Anita Graser ist eine Verfechterin von öffentlich zugänglichen Daten.

Foto: AIT / Johannes Zinner

Barcelonas Superblöcke haben in den vergangenen Jahren internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Das Mobilitätskonzept, bei dem mehrere Häuserblöcke zusammengefasst werden und der Autoverkehr außen herumgelenkt wird, scheint sich zu bewähren: Barcelona berichtete, der Fußgängeranteil sei um zehn Prozent gestiegen, 30 Prozent mehr Menschen würden aufs Fahrrad steigen, und der Autoverkehr sei um 26 Prozent gesunken.

Ähnliche Experimente könnte es bald auch in Wien geben. Dazu entwickeln das Austrian Institute of Technology (AIT), die Technische Universität Wien und der Landschaftsarchitekt Florian Lorenz gemeinsam ein Konzept für drei Superblöcke: in Neubau, Hernals und Favoriten. Anita Graser, Datenexpertin am AIT, legte den Grundstein für die Planung, indem sie mithilfe der Open-Government-Daten der Stadt Wien den Bedarf und das Potenzial für einen Superblock erhob.

Das Ergebnis: Ein Wiener Superblock sollte einen Umfang von 40.000 bis 80.000 Quadratmetern haben. In Favoriten, zum Beispiel, könnte er im Bereich zwischen Laxenburger Straße, Inzersdorfer Straße, Leibnizgasse und Troststraße entstehen. Für die Konzeption der Wiener Superblöcke erhielten Graser und ihr Team kürzlich den VCÖ-Mobilitätspreis 2020. Das Sondierungsprojekt mit dem Namen "Superbe" wurde durch das Klimaschutzministerium und die Förderagentur FFG finanziert.

Bewegungsmuster analysieren

Ähnliche datengetriebene Forschungsprojekte sind Grasers Spezialgebiet – genauer: Bewegungsdatenanalysen. Neben ihrer Arbeit am AIT forscht die 34-jährige Weinviertlerin im Rahmen ihrer Doktorarbeit zur Frage, mit welchen Methoden riesige Datensätze am besten analysiert werden können.

Aktuell geht es dabei um die Schifffahrt auf hoher See. Eines der Ziele ist, Prognosemodelle zu entwickeln, mit denen Häfen die exakte Ankunftszeit von Schiffen erfragen können. Das soll ihre Logistik vereinfachen.

Genauso kann die Datenauswertung Hinweise auf illegale Fischerei oder Schmuggel geben. Dieselben Methoden könnten aber auch in ganz anderen Bereichen eingesetzt werden: Etwa um die Einflüsse von Umweltveränderungen auf die Bewegungsmuster von Zugvögeln zu untersuchen.

Im Laufe ihres Informationstechnikstudiums an der FH Wiener Neustadt sei ihr klar geworden, wie viele offene Fragen es in der Bewegungsdatenanalyse gebe. Die größte Lücke ortet sie bei der verfügbaren Software. "Dabei gibt es viel Forschung auf dem Gebiet – aber die erscheint nur in wissenschaftlichen Publikationen", kritisiert Graser. Grund dafür sei, dass in der akademischen Welt noch immer Publikationen mehr zählen würden als die Softwareentwicklung.

"Wenn wir mit öffentlichen Geldern forschen, sollte die Öffentlichkeit auch etwas davon haben. Also am besten Open Source", sagt Graser. Sie habe lange genug auf Open-Source-Lösungen für die Bewegungsdatenanalyse gewartet – jetzt wolle sie das selbst in die Hand nehmen, sagt sie: "Mir ist es ein großes Anliegen, dass Open Science zum Standard wird."
(Alicia Prager, 1.11.2020)