1.500 Teilnehmer kamen am Montag vor die Staatsoper, wo unter anderem Masken verbrannt wurden.

Foto: Christian Fischer

Nachdem am Nationalfeiertag etwa 1500 Personen vor der Staatsoper gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung demonstriert hatten, kam es zu einem Schlagabtausch zwischen der Wiener Polizei und der Stadt. Die Polizei, hieß es, sei nicht in der Lage gewesen, die Veranstaltung aufzulösen, bei der kaum ein Teilnehmer Maske trug. Das müsse die Gesundheitsbehörde tun, entgegnete man vonseiten der Polizei am Montagabend. Diese sieht die Entscheidungsmacht aber bei der Polizei.

Auch am Dienstag blieb die Wiener Polizei aber bei ihrer Rechtsansicht. Bei "epidemiologischer Gefahr" könne nur die Gesundheitsbehörde entscheiden. Dazu gebe es einen entsprechenden Paragrafen im Epidemiegesetz, der als "lex specialis" den Paragrafen in der Corona-Maßnahmenverordnung schlage, weil dieser nur "lex generalis" sei, so Paul Eidenberger, Sprecher der Polizei. "Wenn es versammlungs- oder sicherheitsrechtliche Verstöße gibt, liegt die Auflösung bei uns. Das ist natürlich klar."

Die Passage in der Verordnung

In der Corona-Maßnahmenverordnung heißt es, dass – nach Rücksprache mit der Gesundheitsbehörde – von Maßnahmen gegen Versammlungsteilnehmer, die keine Maske tragen, abzusehen ist, wenn "der gesetzmäßige Zustand durch gelindere Mittel hergestellt werden kann oder Maßnahmen nicht verhältnismäßig wären". Da gehe es eben um einzelne Demonstrationsteilnehmer und nicht um eine allgemeine Auflösung, meint Eidenberger. Diese liege, wenn es um fehlenden Mund-Nasen-Schutz geht, bei den Gesundheitsbehörden, wiederholt er.

Die angesprochene Verordnung ist der Grund dafür, warum die Polizei Maskenverweigerer nicht sofort straft oder die Versammlung auflöst, sondern erst versucht, sie mit Durchsagen oder anderen gelinderen Mitteln zum Maskentragen zu bringen.

Wieso niemand angezeigt wurde

"Auffordern tun wir die ganze Zeit, das ist unser Hauptjob vor Ort", sagt Sprecher Paul Eidenberger. Zwangsmaßnahmen wie beispielsweise eine Auflösung seien meist keine gute Art und Weise einzuschreiten – das ende dann womöglich in einem "kleinen Bürgerkrieg", sagt Eidenberger, und das könne niemand wollen. "Es ist rechtlich gedeckt, dass kleine Verwaltungsübertretungen begangen werden dürfen auf Demonstrationen." Und es gehe auch um die Verhältnismäßigkeit: "Wir können nicht fünf Leute anzeigen und 1500 nicht."

Ganz allgemein handle es sich natürlich um eine "heikle und komplexe Angelegenheit", wie bei Demonstrationen vorgegangen wird. Die Polizei rechnet dieses Jahr mit 20.000 Veranstaltungen in Wien. Schon bei der Genehmigung von Veranstaltungen sei seit Corona die Gesundheitsbehörde eingebunden. Wenn diese eine epidemiologische Gefahr sehe, dann müsse die Demo untersagt werden. Das sei allerdings noch nie vorgekommen, sagt Eidenberger. "Wenn nichts kommt, gehen wir davon aus, dass es epidemiologisch unbedenklich ist."

Unterschiede bleiben trotz Beratung

In der Stadt bestätigt man, verständigt worden zu sein. "Wir wurden verständigt, haben aber gesagt, dass wir eine Auflösung unterstützen würden, wenn die Polizei Gründe dafür hat", sagt ein Sprecher des Krisenstabs zum "Kurier". Die Behörde könne eine Expertise liefern. Entscheiden müsse aber schlussendlich die Polizei.

Dienstagvormittag gab es zwischen der Stadt und der Polizei Beratungen, wie man künftig vorgehen könne. Beide bleiben aber auch nach diesen Gesprächen bei der unterschiedlichen Rechtsansicht. (lhag, elas, 27.10.2020)