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Näher zu Audi rücken sollen die Karossen der britischen Nobelmarke Bentley. Aber nur so nah, als es die Elektroauto-Schmiede "Artemis" erlaubt.

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Wien/Wolfsburg – Volkswagen kommt bei den in der Hauptversammlung Ende September angekündigten "wichtigen Weichenstellungen" in Fahrt. Nach der Luxussportwagenmarke Lamborghini, die auf Börsenkurs getrimmt werden soll, und den Ducati-Motorrädern, für die das Investoreninteresse ausgelotet wird, geht es nun auch um Bentley. Die britische Nobelmarke könnte bereits ab 2021 der Ingolstädter Volkswagen-Tochter Audi unterstellt werden. Das berichtete die Automobilwoche am Wochenende.

Bisher lag die Verantwortung für Bentley im Volkswagen-Konzernvorstand bei Porsche-Chef Oliver Blume. Bentley solle nun enger mit Audi verzahnt werden, schreibt das Fachblatt. So könnte das in Ingolstadt im Sommer gestartete Projekt "Artemis" mit Leben erfüllt werden und auch den Bausatz für eine geländegängige Edellimousine von Bentley liefern.

Aus- und Eingliederung

Volkswagen wollte den Bericht nicht kommentieren. Überlegungen zu einer Verschlankung des Konzerns gibt es allerdings seit geraumer Zeit. Vorstandschef Herbert Diess hat 2018 gesagt, dass Ausgliederungen ebenso "denkbar" seien wie Erweiterungen.

Mit Artemis will der Konzern, wie berichtet, dem Audi-Slogan "Vorsprung durch Technik" neues – diesfalls elektrisches – Leben einhauchen und so die Aufholjagd zum US-E-Auto-Rivalen Tesla starten. Geplant sei ein "hocheffizientes Elektroauto", hatte Audi-Chef Markus Duesmann Ende Juli im Handelsblatt angekündigt. Als erstes Projekt haben Branchenkenner eine Elektrolimousine der Oberklasse ausgemacht, die oberhalb des Audi A8 angesiedelt sein werde.

"Landjet" oder "A9"?

Die Stromlimousine sei eine Art Gegenentwurf zur nächsten Generation des Tesla-Oberklasseautos Model S. Das Gefährt werde unter dem Arbeitstitel "Landjet" entwickelt, wird bisweilen aber auch A9 genannt – allerdings nicht im Rahmen der konventionellen Entwicklung und Plattformstrategie, sondern als eigens gegründetes Unternehmen, das wie ein Rennstall arbeite. Rund 250 Mitarbeiter soll Artemis beschäftigen, angepeilt würden 15.000 bis 20.000 Autos pro Jahr, berichtete das Handelsblatt im August unter Berufung auf Insider.

Die bisherige Plattformstrategie kommt danach wieder ins Spiel. Denn was in der Schmiede Artemis unter Vollgas und mit Formel-1-Entwicklern entwickelt wird, solle rasch skaliert, stilbildend für den ganzen Volkswagen-Konzern werden, inklusive Arbeitsprozesse, so das Konzept. Auf die Straße bringen will man das erste Landjet-Modell 2024, auch ein Porsche-Modell sei geplant. Hier schließt sich der Kreis zu Bentley. Denn auch die britische Nobelmarke könnte auf dem Modell ein eigenes Fahrzeug an den Start bringen, berichtete die Zeitung unter Berufung auf eine mit den Artemis-Planungen vertraute Person.

Sammlung wertvoller Marken

Welche Rolle die italienische Premiummarke Lamborghini in diesem Szenario spielt, ist noch nicht so klar. Volkswagen sei dabei, die Luxussportwagenmarke zu verselbstständigen, inklusive der künftigen Lieferbeziehungen, und den Technologietransfer zu regeln. Dies sei ein erster Schritt, der die Möglichkeit gebe, die Einheit zu einem späteren Zeitpunkt an die Börse zu bringen, zitierte Reuters Insider. Alles offen also. Aber wie sagte Volkswagen-Chef Diess in der Aktionärsversammlung so trefflich: Der Konzern müsse sich "wandeln von einer Sammlung wertvoller Marken vorwiegend mit Verbrennungsmotoren zu einem Digitalunternehmen, das Millionen vernetzter Elektrofahrzeuge zuverlässig betreibe.

Wann die elektrisierend-hochfliegenden Pläne für die "Super Premium"-Karossen das wichtige "Volumen"-Segment, also die Kernmarke VW, Škoda, Seat und leichte Nutzfahrzeuge erreicht, bleibt abzuwarten. Aber die haben zurzeit ohnehin andere Sorgen.

Seat schwer getroffen

Die spanische Tochter Seat beispielsweise wird heuer rote Zahlen einfahren. "Die Verluste, die wir von März bis August eingefahren haben, werden wir in diesem Jahr nicht wieder reinholen. Das werden wir nicht schaffen", sagte der neue Seat-Chef Wayne Griffiths, der Automobilwoche. "Wir hoffen jedoch, ab 2021 wieder in den schwarzen Bereich zurückzukehren." Die Corona-Krise habe Seat besonders hart getroffen. "Aber: Seit September sind wir wieder auf dem Niveau, auf dem wir vor Corona waren." Die Auslieferungen im September seien sogar die höchsten eines solchen Monats überhaupt. "Wir sind auch für das letzte Quartal optimistisch", betonte der Manager. (ung, Reuters, 26.10.2020)