Als Erstes schlägt einem im Dianabad die Wärme entgegen. Zusammen mit der hohen Luftfeuchtigkeit vermittelt auch die Ausstattung des Spaßbads Tropen-Feeling: Palmen und andere exotische Pflanzen (freilich aus Plastik) stehen herum, die Stahlsäulen sind mit bunten Fischen dekoriert, über der Rutsche thront ein glatzköpfiger Pirat. Der Bademeister sitzt in einer Hütte mit Strohdach, darunter hängt eine Totenkopf-Fahne. Abenteuer liegt in der Luft, Kinderlachen ist der Soundtrack hier, ab und zu schreit ein Baby. Der graue Wiener Herbst ist für ein paar Stunden vergessen.

Damit ist übermorgen Schluss, mit 31. Oktober schließt das Bad in der Leopoldstadt. 20 Jahre lang wurde es von Raiffeisen und Uniqa betrieben – das war Ende der 1990er die Bedingung der Stadt, als sie den Umbau des Bades mit rund 14,5 Millionen Euro förderte. Und diese Bedingung ist nun erfüllt.

Gebadet wurde aber schon viel länger hier im zweiten Bezirk, unweit des Donaukanals: Das erste Dianabad wurde bereits 1810 eröffnet, später wurde hier die erste überdachte Schwimmhalle Europas errichtet. Im Winter wurde das Bad einst zum Konzert- und Ballsaal umfunktioniert: So wurde 1867 der Walzer "An der schönen blauen Donau" von Johann Strauss Sohn im alten Dianabad uraufgeführt.

"Pumpevolle" Schwimmkurse

Valeria Zarick hält die Schließung für eine "Katastrophe". Sie steht am Beckenrand und schüttelt den Kopf. Soeben hat sie einen Babyschwimmkurs abgehalten – den letzten im Dianabad. "Das ist das letzte innerstädtische Bad für Familien mit kleineren Kindern. Und es ist unglaublich beliebt", ruft sie und schwenkt mit den Armen durch den Raum. Am Nachmittag sei hier einiges los. Und am Vormittag erst recht. "Die Schwimmkurse sind pumpevoll."

Einen solchen haben Katharina Gotsmy und Dorothea Kulka-Kudoke mit ihren Babys hinter sich. Der Kurs ist zwar schon aus, aber die Mamas bleiben mit den Kleinen noch im Wasser und quatschen. Beide Mütter haben als Kinder eher negative Erfahrungen mit Bädern gemacht. "Bei mir ist das noch immer unter dieser Schulerfahrung mit Badehaube abgespeichert", sagt Gotsmy. Ihr fünfmonatiger Sohn Albert gluckst währenddessen fröhlich vor sich hin. Ihm wollte Gotsmy von Beginn an eine schönere Erfahrung ermöglichen. "Ich bin total überzeugt von diesem Angebot. Es macht ihm Spaß und auch mir." Dorothea Kulka-Kudoke nickt und lächelt neben ihr im Wasser: "Bei mir ist es sogar noch ärger. Ich kann nicht mal schwimmen." Noah, ihr kleiner Sohn, habe sich jetzt schon gut ans Wasser gewöhnt.

Foto: Corn

Dass das Bad nun schließt, finden beide Frauen traurig: "Das Dianabad liegt zentral in der Innenstadt. Außerdem sind hier alle freundlich, und es gibt ein großes Angebot für Kinder", sagt Gotsmy. Trotzdem: Beide Mamas sind motiviert, auch weiterhin Babyschwimmkurse zu besuchen.

