – so waren Immobiliengeschäfte von BIG und Töchterfirmen schon oft Thema – will der "keinen Zusammenhang" erkennen.

Es beginnt eine langwierige Geschäftsordnungsdebatte, in der SPÖ und FPÖ ihre grüne Kollegin lautstark unterstützen. Sobotka fragt weiterhin nur, worin Benko begünstigt ist – obwohl klar ist, dass dessen Immobilie eine deutliche Wertsteigerung durch staatliches Handeln erreicht hat. Der ÖVP-Abgeordnete Klaus Fürlinger – der einst vorschlug, die Staatsanwaltschaft solle gegen die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper ermitteln – meint dann, man könne das Thema auch "bis zur Unterhosengröße der Auskunftsperson ausdehnen".

"Service-orientierte Verwaltung"

Auch bei Fragen zum Kauf des Leiner-Hauses in der Mariahilferstraße, das zwischen Weihnachten und Neujahr 2017 unter Involvierung von Sebastian Kurz und Justizminister Josef Moser (ÖVP) von einer Benko-Privatstiftung erworben wurde, wird eine ähnliche Strategie gefahren. Kern der Frage ist hier, ob es die Bundesregierung Benko ermöglicht hat, besonders rasch zu einem Grundbucheintrag zu kommen. Laut "Addendum" wurde extra ein Bezirksgericht aufgesperrt, Benko dementiert das. Ein Kurz-Sprecher nannte das damals selbst "service-orientierte Verwaltung".

Auch hier mischt sich Sobotka aktiv in die Befragung ein. Als der FPÖ-Abgeordnete Christian Hafenecker fragt, ob es gängige Praxis sei, dass Gerichte extra aufgesperrt würden, und Benko zu antworten beginnt, ruft Sobotka dazwischen: "Ein Gericht hat keine Ferien, gell!" Danach wird Benko noch zwei Mal von Sobotka unterbrochen.

Bei der Befragung von IGO-Holding-Chef Klaus Ortner geht Sobotka sogar noch weiter. Hier unterbricht er die Auskunftsperson, als diese erzählt, wie die junge ÖVP rund um Sebastian Kurz einst um Großspender geworben hat.

Die "tiefe innere Überzeugung" eines Türkisen

Beim Multimillionär und ÖVP-Großspender (430.000 Euro) Stefan Pierer dauert die erste von der ÖVP veranlasste Geschäftsordnungsdebatte fast eine Stunde. Auch hier ist die Logik des U-Ausschuss-Vorsitzes für Außenstehende nicht ganz nachvollziehbar. Der SPÖ-Fraktionsvorsitzende Jan Krainer hatte im Wahlkampf 2017 Steuerdaten von Pierer publik gemacht. Aus den Akten zum U-Ausschuss zeigt sich, dass danach im Finanzministerium eine groß angelegte Maulwurfsjagd losging und zahlreiche Spitzenbeamte und Politiker intern über den Fall Pierer kommunizierten. Auch die Steuerprüfung an sich könnte, wenn sie beispielsweise lasch durchgeführt worden wäre, eine "Begünstigung" durch die Regierung nach einer Spende darstellen.

Auch hier torpediert die ÖVP die Befragung. In seiner ersten Stellungnahme spricht der Abgeordnete Fürlinger von seiner "tiefen inneren Überzeugung", dass Pierer keine Steuervergehen begangen hätte. Als Krainer darauf antworten will, sagt Sobotka "Nächste Frage!"; nach Krainers Protest kann dieser dann doch über die Zulässigkeit des Themas debattieren. Tomaselli und sein Kollege Christoph Matznetter springen ihm bei, die ÖVP redet dagegen: "Ich verstehe schon, Herr Kollege Matznetter, dass es Sie schmerzt, dass es Leute gibt, die der ÖVP für ordentliche Politik etwas spenden."

"Lehne ich ab. Keine Antwort"

Nach fast dreißig Minuten darf Krainer dann nach der Steuerprüfung fragen, die laut Pierer "bis Ende 2017, Anfang 2018" – also bis zur türkis-blauen Regierung und damit dem Untersuchungsgegenstand – dauerte. Krainer fragt, ob Pierer die thematisierten Zahlungseingänge von Liechtenstein nach Österreich "von sich aus" den Behörden mitgeteilt hat, oder ob er "darauf angesprochen" wurde. Pierer hält die Fragestellung "für persönlich", eine Antwort "lehne ich ab". Und schon meldet sich ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl mit der nächsten Geschäftsordnungsdebatte.

Dabei ist zu sagen, dass Pierer, Benko und Ortner teils ausführlich antworteten – zeitweise sogar so, dass die ÖVP nicht nur Fragen der politischen Konkurrenz, sondern auch Antworten der Auskunftspersonen unterbrochen hat. Am Ende wird es fast versöhnlich: Da bietet Pierer dem SPÖ-Abgeordneten Krainer ein "Privatissimum" an, damit die beiden gemeinsam über Steuerkonstruktionen sprechen können – vor drei Jahren hatte Pierer den Abgeordneten noch angezeigt, das Verfahren wurde eingestellt. "Ich werde in geeigneter Form auf Ihr Angebot zurück kommen", so Krainer. (Fabian Schmid, 26.10.2020)