Homepartys sind vielen ein Dorn im Auge, wenn es um die Corona-Bekämpfung geht. Dennoch stehen mehr Regeln für private Wohnungen für die meisten Politiker nicht zur Debatte.

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"Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens", steht in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Und trotzdem ist die Diskussion rund um Corona -Regeln für die eigenen vier Wände lauter denn je.

Mit Hermann Schützenhöfer (ÖVP), Landeshauptmann der Steiermark, rief nun erstmals ein Landeschef offen nach strengeren Regeln für den privaten Raum – zumindest "für bestimmte Fälle, für bestimmte Zeiten", wie er dem Kurier sagte. Und zwar obwohl der türkise Kanzler Sebastian Kurz mehrmals betont hatte, dass ein Eingriff in den privaten Raum nicht mit der Verfassung vereinbar wäre.

Doch was ist da dran, politisch wie juristisch? Wie grob dürften die Einschnitte in den privaten Bereich tatsächlich sein, ohne Grundrechte zu gefährden, und wer in der Politik ist dafür?

Nicht die ÖVP-Linie

Die ÖVP-Linie dürfte Schützenhöfers Vorstoß zumindest nicht sein, immerhin sagt auch Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) am Dienstag dem STANDARD, er sehe "Eingriffe in die Privatsphäre der Menschen immer sehr kritisch, auch verfassungsrechtlich". Auch im ebenfalls ÖVP-regierten Tirol will man lieber "an die Eigenverantwortung der Menschen appellieren" , wie Landeshauptmann Günther Platter sagt.

Der rote Landeshauptmann Peter Kaiser lässt aus Kärnten ausrichten, er halte nichts von einer "Regelung, die in einer Bespitzelung der Wohnzimmer der Österreicher gipfeln kann", und sagt, selbst in der Corona-Krise dürften "harterkämpfte persönliche Freiheiten und demokratische Rechte" nicht geopfert werden.

Anschober ist dagegen

Im Burgenland stellt sich Hans Peter Doskozil (SPÖ) am Dienstagvormittag ebenfalls hinter den Gesundheitsminister und meint, man wolle keine Polizei im Wohnzimmer der Leute. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat zuvor im Ö1-Morgenjournal betont, Kontrollen und gesetzliche Vorgaben im Privatbereich seien ausgeschlossen, daran habe sich "selbstverständlich" jedes Regierungsmitglied zu halten.

Argumentiert wurde von Anschober und anderen Teilen der Bundesregierung stets, dass Corona-Regeln im privaten Bereich nicht mit der Verfassung vereinbar seien. Das stimmt so nicht ganz, sagen mehrere Experten, tatsächlich wäre eine entsprechende Verordnung lediglich gesetzeswidrig – derzeit.

Denn im Covid-Maßnahmengesetz – auf dem basieren entsprechende Verordnungen – heißt es in der entscheidenden Passage: "Bestimmte Orte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bestimmte öffentliche und bestimmte private Orte mit Ausnahme des privaten Wohnbereichs." Kurzum: Die Maßnahmen können nicht für die eigene Wohnung gelten. Doch dieses Gesetz ließe sich mit einfacher Mehrheit im Parlament ändern, der Passus ließe sich streichen. Und zwar verfassungskonform.

Denn der eingangs erwähnte Artikel der EMRK kann dann beschnitten werden, wenn es etwa um die nationale Sicherheit, die öffentliche Ordnung oder – und das ist entscheidend – den Schutz der Gesundheit oder das wirtschaftliche Wohl des Landes geht. Ist eins davon gefährdet, kann der Gesetzgeber Einschnitte in das private Leben beschließen – sofern diese verhältnismäßig sind. Eine Mehrheit für eine derartige Gesetzesänderung ist aber fraglich. Nicht nur der grüne Gesundheitsminister machte seine Linie bereits klar, auch SPÖ und FPÖ übten heftige Kritik an Schützenhöfers Forderung.

Was Juristen sagen

Schützenhöfer selbst hätte nur bedingt die Möglichkeit, lediglich steirische Wohnungen und Häuser deutlich strengeren Corona-Regeln zu unterwerfen. "Die Länder haben da keinen Spielraum", sagt Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk, "das Bundesgesetz trifft hier eine eindeutige Regelung." Strengere Regeln für Keller oder Garagen, wie Schützenhöfer sie wünscht, wären jedoch möglich – die gibt es etwa auch in Salzburg schon, wo diese nicht als privater Wohnraum gelten.

Auf juristischer Ebene dreht sich die Debatte um Einschnitte ins Private schon eine Runde weiter. Diese könnten nicht nur möglich, sondern zwingend nötig sein, argumentiert Jurist Benjamin Kneihs in einem Gastbeitrag in der Presse. Dann nämlich, wenn der Gesetzgeber ansonsten der "lebensrechtlichen Schutzpflicht" nicht mehr nachkommt, wenn er nichts tut.

Würde sich die Pandemie also unkontrolliert ausbreiten, wäre das "Unterlassen einer Verschärfung ein verfassungswidriges Versäumnis der Gesetzgebung", sagt auch Funk.

Am Dienstagvormittag wurden seit Beginn der Corona-Pandemie über 1000 Tote verzeichnet, die an den Folgen des Virus verstorben sind. Das sind, umgerechnet auf die Einwohnerzahl, in etwa so viele wie in Deutschland, ein Sechstel der_ Zahl in Großbritannien und 20-mal so viele wie in Neuseeland. In Österreich stieg die Belegung der Intensivbetten innerhalb einer Woche um 40 Prozent von 145 auf 203. (Gabriele Scherndl, 27.10.2020)