Wien – Wahlwiener Jurij Rodionov hat zum Abschluss des Tennis-Tages beim Erste Bank Open einen Coup gelandet. Der 153. der Weltrangliste besiegte den als Nummer acht gesetzten Kanadier Denis Shapovalov in der Night-Session vor 1.000 Zuschauern in 88 Minuten 6:4, 7:5. Der 21-jährige Shapovalov ist immerhin Weltranglisten-Zwölfter. Der gleichaltrige Rodionov spielt nun in seinem ersten Wien-Achtelfinale gegen den Sieger der Dienstag-Partie zwischen dem slowenischen Qualifikanten Aljaz Bedene und dem Briten Daniel Evans.
"Am Anfang war ich natürlich ein bisschen unter Druck, er hat wie die Eisenbahn angefangen", berichtete Rodionov nach seinem großen Erfolg noch auf dem Court. "Dann habe ich gemerkt, dass der Unterschied vom Niveau nicht so groß ist. Ich habe gedacht, ich versuche ihn zu nerven, ihm das Leben schwer zu machen. Ich habe gewusst, wenn ich einmal einen Top-20-Spieler schlagen will in Wien, dann ist heute ein guter Tag. Jetzt ist das ein unglaubliches Gefühl."
Rodionov bedankte sich bei Turnierdirektor Herwig Straka für die Hauptfeld-Wildcard und bei seinem gesamten Team wie Tour-Coach Javier Frana oder Wolfgang Thiem, in dessen Team er u.a. mit Dominic Thiem und Dennis Novak trainiert. Nach der Auslosung war die Vorfreude auf sein Match dann noch größer. "Als ich den Draw gesehen habe, war ich überglücklich, dass ich gegen so einen guten Super-Spieler spielen kann."
Die Wende kam mit dem Rebreak
Der von ihm beschriebene Druck zu Matchbeginn wirkte sich mit einem schnellen Break gegen ihn aus. Mit einem Rebreak bzw. vier Games in Folge drehte der Lokalmatador aber den Satz und nahm dabei auch das Publikum mit. Nachdem Shapovalov sein Spiel zum 4:6 und damit den ersten Satz mit einem Doppelfehler abgegeben hatte, musste sein Schläger büßen.
Der Nordamerikaner fabrizierte gleich zehn Doppelfehler, zwei davon erneut im letzten Game des zweiten Durchgangs. Wenig später jubelte Rodionov über seinen Triumph. "Ich habe gemerkt, dass Denis unruhig ist und habe das gnadenlos ausgenutzt", strich der Sensationsmann hervor. "Ich möchte nicht überheblich sein, aber ich glaube nicht, dass mein Tennis heute großartig war. Aber ich habe jede Minute genossen, ich kann es noch nicht in Worten beschreiben."
Für Österreichs Nummer drei bedeutet der Sieg seinen überhaupt ersten Erfolg beim Wiener Stadthallen-Turnier. Bei seinem bisher einzigen Antreten im Jahr 2018 schied der gebürtige Nürnberger mit weißrussischen Eltern in der ersten Qualifikationsrunde aus. Seit 2015 ist Rodionov Österreicher, er lebte allerdings schon seit dem Alter von zwei Jahren in Niederösterreich.
Novak zweimal knapp gescheitert
Gescheitert ist hingegen Novak und zwar sowohl im Einzel als auch im Doppel. Der 27-Jährige hat nach starker Leistung und drei vergebenen Matchbällen nach 2:50 Stunden 7:6(2), 4:6, 6:7(6) gegen den Südafrikaner Kevin Anderson verloren und sein insgesamt zweites Achtelfinale beim Erste Bank Open nach jenem von 2017 nur knapp verpasst. Sein 34-jähriger Gegner, Wien-Finalsieger von 2018, nutzte hingegen seine Chance.
Novak war natürlich enttäuscht, hatte er doch mehrmals brenzlige Situationen bereinigt und sieben Breakbälle abgewehrt. Im entscheidenden Augenblick fehlten aber Nerven und Glück, den dritten Matchball vergab er mit einem Doppelfehler. Während der Niederösterreicher enttäuscht abzog, war Anderson erleichtert. "Ich habe einen Punkt nach dem anderen gespielt, aber es war wirklich ein hartes Spiel", sagte er.
