Mode und ihre Erscheinungen.

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Wenn es nicht gerade zu Begräbnissen oder zum Arzt ging, wurde meine Großmutter nie ohne Kleiderschürze gesehen. Die Schürzen waren in dramatischen Blumenmustern gehalten, die Stoffe aus für Tätigkeiten am Herd definitiv nicht geeignetem Polyester. Deshalb waren die Schürzen oft elektrisch aufgeladen. Die Spannung knisterte, sobald die Großmutter den Raum betrat. Oft standen ihr die Haare statisch zu Berge.

Gewand für Weltgegenden außerhalb des Hauses wurde nur selten aus dem Kasten geholt. Draußen lauerte beständig gefährliche Zugluft. Diese hatte schon viele Leute vor der Großmutter frühzeitig ins Grab gebracht.

Ob Kleiderschürzen beziehungsweise der freiwillig gewählte Lockdown in der Küche jemals wieder zur Mode in der Öffentlichkeit freiwillig unsichtbarer Menschen wird? Dank Modeblogs sowie Influencern und -innen und des für den Küchengebrauch idealen Leitmediums Instagram kann man das nicht mit Sicherheit ausschließen. Die Zeiten stehen dank Sauerteig-Virus jedenfalls günstig für die Rückkehr der Schürze.

Die hippe Gackerlfarbe

Internationale Designer setzen derzeit vorauseilend ergänzend auf eine Farbe, die in der Geschichte des einst von Wirtschaftswunder und Sozialpartnerschaft begünstigten Pensionssystems zwar ein ewiges Schattendasein führte. Allerdings war dieses ein allgegenwärtiges.

Was sich schon länger angekündigt hat: Beige, also die Gackerlfarbe der Freizeitjacken unserer Großväter und -mütter, die lange Jahre die Busfahrten zu Heizdeckenpräsentationen mit anschließendem Schnitzelkonsum in Landgasthäusern mit Panoramablick dominierte, wird gegenwärtig als hip verkauft.

Rentnertopf

Passend zu unförmigen Turnpatschen mit Klettverschluss schreckt man zwar aktuell noch vor der funktionalen und dazu wie die Faust aufs Auge passenden Topffrisur als die ganze Sache krönendem Sahnehäubchen zurück. Die Fachwelt bezeichnet den Haarschnitt nach alter Sitte als "Rentnertopf".

Allerdings erkennen wir in der beigen Mode die Zeichen der Zeit. Es geht darum, in Zeiten der sozialen Distanz nicht weiter aufzufallen. Die Alten haben uns das einst vorgemacht. Darauf ein Würschtel mit Estragonsenf. (Christian Schachinger, 28.10.2020)