1993 ließ Želimir Žilnik Tito für einen Film nochmals aufmarschieren – das Redebedürfnis war groß.

Foto: Courtesy of the artist

Tito hatte keine große Freude mit dem Film. "Was sind das eigentlich für Idioten?", soll der Präsident bei der Vorführung von Rani radovi (Frühe Werke) gesagt haben. Anschließend befahl er, alle Kopien aus dem Verkehr zu ziehen. Der Fall wuchs sich zum Skandal aus und landete schließlich vor Gericht. Regisseur Želimir Žilnik, praktischerweise auch promovierter Jurist, übernahm selbst die Verteidigung und bezichtigte die Staatsanwaltschaft, mit ihrem Vorgehen Jugoslawien mehr zu schaden, als dazu ein Film imstande wäre.

Žilnik gewann den Prozess, Rani radovi wurde 1969 auf die Berlinale eingeladen und dort mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet. In der dem Filmemacher gewidmeten Ausstellung Shadow Citizens in der Kunsthalle Wien ist eine eigene Wand diesem Disput gewidmet. Zeitungsausschnitte aus nationalen und internationalen Blättern, Auszüge aus Žilniks Verteidigungsrede formieren sich zur Collage, auf der es nicht nur um Meinungsfreiheit geht, sondern um die beweglichere Grauzone von Staats- und Gesellschaftskritik. Eine Auseinandersetzung, die der 1942 in Novi Sad geborene Regisseur in seiner Laufbahn noch öfters führen sollte.

Die große Halle als Collage aus Barrikaden und Bildern: "Shadow Citizens" in der Kunsthalle Wien.
Foto: eseL.at/Lorenz Seidler

Rani Radovi, Žilniks Spielfilmdebüt, erzählt in der Form eines pikaresken Roadmovies von der jungen Jugoslavia, die mit drei Männern durch das gleichnamige Land fährt und dabei die zahlreichen uneingelösten Versprechen des Sozialismus in der Begegnung mit der Landbevölkerung kenntlich macht. Doch nicht nur die Ausrichtung des Films ist eine Provokation, bei Žilnik ist es auch die Wahl der Form: Wenn die jungen Leute ihren 2CV mit Pferden über einen Hügel ziehen lassen oder sich im Schlamm balgen, wird eine Energie spürbar, die sich auch in den Studentenunruhen der Zeit Gehör verschafft hat (und welche die Nomenklatura fürchtete).

Žilniks beachtliches Œuvre, das 50 Werke umfasst und gerade auch bei der Viennale mit einem Tribute gewürdigt wird, ist eigentlich viel zu umfassend und disparat, um es in der Form einer Ausstellung bewältigen zu können. Das Kuratorinnenteam der Kunsthalle hegt wohl auch deshalb keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sein Zugang folgt mehr der Idee des Parcours, mit zahlreichen Gelegenheiten, sich in Nischen zu verzetteln. Wie gut, dass eine Karte zum wiederholten Besuch der Schau berechtigt.

Still aus "Freiheit oder Comicstrip" (1972)
Foto: Andrej Popovic

Im Erdgeschoss werden bereits zwei wesentliche Merkmale des Žilnik’schen Schaffens benannt, die seine Ausnahmeposition im europäischen Filmschaffen untermauern. Das ist zum einen die Beweglichkeit, mit der er seine Produktionen an finanzielle Gegebenheiten anpasst, ohne seine Unabhängigkeit zu verlieren – so wurde Žilnik trotz seiner Unangepasstheit sehr wohl offiziell als jugoslawischer Filmemacher geführt. Zum anderen sein unbedingtes Vertrauen auf Laien, die er mit stark kollaborativer Ausrichtung ins Zentrum der Filme rückt: marginalisierte Gruppen, Ausgestoßene wie Obdachlose, rechtlose Arbeiter oder Flüchtende.

Die Anordnung der Objekte im ersten Stock übersetzt diesen inhaltlichen Fokus gelungen in den Raum, denn es sind Barrikaden wie an Grenzen, die ihn unterteilen – und die zugleich zweckentfremdet werden. Darauf befestigt sind nämlich Monitore, die das Werk in Ausschnitten thematisch bündeln – von Žilniks Gastarbeiteroper, die nach einigen Jahren in der BRD 1977 zu seiner triumphalen Rückkehr am Theater wurde, über seinen Kampf für den "Wert des Lebens" bis hin zu den Choreografien seiner Filme.

Chaos und Terror

Die Atmosphäre gleicht der eines leicht chaotischen Archivs. Das bewusst improvisiert wirkende Nebeneinander von Bildern, Textsäulen und Kabelsalat von Kopfhörern hat die Anmutung einer dreidimensionalen John-Heartfield-Collage. Als Einstieg in sein Werk sind diese Schlaglichter allerdings nur bedingt geeignet; es empfiehlt sich, einen der beiden dunklen Räume am Rande aufzusuchen, um sich entweder auf die selten zu sehenden Fernseharbeiten einzulassen oder auf eine Arbeit mit Nachdruck auf Frauen wie Paradies: Eine imperialistische Tragikomödie. Das war jener Film, mit dem Žilnik 1976 die Geiselnahme einer Unternehmerin als grelle Farce über die Faszination am Terror erzählte und der seinem "Gastspiel" in Deutschland ein jähes Ende bescherte.

Der Fülle noch nicht genug, gibt es an den Seitenwänden Žilniks frühe Kurzfilme zu sehen, in denen sein interventionistischer Geist schon voll entfaltet ist. Wie im berühmten Crni film (Der schwarze Film), in dem er Obdachlose bei sich daheim beherbergt und sich ihren Problemen stellt – ein Film gegen nur geheucheltes Engagement. Ein guter Anfang, denn dieser Maxime bleibt Žilnik treu. (Dominik Kamalzadeh, 27.10.2020)