Vonseiten des Lokalmatadors sieht die Wien-Bilanz nicht so rosig aus, das schmerzt bei einem Heimturnier umso mehr. Besonders der dritte Matchball schwirrte danach noch in seinem Kopf herum, speziell das zweite Service: "Ich habe im Kopf gehabt, dass er auf meinen zweiten draufgehen wird." Daher nahm Novak mehr Risiko. "Das ist leider in die Hose gegangen." Beim Return über das Match hinweg könne er sich nichts vorwerfen, von der Grundlinie sei er der bessere Spieler gewesen.
Guter Start
Novak startete stark in das Match, überzeugte im ersten Satz mit einer starken Aufschlagleistung. Bis zum 5:6 ging es für beide Aufschläger ohne Breakbälle, dann sah sich der bis dahin sicherere Novak deren zwei gegenüber. Er wehrte beide und damit auch den Satzverlust ab. Im Tiebreak war Novak klar der Bessere. Im zweiten Satz gelang Anderson das erste Break des Matches zum 3:2, ein weiteres zum 5:2. Novak gelang ein Rebreak zum 3:5, Anderson servierte aber zum Satzausgleich aus.
Vor Satz drei nahm sich der Südafrikaner eine medizinische Auszeit, in der er am rechten Knie behandelt wurde. Nachdem Novaks drei Breakbälle abgewehrt hatte, herrschte auf beiden Seiten bei den Aufschlägern jene Souveränität wie im ersten Satz. Wieder musste aber Novak bei 5:5 einen Breakball abwehren, ehe es vor den Augen seines Freundes Dominic Thiem erneut ins Tiebreak ging – diesmal zugunsten Andersons.
Coach Julian Knowle richtete Schützling Novak aus: "Über das Match gesehen kann man ihm nichts vorwerfen. Man hat aber gesehen, dass das Tennis nicht nur von den Schlägen entschieden wird, sondern auch im Kopf. Dennis hat ein Potenzial eines Top-50-Spielers. Da erwarte ich mehr. Es sind zu viele Löcher im Jahr, wo er Durchhänger hat." Novak blieb letztlich positiv: "Je mehr so enge Matches ich habe, desto besser kann ich damit umgehen. Ich muss schauen, dass ich meine Chancen nütze."
Out mit Thiem im Doppel
Danach hat Novak auch an der Seite von Dominic Thiem gegen Jamie Murray/Neal Skupsky nach guter Leistung 5:7, 7:6(1), 5:10 verloren. Gegen die gut eingespielten Briten hielten sie in Satz eins bis 5:5 mit, im zweiten gelang ihnen in einer Phase mit zehn Punkten in Folge ein Rebreak und letztlich ein souveränes Tiebreak. Im Match-Tiebreak reichte es dann aber nicht ganz.
In den weiteren Erstrunden-Einzeln qualifizierte sich Pablo Carreno Busta für ein Achtelfinal-Duell mit Novak-Bezwinger Anderson, der Spanier profitierte bei einer 6:2, 2:0-Führung von der Aufgabe des Franzosen Gael Monfils (7) wegen Nackenproblemen. Andrej Rublew (RUS-5) mit 6:3, 6:2 gegen Norbert Gombos (SVK-Q) und Borna Coric (CRO) mit 6:4, 6:4 gegen Taylor Fritz (USA) hatten keine Probleme.
Neuer Gegner für Thiem
Keine Probleme sollte auch Thiem bei seinem ersten Auftritt am Dienstag haben. Der Titelverteidiger bekommt es ab ca. 17.30 Uhr nicht wie erwartet mit Kei Nishikori zu tun, weil der Japaner seine Nennung wegen einer Blessur an der rechten Schulter zurückzog. Stattdessen trifft der Niederösterreicher auf den Lucky Loser Witalij Satschko aus der Ukraine. Der 23-Jährige bestreitet sein erstes Match auf der Tour in einem Hauptbewerb. In der Weltrangliste wird er an 453. Stelle gereiht. (APA, red, 26.10.2020)