Wir tragen unser ganzes Wissen in Smartphones herum und kommunizieren über Video, selbst unsere Autos sind fahrende Computer geworden. Bloß der Bau ist analog geblieben. Dort schichten Arbeiter Ziegel übereinander, gießen Beton, setzen Fenster ein und verlegen Kabel.

Aber dieses Bild trifft immer weniger zu. Wie sehr die Digitalisierung auch im Wohnbau Einzug gehalten hat und welche Folgen das für das Wohnen hat, war Thema des 68. STANDARD-Wohnsymposiums vergangene Woche in der Seestadt Aspern. Es fand wegen Corona unter erschwerten Bedingungen und mit einer eingeschränkten Teilnehmerzahl statt, aber anders als andere Veranstaltungen nicht nur virtuell.

Im Mittelpunkt des vom Fachmagazin Wohnen Plus mitorganisierten Symposiums standen neue Technologien wie das Building Information Modeling (BIM) – eine Methode, um vor dem eigentlichen Bau eines Gebäudes ein digitales Abbild zu schaffen –, das digitale Wohnungsmarketing oder die digitale Hausverwaltung, die zeigten: Die Digitalisierung schreitet auch in der Baubranche voran. Doch wie schnell? Wie ist der Status quo? Und welche Herausforderungen kommen in nächster Zeit auf uns zu?

Ressourcenverschwendung

Auf diese und mehr Fragen versuchten die Vortragenden auf dem Symposium Antworten zu geben oder zumindest Ansätze dazu zu liefern.

Den Anfang machte, und das in einer beeindruckenden Art und Weise, Christoph Achammer, Professor für Interdisziplinäre Planung an der TU Wien. Er sprach vor allem über die Vorteile in der Gebäudeplanung, die eine weiter voranschreitende Digitalisierung bringen kann. Doch die sei in der Baubranche kaum noch angekommen. "Heute werden beim Planen und Errichten ohne digitale Hilfsmittel 30 bis 50 Prozent der Ressourcen, Arbeit und Energie verschwendet", skizzierte es Achammer und sorgte damit für erstaunte Gesichter unter den Teilnehmern. Das mache die Gebäude, die aktuell gebaut werden, nicht wirklich leistbar. "Die Bauwirtschaft ist momentan nichts anderes als die industrielle Fertigung von Prototypen", sagte er.

Christoph Achammer, Professor für Interdisziplinäre Planung an der TU Wien, eröffnete das 68. Wohnsymposium auf beeindruckende Art und Weise.
Foto: Newald

Kampf der Verschwendung

Damit diese Verschwendung beendet werde, müssten sich die Organisation und die Kultur ändern. So verwies Achammer auf die "hohen Zäune", die jeder einzelne Player um sein Feld bauen würde. "Dabei brauchen wir viel mehr Zusammenarbeit – in der Organisation und in den weiterreichenden Prozessen", sagte er.

Als Beispiel zitierte er eine Untersuchung, die zeigte, dass auf Großbaustellen im Durchschnitt rund 20 Prozent der bestellten Kabelmeter nicht gebraucht würden. "Und wie oft kommt es vor, dass jemand von der Baustelle anruft und sagt: ‚Heast, wir haben da was vergessen, kannst du das schnell mitbringen?‘", sagte er und schüttelte dabei den Kopf. Das könne durch die richtigen Absprachen und die richtige Planung leicht verhindert werden.

Achammers Vortrag hinterließ einen bleibenden Eindruck im Raum. Das zeigte sich ebenfalls dadurch, dass fast jeder, der das Rednerpult danach betrat, einen Bezug zu seinen Worten knüpfte.

Die folgenden Vorträge drehten sich vor allem um den aktuellen Stand der Digitalisierung in der Baubranche. Wie gehen Architekten mit den digitalen Werkzeugen um, was ist der Vorteil für die Bauträger, wie kann die Hausverwaltung optimiert werden?

Nieder mit den Zäunen

Das Thema setzte sich in einer spannenden politischen Debatte über den Überbegriff der Digitalisierung fort, ehe in den Tischgesprächen die Frage beantwortet wurde, wie der Fortschritt in der Wohnungswirtschaft schneller und besser vorangebracht werden kann.

Einigkeit herrschte unter den Teilnehmern, dass die von Achammer angesprochenen Zäune niedergerissen oder zumindest niedriger angesetzt werden sollten. Damit die Digitalisierung wirkliche Vorteile in puncto Kosten, Qualität und Kreativität bringt, reichen Computer und Software nicht aus. (Thorben Pollerhof, 29.10.2020)