Zumindest virtuell ist die Wohnung im in Bau befindlichen Projekt "Mühlbach Ost – Wohnen mit Weitblick" schon fixfertig eingerichtet.

Visualisierung: Alpenland

Wohnungsbesichtigungen gab es im Lockdown keine, die Bauwirtschaft stand kurzzeitig fast still. Manche Bauträger sahen die Krise aber als Chance: "Wir hatten im März und April viel Zeit zu probieren und zu üben", erzählt Isabella Stickler, geschäftsführendes Vorstandsmitglied bei der Alpenland Wohnbau- und Wohnbetreuungsgesellschaft. "Und wir hatten eine sehr hohe Lernkurve."

Beim gemeinnützigen niederösterreichischen Bauträger beschleunigte die Corona-Krise eine Entwicklung, von der die Branche seit vielen Jahren redet. So setzte das Unternehmen auf virtuelle Besichtigungen von Wohnungen. Mit Erfolg: "Eine Wohnung haben wir im Frühjahr ganz ohne Besichtigung vermarktet", erzählt Stickler. Das sei allerdings wohl eine Ausnahme gewesen, fügt sie rasch hinzu. Die tatsächliche Besichtigung wird die digitale Variante wohl in den meisten Fällen nicht ersetzen.

Wohnbau in St. Pölten

Doch mit diesen Rundgängen könnten sich Wohnungssuchende zeit- und ortsunabhängig einen Eindruck von einer Wohnung verschaffen. Das sei praktisch, weil nach Wohnungen oft in Randzeiten gesucht wird, also außerhalb der Bürozeiten eines Maklers oder Bauträgers. So lasse sich sofort ein Wohngefühl vermitteln. "Das schafft man nie nur mit Worten", sagt Stickler.

Das erste große Pilotprojekt des Bauträgers ist die in Bau befindliche Wohnhausanlage "Mühlbach Ost – Wohnen mit Weitblick" in St. Pölten. Auf der Homepage kann man von einer virtuell eingerichteten Wohnung in die nächste springen und sich einen Eindruck vom Gesamtprojekt verschaffen – all das bequem vom Wohnzimmersofa aus. "Das ist die Zukunft des Wohnungsmarketings", ist Stickler überzeugt. "Irgendein Projektfoto, noch dazu bei schlechter Wetterlage, reicht nicht mehr."

Allerdings zahlt sich die aufwendige Methode nicht immer aus. Eine Anlage mit zehn Wohnungen im Waldviertel, die regionale Abnehmer findet, sei dafür weniger geeignet. Auch für einzelne Wohnungen sei der Aufwand zu groß.

Auch bei der Salzburg Wohnbau hat Corona die Digitalisierung weiter vorangetrieben. Der gemeinnützige Bauträger hat vor drei Jahren ein elektronisches Kundenportal ins Leben gerufen. Alfred, so der Name, ist rund um die Uhr erreichbar. Bei Neubauprojekten steht Alfred den Bewohnerinnen und Bewohnern bereits automatisch zur Verfügung. Schwieriger sei der Umstieg bei Bestandskunden, erklärt Geschäftsführer Christian Struber. Aber auch das funktioniere: Bei der Sanierung einer Tiefgarage habe man den 142 Eigentümern Alfred schmackhaft gemacht, indem man alle paar Tage ein Foto der Baustelle postete. Am meisten werde das digitale Angebot aber genutzt, um Abrechnungen zu überprüfen.

Digitale Abstimmung

Ideen für weitere Schritte gibt es bereits: In Zukunft, hofft Struber, könnten in Wohnungseigentumsobjekten sogar Abstimmungen digital erfolgen. Die Salzburg Wohnbau will das noch im Herbst anhand eines Modellprojekts in einem kleineren Haus ausprobieren. Struber hofft in puncto Digitalisierung auf eine in Arbeit befindliche Novelle des Wohnungseigentumsgesetzes. Diese Entwicklung werde wohl auch durch die Corona-Krise befeuert.

Und auch die digitale Hausverwaltung wurde im Lockdown vermehrt genutzt, erzählt Struber. Wichtige Infos erhält man damit sofort und bequem aufs Handy. Das Schwarze Brett beim Hauseingang sei eigentlich nicht mehr nötig. Dennoch ist Struber überzeugt: "Das Schwarze Brett wird die Digitalisierung überleben." (Franziska Zoidl, 6.11.2020)