Jetzt wissen wir also, was passiert, wenn man einen Reality-TV-Entertainer zum Präsidenten macht. Vier Jahre Donald Trump haben den amerikanischen Medien und der öffentlichen Debatte geschadet. Der Präsident hat Regeln und Routinen der politischen Kommunikation außer Kraft gesetzt. Er hat Unwahrheiten, Lügen und Verschwörungstheorien verbreitet. Er dämonisiert seine Kontrahenten und kanzelt unangenehme Nachrichten als Fake-News ab. Er heißt Journalisten "Staatsfeinde" und attackiert unliebsame Reporter mit persönlichen Beleidigungen. All das kann der Demokratie nicht förderlich sein. Und in Zeiten von Covid-19 ist das nicht nur fahrlässig, sondern auch gemeingefährlich.

Nach fast vier Jahren als Präsident hat Trump die amtliche Kommunikation auf seine Bedürfnisse zugeschnitten. Pressekonferenzen sind spärlich (außer zu Beginn der Pandemie), und wenn seine mittlerweile schnell wechselnden Pressesprecher etwas zu verkünden haben, werden aus Tatsachen "alternative Fakten", wie Trumps ehemalige Beraterin Kellyanne Conway die Weltsicht der Trumpisten auf den Punkt brachte.

Trump gibt nur mehr spärlich längere TV-Interviews, ruft aber regelmäßig in Sendungen bei Fox News an, um dort ausführlich und mäandernd Plattitüden zu verbreiten. Überhaupt schaut er sehr viel fern und twittert sich dann regelmäßig in Rage.

Öffentliche Auftritte sind eine Mischung aus professioneller Propaganda (inklusive der scheinbar enthusiasmierten Massen) und amateurhafter Bildsprache – man denke an das ungelenke Hochhalten einer Bibel vor einer Kirche, als gleichzeitig Demonstranten mit Tränengas vertrieben wurden. Das Ziel ist immer das Gleiche: maximale Aufmerksamkeit und kein Platz für andere Inhalte.

Gegenmaßnahme: Lügen aufdecken

Die amerikanischen Medien suchten lange nach einer passenden Antwort. Erst einmal musste sich die Branche auch eingestehen, dass sie eine Mitschuld trug, dass es der Entertainer und Populist an die Spitze des Staates geschafft hatte. Zu lange gaben die Medien Trump Sendezeit und Zeitungsspalten, freie Werbung auf dem Markt der Meinungsbeeinflussung. Sie waren geblendet und angststarr, empört und gelähmt, ohne zu wissen, was sie der Trump-Lawine entgegensetzen könnten.

Trump hat die US-Medienwelt auf den Kopf gestellt.
Foto: AFP/SAUL LOEB

Doch nach dem Schock ging ein Ruck durch die Redaktionen. Mittlerweile werden Lügen, Halbwahrheiten und Übertreibungen routinemäßig protokolliert. Erst kürzlich vermeldete die "Washington Post", dass Trump im Wahlkampf durchschnittlich mehr als 50-mal pro Tag irreführende Aussagen tätigt – so viele, dass das Team der Fact-Checker gar nicht mehr mit der Aufbereitung nachkomme.

Zur Routine sind auch die Aufdeckergeschichten geworden, die sich in der "Washington Post" und der "New York Times" finden. Und selbst in Fernsehkonfrontationen konnten einige Journalisten unter Beweis stellen, dass man Trump mit präzisen Formulierungen und hartnäckigem Nachfragen entzaubern kann.

Sogar die sonst so agnostischen Technologieunternehmen versuchen Trump in die Schranken zu weisen. Twitter machte es vor und Facebook zog nach: Trumps Desinformation in den sozialen Medien wird nun teilweise geblockt oder zumindest mit Warnhinweisen versehen. Das ändert zwar wenig an dem allgemeinen Problem, dass sich die Technologieriesen gerne der gesellschaftlichen Verantwortung entschlagen, macht aber deutlich, dass Falschinformationen zumindest als solche benannt werden.

Das Problem des amerikanischen Journalismus

An dieser Stelle ist es aber auch wichtig, festzustellen, dass nicht alle Probleme der öffentlichen Debatte mit Trump zu tun haben. Die Polarisierung zwischen Republikanern und Demokraten gibt es schon seit Jahrzehnten, und die binäre Logik des Parteiensystems befördert ein Schwarz-Weiß-Denken. Auch Verschwörungstheorien haben in den USA eine lange Tradition, und die Grobheiten im Netz sind ebenso wenig eine neue Erscheinung.

Amerikanische Journalisten berufen sich gerne auf Meinungs- und Pressefreiheit, übersehen aber oft, dass die kapitalistische Logik des Mediensystems kommerzielle Interessen in den Vordergrund treten lässt. Letztlich hat der mediale Umgang mit Trump die Schwächen des amerikanischen Journalismus zutage gefördert: Die Berichterstattung verlässt sich zu sehr auf offizielle Quellen, bedient Eliten an den Küsten zulasten der Bevölkerung in den Bundesstaaten dazwischen, ist zu weiß und zu männlich. Erst durch die MeToo- und die Black-Lives-Matter-Bewegungen wurde der Ruf nach Reformen lauter.

Die Ära Trump

Was bleibt also von Trump? Ein vergiftetes Meinungsklima, Misstrauen gegenüber den Medien, Abscheu gegenüber Andersdenkenden, Desillusion und Zynismus, rechte Propagandisten und verwirrte Corona-Zweifler. Am meisten hat allerdings die Glaubwürdigkeit des Journalismus Schaden genommen. Nicht bei den Lesern der "New York Times" und den Bildungseliten – aber in weiten Teilen des Landes, wo Trump Ressentiments befeuert und Journalisten zu Sündenböcken gemacht hat.

Trotzdem bleibt auch etwas Hoffnung, dass der Journalismus wieder an Autonomie gewinnt und es gelingt, Empathie für benachteiligte Schichten und Gruppen zu erzeugen. Denn die Herausforderungen sind groß angesichts von systemimmanentem Rassismus und katastrophaler sozialer Ungleichheit.

Die letzte Wahlkonfrontation zwischen Trump und seinem Herausforderer Joe Biden verlief überraschend gesittet (selbst wenn es Trump natürlich nicht an Provokationen und Sticheleien fehlen ließ). Ein Grund dafür war, dass Trump nicht zu hören war, wenn Biden antwortete. Eine zivilisierte Debatte findet also dann statt, wenn man dem Präsidenten das Mikrofon abdreht. Eine ernüchternde Bilanz, vor allem für ein Land, das sich als Wiege der freien Meinungsäußerung begreift. Doch Ruhe nach dem Sturm wäre vorerst und vorübergehend nichts Schlechtes. (Thomas Schmidt, 28.10.2020)