Das Dekor des Three Trees ist von vor 40 Jahren, die Betreiber aber sind ganz frisch aus Ungarn und Kolumbien.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Okay, vor dem Lokal stehen ein paar Bäume. Aber ist das der Grund, warum die Steirische Jagastub’n, ein über Jahrzehnte auffällig unauffälliges Lokal auf der Landesgerichtsstraße, seit ein paar Monaten auf den Namen Three Trees hört? Kitti Svegel, die das neue Restaurant gemeinsam mit Schwester Klaudia und deren Mann – und Küchenchef – Alexander Ramirez betreibt, muss lachen: "Nein, das ist einfach die Übersetzung des Namens unseres Heimatortes in Ungarn."

Hàromfa steht nahe der kroatischen Grenze auf sehr, sehr flachem Land, außer ein paar Teichen mit kapitalen Karpfen- und Welsbeständen und, natürlich, dem einen oder anderen Baum, gibt es hier nicht viel. Irgendwo in der Nähe sucht die Drau in trägen, pittoresken Mäandern eine Idee von Gefälle – und den Weg zu Mutter Donau.

Modern europäische Küche

Klaudia und Alexander haben sich in London lieben gelernt, wo beide in der Gastronomie tätig waren, Alexander sogar in der Küche des für seine tolle Aussicht gerühmten Restaurants Aqua in der "Scherbe", dem ikonischen Wolkenkratzer von Renzo Piano. Alexander stammt aus Kolumbien, das hat auf den Küchenstil des Three Trees aber ebenso wenig Einfluss wie der ungarische Background seiner Frau und seiner Schwägerin.

Die Karte gibt sich modern europäisch, mit einem Mix aus mediterranen, französischen und sogar ein paar angelsächsischen Einflüssen. Im Kontrast dazu sind die Gaststuben so gut wie unverändert und vermitteln ein gültiges Bild, wie gutbürgerliches mitteleuropäisches Dining im Landhausstil der 1980er-Jahre ausgesehen hat. So blitzsauber und poliert wie hier hat diese verschwitzte Rustikalanmutung fast schon Kultcharakter – in 20 Jahren interessiert sich vielleicht sogar das Denkmalamt für die skurrilen Fachwerkdekors und solide eingekastelten Sitzecken.

Clam Chowder, die klassische neuenglische Muschelsuppe, wird hier ganz klassisch mit Erdäpfeln, Speckwürfeln, reichlich Obers und ausgelösten Miesmuscheln interpretiert: sehr reichhaltig, sehr großzügig bemessen – dass ein Schuss Säure fehlt, kann man sich bei Tisch im Zweifel mit einem Schlenker aus dem Weinglas auch selbst reparieren. Entenleber-Pâté, eigentlich eine Art schaumiges Parfait, wird im Rex-Glas serviert und bekommt richtig fruchtige, kaum gesüßte Pfirsichmarmelade zur Seite, ebenso ungewöhnlich wie passend.

Oh wie süß!

Carpaccio vom Kalb mit zartem Thunfischmousse, Salzzitrone und Kapernbeeren.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Brie-Tarte ist zur Vorspeise auch vergleichsweise exotisch – nicht nur, weil der Weißschimmelkäse gemeinhin erst hinterher serviert wird, sondern weil er hier mit karamellisierten Schalotten in durchaus kräftig gezuckertem Mürbteig gebacken wird – cremig, üppig, sehr süß. Da hätte der dazu servierte rote Chicoréesalat nicht auch noch Äpfel untergemischt haben müssen.

Aber egal, dafür ist das Carpaccio vom Kalb mit zartem Thunfischmousse, Salzzitrone und Kapernbeeren (siehe Bild) umso exakter abgeschmeckt: das ganz kurz angebratene Fleisch von schmelzender Zartheit, die Kontraste zwischen der mit Umami aufgeladenen Salsa, den explosiv-würzigen Salzzitronenpartikeln und den Kapernfrüchten, wirklich sehr animierend, Chapeau!

Von den Hauptspeisen bleiben die – natürlich hausgemachten – Gnocchi in Erinnerung, mit (wieder recht süßem) Kürbispüree, köstlich gerösteten Mandeln und Salbei, und mit einer üppigen Creme aus Ricotta.

Sous-vide gegarter Schweinebauch wird hinterher angeknuspert, dazu gibt es Steckrübenpüree, ein in Großbritannien klassischer, hierorts so gut wie unbekannter Begleiter großer Braten, geschmorte Jungzwiebeln und Spinat. Beim finalen Abschmecken ist noch ein bissl Feinarbeit gefragt, den engagierten jungen Betreibern ist aber jetzt schon alles Gute zu wünschen. (Severin Corti, RONDO, 30.10.2020)

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