Nachdem die Theoretiker und Praktiker Zeit gehabt hatten, ihre Argumente und ihre Kritik in Sachen Digitalisierung vorzubringen, stellten sich der Nationalratsabgeordnete Andreas Hanger (ÖVP) und die zukünftige Wiener Neos-Wohnbausprecherin Selma Arapovic der politischen Debatte.

STANDARD: Die Breitbandoffensive ist seit Jahren angekündigt, 5G soll kommen, es gibt mittlerweile schon länger ein eigenes Digitalisierungsministerium. Warum haben wir dann in Österreich trotzdem einen Rückstand?

Hanger: Das stimmt, wir haben definitiv in Österreich Nachholbedarf. Wir haben Räume, die vom Markt ganz gut versorgt werden, ich denke hier zum Beispiel an die Seestadt Aspern. Wenn ich aber eine dünn besiedelte Gegend habe, dann wird das für die Telekommunikation herausfordernd. Wir haben auf diese Situation bereits mit verschiedenen Strategien reagiert. Dieses Spannungsfeld, was macht der Markt und was soll von der öffentlichen Hand geregelt werden, ist gar nicht so einfach aufzulösen. Jetzt kommt ja auch noch 5G dazu. Wichtig war, dass die Regierung dieses Mal dar auf geachtet hat, nicht den Gewinn maximieren zu wollen, sondern dafür zu sorgen, dass die bundesweite Abdeckung stimmt.

STANDARD: Frau Arapovic, stimmen Sie dem zu, stimmt die Richtung, in die wir steuern?

Arapovic: Die Richtung stimmt, die Geschwindigkeit ist die Frage. Es könnte viel schneller gehen. Und holen wir die Menschen ab? Meiner Meinung nach können wir sie nur über den Bedarf des Einzelnen abholen, durch die Vorteile. Wir können niemanden dazu zwingen, aber Corona hat ja gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir flexibel und agil bleiben. Das hat endlich etwas bewegt.

Die Digitalisierung als große Chance sah der Nationalratsabgeordnete Andreas Hanger (ÖVP) genauso wie die Architektin Selma Arapovic (Neos). Eric Frey moderierte.
Foto: Newald

STANDARD: Muss man mehr tun, um Menschen abzuholen? Und wenn ja, wie?

Arapovic: Ja, muss man, und zwar durch Einbindung. Wir haben es heute auch mit BIM diskutiert, wie wichtig es ist, dass dort ein Paradigmenwechsel stattfindet. Es geht dar um, dass wir alle, die beteiligt sind, gleich am Anfang mit ins Boot holen und alle möglichen Bedenken früh aus dem Weg schaffen.

STANDARD: Herr Hanger, im Mostviertel gibt es sehr viele kleine Betriebe, die ebenfalls die Digitalisierung noch vor sich haben. Sind die auf einem guten Weg, oder gibt es da noch Nachholbedarf?

Hanger: Ich habe da einen positiven Zugang. Die Klein- und Mittelbetriebe sind im Großteil kunden- und lieferantengetrieben. Die müssen sich ganz einfach ändern, um am Markt bestehen zu können. Und die jüngere Generation drängt diesen Prozess nach vorn. Die Frage, die weiterhin im Raum steht, ist die der Qualifikation. Die monotonen, schweren Arbeiten werden zum Glück weniger. Wir brauchen die Menschen, die höher qualifiziert sind und die diese Prozesse auch steuern können.

STANDARD: Frau Arapovic, sehen Sie das auch so positiv? Sind da andere Länder nicht schon weiter als Österreich?

Arapovic: Wir haben gerade auch am Tisch darüber diskutiert, inwieweit die Verwendung von BIM in Österreich verbreitet ist. Und dann sind wir darauf gekommen, dass sie nicht so verbreitet ist im Vergleich mit den skandinavischen Ländern. Wir sind auf einem guten Weg, wir haben das Know-how, wir haben gute Ausbildungseinrichtungen. Aber es ist noch ein langer Weg.

STANDARD: Herr Hanger, sind die Ziele des Wohnbaus bereits verwirklicht, oder sind wir wenigstens auf einem guten Weg dorthin?

Hanger: Mich hat der Fakt überrascht, dass wir mit guter Planung rund 30 bis 50 Prozent weniger Ressourcen im Wohnbau brauchten. Das würde letztendlich allen helfen. Das, was wir heute hier ausgearbeitet habe, war ja, dass wir die Zäune, die aufgebaut wurden, niederreißen und zusammenarbeiten.

STANDARD: Frau Arapovic, was muss geschehen, damit diese Zäune niedergerissen werden?

Arapovic: Das Bild des Zauns ist heute sehr präsent. Ich glaube, man muss viel mehr in den Austausch, viel mehr in die Breite gehen. Eine Möglichkeit wäre es, Pilotprojekte zu starten und mit denen dann an die Öffentlichkeit zu gehen, um diese Hemmschwelle so niedrig wie möglich zu halten, um auch die Akzeptanz zu stärken.

STANDARD: Was ist Ihnen in der Wohnpolitik das wichtigste Anliegen?

Arapovic: Wie schaffen wir es, dass das Wohnen leistbarer wird? Wir haben darüber gesprochen, wie hoch die Kosten sind. Und deswegen ist der Erwerb einer Immobilie für eine Jungfamilie in Wien etwas, was nicht zu stemmen ist.

STANDARD: Herr Hanger, was wird, wenn diese Pandemie einmal vorbei sein sollte, im Bereich Wohnen als Nächstes passieren?

Hanger: Das Schlagwort des leistbaren Wohnens verfolgt mich auch, seit ich politisch aktiv bin. Unser Zugang ist ein durchaus marktwirtschaftlicher. Wir wollen Eigentum ja fördern, und ich glaube, das ist der richtige Ansatz. (Protokoll: Thorben Pollerhof, 2.11.2020)