Marcello Demner (DMB) und Ali Mahlodji (Whatchado) machen sich am Donnerstag per Stream Gedanken über Diversity in der Kommunikationsbranche und mit ihnen auf dem Podium die Journalistin und Aktivistin Alexandra Stanić ("Vice"), Jacky Hamid, Strategic Planner bei DMB, und die Ärztin, Politikerin und Aktivistin Mireille Ngosso.

Foto: DMB/Nicholas Kalsulkar

Marcello Demner veranstaltet am Donnerstagnachmittag einen ersten "Impact Talk" von Demner, Merlicek & Bergmann (DMB) über Diversity. Dabei soll es um Kommunikation, vor allem Werbung als Instrument für Gleichstellung und Chancengerechtigkeit, gehen. Und darum, wie Marken Haltung zeigen können und Diversity nutzen, um mehr Wirkung zu erzielen? DER STANDARD hat Keynote-Speaker Ali Mahlodji (Whatchado) und Marcello Demner gefragt, was man davon erwarten kann.

STANDARD: Warum veranstaltet DMB denn eine Diskussionsveranstaltung zu Diversity?

Demner: Ich war sehr lange in den Staaten und in London, hatte das Privileg, hier in die internationale Schule zu gehen. Meine Wahrnehmung war immer sehr international. Als ich vor drei Jahren nach Österreich zurückgekommen bin, habe ich bemerkt: Es gibt Hemmungen, bestimmte Menschen zu casten. Und man ist immer wieder konfrontiert mit Alltagsrassismus. 75 Prozent der Menschen nichtweißer Hautfarbe in Wien sahen sich schon rassistischen Kommentaren ausgesetzt, besagt eine Studie.

STANDARD: Wie ist es denn nach Ihrem Befund um Diversität in der österreichischen Kommunikationsbranche bestellt?

Demner: Im Vergleich zur Branche in anderen Ländern, die ich schon gesehen habe, vielleicht nicht divers genug. Aber dafür müsste man erst definieren, was man unter divers versteht. Hat das mit Hautfarbe zu tun, mit Herkunft, einer Region, dem Geschlecht. Aber es ist da viel Luft nach oben.

Mahlodji: Als wir die Berufsorientierungsplattform Whatchado gestartet haben, 2011/12, war das Ziel, die Menschen in der Arbeitswelt vor die Kamera zu holen, über die man sonst nicht spricht. Das Thema war damals Employer-Branding, aber für den Bewerbermarkt. Wir hatten Anfang 2012 ein Gespräch bei einer großen Handelskette. Das Konzept: Wir lassen die Menschen aus dem Unternehmen sprechen, alle Hierarchien, verschiedenster Herkunft, um Bewerbern die Vielfalt in diesem Unternehmen zu zeigen. Da saßen zwei Geschäftsführer, PR, Kommunikation. Die sagten: coole Geschichte, das machen wir. Der nächste Satz war: Jetzt brauchen wir nur noch die richtigen Models. Ich habe entgegnet: Models? Es geht um eure Mitarbeiter. Antwort: Das geht nicht – wir haben einen Mitarbeiter mit Dialekt aus Tirol, den versteht keiner. Und wir haben einen Murat. Den kann man nicht vor die Kamera stellen. Das war nicht böse gemeint. Sie wollten sich nicht zu weit rauslehnen.

STANDARD: Lehnen sich österreichische Unternehmen aus Ihrer Sicht inzwischen weiter hinaus?

Mahlodji: Ich erlebe eine große Feigheit. Einerseits Bewunderung für große Kampagnen etwa aus den USA – Nike zum Beispiel tritt für etwas ein. Aber wenn es um die Umsetzung in Österreich geht, ist es ein bisschen wie in der Politik: Du darfst der Bevölkerung niemals eine Nasenlänge voraus sein, sonst verlierst du sie. Das ist auch die größte Stärke der "Kronen Zeitung". Der Spielraum ist begrenzt. Wenn man nur ein bisschen Mut zeigt, etwa im Thema Vielfalt, ist man schon sehr weit vorne.

STANDARD: Was wäre denn mutig im Zusammenhang mit Werbung und Kommunikation?

Mahlodji: Erinnern wir uns an die Kampagne "ORF wie wir". Da gab es nur Weiße. Moderatorinnen und Moderatoren anderer Herkunft hätten zu einem Shitstorm geführt. Das wäre mutig gewesen.