Dorit Arndt freut das zwar, sie glaubt aber nicht, dass viele sich die Mühe antun. "Leider, leider", sagt sie. Arndt organisiert die Babyschwimmkurse im Dianabad seit knapp zehn Jahren. "Die Leute werden nicht ausweichen, wenn es weiter entfernt und teurer ist." Sie bietet auch noch im orthopädischen Spital in Speising Babyschwimmkurse an, dort allerdings mit deutlich weniger Terminen. Neben Arndts "Seepferdchen" gibt es natürlich noch andere Anbieter von Babyschwimmkursen in Wien. Das Dianabad war aber eines der gefragtesten Bäder für Eltern-Kind-Kurse. Nicht nur Arndt, auch ihre Tochter sei wegen der Schließung betroffen. Die habe im Dianabad schwimmen gelernt "und quasi ihre Kindheit hier verbracht".

Was die Kleinen im Wasser lernen

So geht es einigen: Circa 600 Babys und Kleinkinder waren wöchentlich im Dianabad in Schwimmkursen – zuletzt durch die Corona-Maßnahmen weniger.

Ertrinken ist die häufigste tödliche Unfallursache bei Kindern bis fünf Jahre, die zweithäufigste bei älteren Kindern, merkt Arndt an. "Das ist kein Planschkurs, was wir hier machen. Es geht für die Kinder darum, Selbstbewusstsein im Wasser zu entwickeln."

Foto: Corn

Tatsächlich lernen auch schon die Jüngsten, wie und wo man sich retten bzw. Halt finden kann: Einige Mamas und ein Papa stehen mit ihren Kindern im Wasser, ihre Babys schieben sie ein paar Schritte lang zum Beckenrand und halten sie dafür auf dem Bauch. Dort angekommen legen sie die Hand ihrer Kinder an den Rand. Nach wenigen Einheiten greifen die Kinder schon selbstständig hin, sagt Schwimmtrainerin Zarick.

"Ich habe von diesen Kursen gelebt – und versuche es auch weiterhin", bleibt sie optimistisch. 25 bis 30 Kurse hat sie bislang pro Woche gegeben. Sie kam – wie viele andere Schwimmtrainer auch – in der Karenz zu dem Beruf. Weil ihr der Kurs mit dem eigenen Nachwuchs so gefallen hat, machte sie kurzerhand die einjährige Ausbildung. "Zu sehen, wie sich die Kleinen entwickeln, was sie alles können, das macht mir unheimliche Freude."

So geht es auch Clemens Lechner, der ebenfalls am Beckenrand steht. Ein paar Minuten vorher war er noch mit seiner Kamera im Wasser. Lechner lichtet alle Babys und Kinder unter Wasser ab – wenn die Eltern das möchten. Und das seit 15 Jahren im Dianabad. "Davor haben das die Schwimmtrainer selbst mit Wegwerfkameras gemacht."

Stille kehrt ein

Foto: Corn

Den Fotografen regt die Schließung auf. "Für mich ist es nicht verständlich, dass die Stadt sich hier nicht einschaltet." Dort interessiere man sich nur für Sportbäder. "Aber als Familie komme ich hierher und nicht ins Sportbad."

Tatsächlich sorgten erste Berichte über die Schließung für zahlreiche Reaktionen – auch den STANDARD erreichten einige Mails. Im Gemeinderat landete sogar eine Petition, in der die Stadt aufgefordert wurde, das Bad zu übernehmen. Schon im Frühjahr 2019 wurde das gegenüber der Betriebsgesellschaft aber definitiv verneint. Eine Übernahme sei "nie beabsichtigt" gewesen, hieß es von der zuständigen MA 44. Wien hätte zu viel Geld in notwendige Sanierungsarbeiten, Miete und den laufenden Betrieb stecken müssen.

Was ab übermorgen mit der Liegenschaft passiert, ob das Gebäude final abgerissen wird, ist laut Betriebsgesellschaft noch unklar. Fix ist: Das Wasser wird aus den Becken gelassen – und irgendwann verschwinden dann auch die Palmen, Piraten und Badeliegen. Statt Abenteuern und Kinderrufen herrscht dann nur noch Stille. (Lara Hagen, 29.10.2020)