STANDARD: Nach meiner Erinnerung gab es da auch Menschen mit Migrationshintergrund.

Mahlodji: Aber ... sooo klein. Und sie mussten hineinreklamiert werden.

  • Reaktion: Der ORF widerspricht entschieden – Menschen mit Migrationshintergrund seien weder nur "klein" in der Kampagne vorgekommen, noch habe man sie hineinreklamieren müssen.

Wenn wir heute über Diversity reden: Es gibt einen hohen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund unter Lehrlingen. Aber man wird kein Plakat einer Lehrlingskampagne finden, das sie zeigt. Das wäre noch kein Mut, sondern Realismus. Die Welt zeigen, wie sie ist.

STANDARD: Bei dem "Impact Talk" sollen Sie über den Impact sozialer Bewegungen auf die Kommunikationsbranche reden. Welchen Impact, welche Auswirkung kann man sich da vorstellen?

Mahlodji: Das Jugendwort des Jahres ist "lost". Die verlorene Generation von heute ist nicht verloren, weil sie in Armut lebt, sondern weil sie keine Vision von der Zukunft hat. Junge Menschen hören von ihren Großeltern über Sicherheit und die Pension als Lebensziel. Dann kommen sie in eine Instagram-Welt, wo alle ein besseres Leben haben als sie. Da fallen die Menschen in ein Loch. Wofür sollen sie in der Früh aufstehen? Marken, die den Menschen einen Sinn vermitteln, ein Wofür, Leuten klarmachen, wofür es sich auszahlt, aufzustehen und einen Beitrag für eine bessere Welt zu leisten, die können die Visionslücke schließen und gesellschaftlich relevant sein.

STANDARD: Welche Vision wäre das zum Beispiel?

Mahlodji: Das zeigt sich zum Beispiel an Produktionsprozessen, der Auswahl der Zulieferer und der Transparenz darüber. Die Schweizer Schuhmarke On hat ein neues rohstoffschonendes Abomodell: Wenn dein Turnschuh abgelatscht ist, schickst du ihn uns und bekommst einen neuen Schuh, der aus alten Schuhen hergestellt wurde.

Demner: Junge Menschen verbringen fünf, sechs Stunden vor dem Bildschirm, vor allem vor dem Handy. Sie suchen etwas, an dem sie sich festhalten können, das eine Bedeutung hat, eine Vision. Unsere Agentur begleitet zum Beispiel Vöslauer dabei, auf recycelte Verpackungen umzustellen. Man verjüngt sich damit auch. Es geht für Unternehmen nicht nur um Visionen für den eigenen Mikrokosmos, sondern darum, wohin sich die Gesellschaft bewegt und wie man sich mitbewegt.

Mahlodji: Wenn du vor zehn Jahren über Diversity, Minderheiten, Umweltschutz geredet hast, warst du ein linker, grüner Weltenverbesserer. Heute kann man beobachten, wie Unternehmen mehr wissen wollen über Diversity, über Inklusion, über Frauenrechte. Wir dürften uns nicht mehr trauen, nicht grün zu denken. Und man kann etwa über Black Lives Matter breit diskutieren, ohne abgestempelt zu werden als Weltenverbesserer. Hätte jemand vor zehn Jahren geglaubt, dass – Fridays for Future – Millionen Menschen einer jungen Frau folgen und auf die Straße gehen für den Klimaschutz? Die Diskussion ist einfacher geworden. Man kann heute Fridays for Future oder Black Lives Matter nicht nicht mitbekommen.

STANDARD: Das würde bedeuten, dass wir ein Stück weiter sind. Womöglich auch im Umgang mit Menschen, die anders aussehen?

Mahlodji: Ich gehe vor ein paar Jahren in ein Schwimmbad in Simmering, wo ich aufgewachsen bin, und denke: Pfoah, da sind viele Ausländer. Nächster Gedanke: Ali, bist du deppert? Ich habe das ein paar Kumpels erzählt, die alle aus dem Ausland kommen: Das ist jedem schon einmal passiert. Niemand ist davor gefeit. Diskussionen über Toleranz gehen auch nur so lange gut, bis einer eine andere Meinung hat. (Harald Fidler, 28.10.2020)